Seit Tagen haben wir unser Lager hier aufgeschlagen. Die anderen Dokumentarfilmer und ich warten darauf, dass die Gnus endlich mit ihrer Wanderung beginnen. Wir haben bereits in paar spektakuläre Bilder von Löwen, Elefanten und Giraffen. Ich habe die Szene bildlich vor Augen. Wenn jetzt noch die Gnus von der Ebene in den Wald laufen würden, wäre mir ein Preis sicher…
Bereits in früher Kindheit wurde mein Interesse für die Serengeti von Herrn Grzimek geweckt. Mit seinem Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“, der bereits vor meiner Geburt 1960 den Oscar für die beste Dokumentation erhielt, war der Grundstein für meine kindliche Faszination für die Einzigartigkeit der afrikanischen Wildtiere gelegt. Diese hält bis heute an und hat sich auch auf andere gefährdete Lebensräume und Tiere ausgeweitet. Mit dem Brettspiel Wilde Serengeti lässt uns der Autor Gunho Kim nun selbst in die Serengeti reisen, um dort einen Dokumentarfilm mit allerhand Tieren zu drehen. Wie wir uns dabei angestellt haben, erfahrt ihr in unserer Review.
Viel Spaß beim Lesen!
Das Kind in mir mag Holztiere
Der wild und bedrohlich von der Schachtel starrende Leopard ist nur eines von vielen Tieren, die schön gestalteten und bedruckten Holzmeeple sind als Komponenten in Wilde Serengeti enthalten. Es gibt insgesamt 12 verschiedene Tierarten, darunter Krokodile, Gazellen, Geier, Hyänen und viele mehr, die wir im Laufe einer Partie auf dem zentralen Spielplan platzieren wollen, um damit unseren Dokumentarfilm abzudrehen. Unseren Dokumentarfilm? Ja, denn Wilde Serengeti haben wir zwar kompetitiv gespielt, ihr könnt es aber auch in einer kooperativen Variante spielen.
Optisch macht Wilde Serengeti dabei einiges her. Muss ja auch, wenn wir da eine schöne Tierdoku drehen sollen. Die Holztiere sehen einfach wunderschön aus und animieren zum in die Hand nehmen. Man möchte sie am liebsten nehmen und damit rumspielen. Ganz so einfach, wie unser kindliches Ich das möchte, ist es dann aber doch nicht, denn die Tiere müssen nicht einfach irgendwo hingestellt werden.
Wenn wir schon gerade bei der Ausstattung sind, gibt es da aber auch noch ein paar Kritikpunkte. Zum einen wären da die Karten, deren Symbole sehr klein geraten sind und bei denen einige Spieler*innen am Tisch Schwierigkeiten hatten, diese zu lesen. Wenn man auch mal zum Gegenüber rüberschielen will, kann man hier ohne optimale Ausleuchtung und bestem Sehvermögen nur schwer etwas erkennen. Gar nicht lesbar ist der Flavor-Text mit interessanten Fakten. Gerade auf den Karten mit hellem Hintergrund hat man hier keine Chance mehr. Das ist einfach ganz schlecht gestaltet und hätte der Redaktion des Spiels auffallen müssen.
Wie man einen Dokumentarfilm plant – und dabei Punkte macht
Für einen tollen Film brauchen wir natürlich tolle Szenen. Die liegen in Form von Auftragskarten in der Auslage oder in unserem Bereich für geplante Szenen. Auf ihnen ist angegeben, wie genau die Tiere auf dem Spielbrett stehen sollen, um die Szenen-Karte werten zu können. Da gibt es Karten, für die müssen die abgebildeten Tiere einfach nur auf einem bestimmten Untergrund stehen. Also z.B. ein Zebra im Wasser, ein Krokodil auf Felsen und ein Elefant im Gras. Dann gibt es Karten, für die müssen die abgebildeten Tiere in einer Linie auf dem Brett stehen. Vorwärts oder rückwärts ist egal und es dürfen auch Tiere dazwischen sein. Leichte Szenen-Karten kommen dabei ohne Bedingungen für den Untergrund aus, bei schwereren werden dann wieder Gras, Wasser, Felsen oder Bäume gefordert. Und schließlich gibt es noch Karten, bei denen Tiere im Umkreis um ein anderes Tier platziert sein müssen. Und wer hätte es gedacht: Auch diese gibt es mit und ohne Untergründe und mal mit mehr und mal mit weniger Tieren.
