Erde - Kartenspiel Review

Earth – Das Brettspiel für Inseln

Cover Brettspiel Earth Ede

Sanft streicht der Wind über die kargen Felsen. Die Insel ist noch recht jung, jedenfalls in geografischen Zeitaltern. Deswegen findet sich auch kaum Vegetation auf ihr. Langsam fassen die ersten Bodenpflanzen Fuß, aber es wird noch Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte dauern, bis größere Pflanzen wie Bäume das Antlitz der Insel prägen werden. Und erst dann werden wahrscheinlich auch Tiere hier eine Zuflucht finden können. Aber was sind schon Äonen von Jahren, wenn man eine kleine Insel ist auf dem großen Planeten Erde. 

Es gibt Brettspiele, die will ich sofort haben, nachdem ich sie auf Kickstarter entdeckt habe. Und dann gibt es Brettspiele wie Earth, die unterstützte ich, weil sie ja irgendwie nett aussehen, aber die Erwartungshaltung ist eher gering. Vorfreude ist allerdings eine Sache und wie sich das Brettspiel dann wirklich spielt, ist eine andere Sache. Und so sind manche Sofort-Haben-Brettspiele auch schnell gescheitert und andere Brettspiele starten dann erst richtig durch. Spoiler: Earth von Inside Up Games bzw. lokalisiert von Skellig Games konnte bei mir richtig durchstarten. Warum? Das könnt ihr in der Review lesen.

Viel Spaß beim Lesen!

Earth macht süchtig

Ich weiß nicht, was es ist, aber Earth hat es einfach. Earth hat mich ab der ersten Spielpartie gepackt. Und mittlerweile sind somit einige Partien zusammen gekommen. Und da werden auch noch weitere dazu kommen. Denn das Brettspiel mit Tableau-Building, also dem Aufbau eines eigenen Rasters, mit dem ich meine Aktionen oder Siegpunkte verbessere, zieht mich immer wieder in seinen Bann. Auch gerade in diesem Augenblick, während ich die Review dazu schreibe, zuckt es schon wieder in meinen Fingern nach einer weiteren Partie.

Dabei ist Earth eigentlich recht simpel. Ich bin eine Insel, ja ihr lest richtig, ich bin eine Insel. Allerdings bin ich am Anfang noch recht schroff und ohne jegliche Vegetation. Im Laufe einer Partie möchte ich immer mehr Pflanzen oder Pilzen auf meinem kleinen Eiland ein zu Hause bieten. Diese Pflanzen oder Pilze, als Karten dargestellt, erweitern meine Aktionsmöglichkeiten für weitere Züge.

Earth Erde Brettspiel Aktionen

Und klar, ihr ahnt es schon, so einfach ne Pflanze in die Erde stecken geht nicht. Ich muss als Insel erst einmal genug gute, fruchtbare Erde mein Eigen nennen. Gut, dass es neben der Pflanzen-Aktion genau dafür auch eine Aktion gibt. Des Weiteren kann ich mich als Insel auch noch dafür entscheiden zu wässern, also mehr Sprösslinge einer Pflanze auszusäen. Damit mir mit der Zeit nicht die Karten ausgehen, kann ich mit der letzten Aktion eben genau diese auch noch nachziehen.

Das interessante dabei ist, dass ich die Aktion nicht alleine ausführe. Wenn ich als aktive Insel eine Aktion auswähle, dann steht diese auch allen anderen Inseln bzw. Spielenden in Earth zur Verfügung. Aber nicht in der vollen Stärke.

Kleines Beispiel: Wähle ich als Insel die Aktion Pflanzen kann ich bis zu 2 Pflanzen bzw. Karten ausspielen und in mein Tableau einbauen (oder um thematisch zu sein: auf meinem Eiland ansiedeln). Dann ziehe ich vier Karten und suche mir eine davon aus. Alle anderen Inseln am Spieltisch können nun auch gleichzeitig pflanzen, aber eben nur eine Pflanze und bekommen auch nur eine Karte ungesehen vom Nachziehstapel.

Earth Erde Brettspiel Nachziehstapel

Earth ist bekannt aber doch anders

Das an sich ist jetzt nicht wirklich spektakulär und birgt auch nicht das Sucht-Element. Der Kniff in Earth ist, dass jede Aktion weitere Aktionen auf meinem Tableau auslösen kann. Bleibe ich wieder bei dem obigen Beispiel, so kann es sein, dass ich durch Aktionen auf meinem Tableau zusätzlich noch eine weitere Karte nachziehen kann.

Und genau hier werde ich abgeholt. Der Aufbau meines Tableau und damit verbundene Synergien, die meine Aktionen immer interessanter und mächtiger machen, um damit unterm Strich mehr Siegpunkte zu erzeugen.

Und Siegpunkte gibt es nicht wenige. Jamey Stegmaier sagte einmal, dass Red Rising einen wichtigen Punkt von Fantastische Reiche umgesetzt hatte. Und das war das Bekommen von vielen Siegpunkten. Und genauso ist es bei Earth. Selbst wenn ich verliere, habe ich locker um die 200 Punkte erreicht, das fühlt sich einfach gut an. Denn das Erreichen dieser Punkte ist kein großes Problem. Allerdings bleibt es eben auch spannend, bis zum Auszählen der Punkte. Ich habe vielleicht während einer Partie einen gewissen Überblick, wie viel Punkte ich so pro Siegkarte bekomme, aber das große Ganze kommt eben erst am Schluss. Und das macht mir einfach Spaß.

Earth Erde Brettspiel Tableau

Die richtige Mischung macht es

Doch ich möchte als Insel ja nicht nur Pflanzen ansiedeln. Ich will ja auch schon wissen, wie ich mich als Insel so im Vergleich zu den anderen Inseln am Brettspiel-Tisch schlage. Gut, dass es dafür Ziele gibt, die mich potenziell mit Punkten versorgen können.

So habe ich ein persönliches Ziel, welches am Ende gewertet wird. Es gibt zudem zwei öffentliche Ziele, die ebenfalls am Ende gewertet werden. Aber es gibt außerdem noch vier Ziele, bei denen es auf Geschwindigkeit ankommt.

Thematisch gesehen gibt es vier zufällige Tiere, die gerne auf unserer kleinen Insel heimisch werden möchten. Allerdings haben diese bestimmte Vorlieben. So möchten Sibirische Tiger am liebsten Büsche und wenn ich eine bestimmte Anzahl an Büschen auf meiner Insel gepflanzt habe, kann ich dieses Ziel mein Eigen nennen. Wenn ich dies als Erstes schaffe, bekomme ich wie so oft mehr Punkte, als die anderen Inseln am Brettspiel-Tisch.

Jetzt werden einige wahrscheinlich glauben, dass es sich hier irgendwie um einen Arche Nova oder Terraforming Mars Klon handelt. Dem ist aber nur bedingt so. Was Earth mit beiden Spielen gemeinsam hat: Es gibt viele Karten. Also, ich meine wirklich viele Karten. Aber das war es auch schon. Während ich bei der terraformierenden Arche viele Karten nur ausspielen kann, wenn ich bestimmte Voraussetzungen erfülle, gibt es das bei Earth nicht. Auch profitiere ich bei Earth mehr vom Tableau Building und werde mit Synergien untereinander belohnt. Das gibt es zwar auch bei den anderen beiden Brettspielen, aber eben nicht in dem Umfang, wie es bei Earth der Fall ist.

Earth Erde Brettspiel Siegpunkte

Für mich erinnert Earth eher an Flügelschlag. Nur bastele ich halt nicht alleine an meiner Aktion und Bonusaktionen herum, sondern es gibt scheinbar immer was zu tun. Die Aufteilung in aktive Spielende und passive Spielende führt dazu, dass es gefühlt fast keine Downtime gibt. Allerdings, und das ist die Kehrseite der Medaille, puzzelt halt auch jeder so vor sich hin. Was die anderen Inseln am Tisch machen, bekomme ich nur am Rande mit. Klar, die ersten paar Runden mit Neulingen werfe ich schon ein Auge drauf und gehe mit diesen ihre Aktionen und Bonusaktionen durch. Allerdings ist die Lernkurve so angenehm, dass meine Hilfe recht schnell nicht mehr gebraucht wird.

Wachsen, Wachsen und noch einmal Wachsen

Nun ist das Ansiedel von Pflanzen nicht das Einzige, was ich als Insel so machen kann, um mich zu vergrößern bzw. zu vergrünen. Alternativ kann ich nämlich auch noch meine Pflanzen dazu bringen zu wachsen und neue Sprösslinge auszubilden. Das ist in zweierlei Hinsicht gut. Zum einen bringt mir das Sprossen und Wachsen nicht nur Siegpunkte ein, sondern es gibt mir auch eine Art Ressource, die ich wiederum nutzen kann.

Und das ist aus meiner Sicht bei Earth wirklich sehr thematisch eingebunden. So wächst es bei der Aktion Wachstum wortwörtlich, da die Holz-Wachstums-Marker horizontal ineinander gesteckt werden und so meine Pflanzen in die Höhe sprießen. Also zurück zu der thematischen Einbindung: Ich kann etwa einen solchen Marker abgeben, um damit mehr Erde bzw. Humus zu bekommen, im Grunde die Grundwährung in Earth. Thematisch kann ich mir das bildlich vorstellen, ein dicker Ast bricht ab und verrottet langsam und bietet damit Pilzen eine Grundlage zum Wachsen.

Earth Erde Brettspiel Flora

Zwar ist das damit immer noch nicht hochthematisch, aber man hat dann schon ein wenig mehr das Gefühl, dass da eben ein Ökosystem entsteht, wenn ich die Holzteile auf meinen Karten platziere oder auch wegnehme.

Im Hintergrund rechne ich als Insel dann doch in klassischer Euro-Game-Manier die Punkte durch. Spiele ich diese Aktion aus, dann kostet es mich einen Siegpunkt, bringt mir allerdings durch den Kompost-Stapel dafür drei Punkte ein. Also im Endeffekt kein schlechter Deal. Allerdings fühlt es sich für mich bei Earth nicht stressig an, sondern irgendwie passend.

Earth hat ein Problem mit dem Zufall

So schön und fluffig sich Earth auch spielt, so hat es doch ein gewisses kleines Problem. Und ähnlich wie bei Arche Nova, Terraforming Mars und Flügelschlag sind es die Karten bzw. die Ziele. Um meine Ziele und die öffentlichen Ziele erfüllen zu können, braucht es Karten. Allerdings braucht es wie bei Flügelschlag bestimmte Voraussetzungen, um ein Ziel zu erfüllen. Und hier benötige ich schlicht Glück beim Ziehen der Karten.

Ihr könnt euch noch an den Tiger erinnern, der Büsche liebt, damit ich die Karte punkten kann? Nun gibt es auch eine Karte, die mich belohnt, wenn ich viele Büsche auf meiner Insel anpflanze. Und es gibt auch noch eine Terrain-Karte die mir noch einmal Punkte für Büsche gibt. Wobei Terrain-Karten auch Karten sind, die ich auf meiner Insel platziere, die mir dann entweder einen spieltechnischen Bonus geben oder mir auch noch einmal Siegpunkte bescheren können. Habe ich nun zufällig eine solche Kombination auf der Hand, wären Büsche eine sichere Investition. Allerdings (und das passierte mir schon oft) kommen dann einfach keine Büsche. Das Beispiel funktioniert genauso auch mit anderen Pflanzentypen.

Oder das andere Extrem, es muss auf ein Ziel gespielt werden, was nur im niedrigen Prozentbereich ist. Etwa dass Pflanzen mit einem Tier im Namen auf der Insel vorkommen sollen. Ich selber ziehe eine Karte nach der anderen, um das Ziel erfüllen zu können. Andere am Tisch haben aber gleich von Anfang an die entsprechenden Karten auf der Hand oder ziehen sie ohne Probleme nach. Da fühlte ich mich manchmal an den Streichelzoo in Arche Nova erinnert. Das führte bei einigen Partien durchaus zu Frust. Und Umschwenken bringt nicht wirklich etwas, da die Ziele nun einmal fix sind und ich die Siegpunkte auch nicht unbedingt aufgeben möchte.

Earth Erde Brettspiel Terrain

Aber, und hier greift der potenzielle Sucht-Gedanke von Earth, die kleine Stimme im Hinterkopf bekräftigt mich, dass ich in der nächsten Partie genau diese Killer-Kombo bekommen werde und so richtig viele Punkte einheimse.

Ich kann einfach nicht genug bekommen von Earth.

So schafft es Earth mich an den Brettspiel-Tisch zu fesseln und mittlerweile habe ich mehr Partien von Earth gespielt, als Arche Nova und Flügelschlag zusammen gezählt. Zum einen liegt es daran, dass bei Earth sehr viel gleichzeitig stattfinden kann und so auch eine Partie rasch gezockt ist. Zu zweit braucht es nicht einmal eine dreiviertel Stunde.

Zum anderen liegt es auch daran, dass ich für Earth nicht unbedingt jemanden an meinem Brettspiel-Tisch brauche. Denn Earth kann ich auch auf der Boardgame-Arena spielen. Und so sind dort auch einige Partien zusammengekommen. Wer also erst einmal schauen möchte, ob das Brettspiel für einen selbst etwas ist, kann da ja zunächst eine Probe-Partie spielen. Hier wird auch das Problem gelöst, dass die vielen Karten mit sich bringen. Es ist nämlich gar nicht so einfach den Nachziehstapel ordentlich zu mischen. Das ist bei der Vielzahl an Karten schon durchaus eine logistische Herausforderung, wenn ich die analoge Variante von Earth aus dem Brettspiel-Kallax raushole.

Ich für meinen Fall bin froh, dass ich damals Earth auf Kickstarter unterstützt habe und will es auch nicht mehr in meinem Brettspiel-Regal missen.


Euer Rating zu Earth


Wieder ein Spiel mit Naturthema...

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Earth ist auf Deutsch bei Skellig Games erschienen.

Earth (2023)
Spieler:
1 - 5
Dauer:
45 - 90 Min
Alter:
13+
BGG Rating:
7.92
Verlag:
Inside Up Games, Skellig Games
BGG:

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