Mit diesen Szenen-Karten könnt ihr z.B. direkt Siegpunkte bekommen. Ihr könnt auch die auf manchen Karten aufgedruckten Herzen sammeln und diese in der Endwertung punkten. Hier gibt es für 10 Herzen als Maximum 50 Punkte, was ein ziemlicher Batzen ist. Das führt dazu, dass die Karten mit Herzen begehrt sind und eigentlich nie in der Auslage liegen bleiben. Überhaupt wurde in unseren Partien hier oft die Auslage komplett ausgetauscht, um an begehrte Karten zu gelangen.
Auch Bonustoken lassen sich als Belohnung für abgedrehte Szenen ergattern. Hier gibt es Special-Effects, mit denen der Untergrund auf einem Feld für die Wertung einer Szene geändert werden kann und Fleischstücke, mit denen sich Tiere auf ein anderes Feld bewegen lassen. Die Tokens gibt es jeweils einmalig oder auf anderen Karten auch als zusätzliches Einkommen jede Runde. Da lohnt es sich, entsprechende Szenen früh zu drehen, wenn sie denn zur Auswahl stehen.
Dann gibt es noch die Blumen- und Blätter-Icons, die man sammeln kann und die sich später mit anderen Karten werten lassen. Und zu guter Letzt lassen sich auch Tatzen-Symbole sammeln, die einem dabei helfen, eine Mehrheit für eine der beiden Tier-Wertungen zu erhalten.
Ihr seht schon, es gibt viele Möglichkeiten, um an Punkte zu gelangen. Manche sind einfacher als andere oder zumindest offensichtlicher.
Wenn’s mal wieder länger dauert
So richtig kann ich bei Wilde Serengeti meinen Zug nicht planen. Ich sehe zwar genau vor mir, was ich mit den Holztieren auf dem Spielplan erreichen muss, aber in der kompetitiven Version des Spiels und bei mehr als einer weiteren Person am Spieltisch, ändert sich zu viel, bis ich wieder am Zug bin.
Dann muss ich zunächst mal schauen, was sich verändert hat, welche von mir benötigten Tiere bewegt wurden und ob meine Wunschaufstellung damit überhaupt noch möglich ist. In bester Arbeiter-Einsetz-Manier sind dann auch noch manche Felder gerade nicht verfügbar. Vielleicht wollte ich ein neues Tier auf dem Spielplan einsetzen, das hat aber nun schon jemand anderes getan und sein Marker blockiert jetzt das Feld. Zwar gibt es immer noch Ausweichmöglichkeiten, die sind aber teuer und meist steht der Mehrpreis an wertvollen Münzen dann nicht im Verhältnis zu dem, was ich an Punkte-Ertrag rausbekomme.
Ich denke also immer erst, wenn ich dran bin, was eine Partie mit der Maximalbesetzung zur echten Geduldsprobe werden lässt. Davon, dass man vielleicht auch noch schauen könnte, was mein Gegenüber erreichen möchte und ob ich da in die Karten spielen würde, fange ich erst gar nicht an.
Fazit
Insgesamt will Wilde Serengeti einfach zu viel. Für ein Familienspiel ist es zu unübersichtlich und kleinteilig. Es gibt viel zu viele Wege, um an Punkte zu gelangen, von denen allerdings einige deutlich einfacher sind und schneller belohnen als andere. So ist die Herz-Wertung im Vergleich einfach zu stark.
Als ob das Spiel nicht schon unplanbar genug wäre, bringen Tierwanderungen auch noch zusätzliche Unruhe herein, in dem zwischendurch Tiere vom Plan genommen werden. Wie bei vielen Designentscheidungen habe ich auch hier das Gefühl, dass es gut gemeint, aber schlecht umgesetzt wurde. Natürlich soll der Spielplan nicht zum Brechen voll mit Tieren sein und so die Aktionen zum Einsetzen neuer Tiere unwichtig werden. Aber als Ganzes betrachtet ist es wieder nur ein Baustein, der der Spielübersicht schadet und so an der Spieldauer und den Nerven zerrt.
Der Glücksfaktor durch die Aktionen meiner Mitspieler*innen zwischen meinen Zügen ist so groß, dass es zum Kennerspiel kaum taugt. Es kann passieren, dass eine lange vorbereitete Aufgabe durch einen Zug nicht mehr zu erfüllen ist oder dass sie bereits ohne mein Zutun erfüllt wird. Beides ist gleich wahrscheinlich.
Die Komplexität dessen, was ich eigentlich alles im Auge behalten sollte, ist andererseits so hoch, dass es für die angegebene Altersempfehlung ab 10 Jahren abseits von Vielspieler-Kindern nicht taugt. Da eignen sich die Holzfiguren leider tatsächlich eher dazu, frei mit ihnen zu spielen.
Euer Rating zu Wilde Serengeti
Wilde Serengeti ist auf Deutsch beim Kobold Spieleverlag erschienen.
Für die Review stand uns ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung.