Okay, meine Vorlesungen sind abgesagt, Vertretung ist organisiert. Ich hätte nie gedacht, dass ich einem so kuriosen Hilferuf wie dem des Bürgermeisters von Bad Wahrfels mal Folge leisten würde. Als Professorin glaube ich natürlich nicht an das sogenannte Monster. Aber das Rätsel interessiert mich doch. Was mag nur hinter dem Mysterium der „Drei Kolosse“ stecken?
Ihr habt Lust auf ein ungewöhnliches Rätselspiel, bei dem ihr mehr bekommt, als bei einem klassischen EXIT? Dann ist Die Drei Kolosse von Johannes Lorenzen vielleicht genau das Richtige für euch. Warum uns die Mischung aus Rätselorgie, Ermittlerspiel und Krimidinner begeistern konnte und was ihr daran mögen, könntet, erfahrt ihr in unserer Review
Viel Spaß beim Lesen!
Wissenschaft…!…!
Unsere Reise beginnt, beziehungsweise endet erst mal auf dem Parkplatz vor Nottheim – bei Nacht. Hierhin wurden wir gerufen, um seltsame Vorkommnisse rund um Die Drei Kolosse, Gräber alter Fürsten in den Bergen über dem Dörfchen, und einem angeblichen Monster zu untersuchen. Wir, das sind fünf Professor*innen, die jeweils auf ein wissenschaftliches Fachgebiet spezialisiert sind. Und natürlich werden wir die Behauptungen über ein Monster und die angeblichen übernatürlichen Ereignisse mithilfe der Wissenschaft als Humbug entlarven. Als schlagkräftiges Team haben wir die unterschiedlichsten Fachgebiete: Kulturgeschichte, Petrologie, Toxikologie, Zoogeografie und Psychotraumatologie. Bis heute sind wir uns nie begegnet, aber mit unserer geballten wissenschaftlichen Macht wird es uns schon gelingen, den Mythos, um dieses angebliche Monster zu entzaubern.
Hier lernen wir uns also erst mal kennen und dann geht es auch schon los mit den ersten Rätseln. In den Umschlägen ist teilweise, sagen wir „interessantes“ Material enthalten. Das sorgte dafür, dass wir recht schnell in eine sehr heitere Stimmung am Tisch kamen.
Hört, Hört
Dazu trugen natürlich auch die hervorragenden Hörspiele bei, mit denen wir bereits auf der Packung geködert wurden. Die sind in der Tat atmosphärisch und bringen nicht nur neue Informationen und die Story voran, sie lassen uns auch schmunzeln. Überraschenderweise sind auch wir selbst teilweise aufgefordert, dabei mitzuwirken. Schließlich verkörpert jede Person am Tisch eine*n der beteiligten Professor*innen und was liegt da näher, als dass wir selbst Sprechrollen bekommen. Das wirkt auch gleichzeitig dem Phänomen entgegen, dass in vielen Rätselspielen immer dieselben Personen das Vorlesen übernehmen. Gleich zu Beginn von Die Drei Kolosse stellen wir uns so gegenseitig vor und alle Professor*innen bekommen gleich mehr (schräge) Persönlichkeit. So sind immer alle beteiligt und das erleichtert es, sich mit der verkörperten Person zu identifizieren. Ein cleverer Kniff, der uns tiefer in die Geschichte zieht.
Diese atmosphärischen Kniffe bedeuten aber auch, dass wir elektronische Geräte am Spieltisch benötigen. Ohne geht es einfach nicht. Neben einem Hauptgerät, das alle möglichst immer im Blick haben sollten, sind auch eigene Geräte wie Smartphones von Vorteil. Im Hintergrund läuft sowohl bei den Hörspiel- und Sprecheinlagen als auch während der Rätselzeit auf der dazugehörigen zentralen Webseite ein Video mit stimmungsvollen Geräuschen, die eine passende Kulisse bilden. Und auch optisch passen diese immer zu unserem jeweiligen Aufenthaltsort in und um Nottheim. Hier verbirgt sich aber auch der ein oder andere wichtige Hinweis, den man auch mal schnell übersehen kann.
Vom Rätseln und Grübeln
Aber natürlich sind wir nicht nur für die Geschichte da, sondern vor allem auch wegen der Rätsel. Mit ihnen steht und fällt ein Rätselspiel schließlich. Und da muss ich ehrlich sagen, kommt viel Abwechslung auf den Tisch. Die Drei Kolosse bieten mehr Freiheit bei den Rätseln, da nicht immer ein dreistelliger Code herausgefunden werden muss, sondern im Prinzip alles möglich ist. Die Lösungen werden auf der Homepage eingegeben und das kann im Prinzip alles sein.
Wie Johannes Lorenzen in einem Interview mit der Spielbox (Ausgabe 6/24) sagte, konnte er dadurch auch sehen, womit die Spieler Probleme haben, an welchen Stellen es hakt und entsprechend für die zweite Auflage beim PD-Verlag nachjustieren.
Was Die Drei Kolosse positiv von anderen Spielern dieser Art unterscheidet, ist die starke Verbindung zwischen den Rätseln und der erzählten Geschichte. Dabei ist der Schwierigkeitsgrad durchaus fordernd und das auch für Vielspieler. Gerade zum Ende zieht dieser noch einmal ordentlich an. Aber die Rätsel selbst sind nicht nur spannend und machen Spaß beim Knobeln, auch in puncto Rätselmaterial wird uns eines mehr geboten als bei einem Standard-Rätselspiel. Es ist mit sehr viel Liebe und Auge fürs Detail zusammengestellt. Da steckt viel Handarbeit drin, und das trägt alles zur Atmosphäre bei, denn es macht Spaß, den Inhalt der Umschläge zu erkunden und wir wurden des Öfteren überrascht, was wir da so vorgefunden haben.
Bazillus Maximus
Im Vergleich zu vielen anderen Vertretern des Genres ist Die Drei Kolosse ein recht langes Spiel. Wer ein Exit oder Unlock! mit Spieldauern zwischen 60 und 90 Minuten gewohnt ist, der bekommt hier deutlich mehr. Mehr Raum für Story und Atmosphäre, aber auch mehr benötigte Freizeit. Die Spielzeit ist mit 3x 120 Minuten angegeben und das kommt auch durchaus hin. Zum Glück gibt es zwei Stellen im Spiel, wo dieses unterbrochen werden kann. Das haben wir nach Kapitel zwei genutzt und der Plan war, dass wir drei Tage später zu Ende bringen wollten, was wir begonnen hatten. Aber wie das nun mal mit Plänen ist… Das Leben ist passiert und nach einer regelrechten Krankheitsepidemie kamen wir dann auf mehr als zwei Wochen Unterbrechung.
Dass dieser Zeitraum zu lange war, haben wir schnell gemerkt. Es fiel uns schwer, gleich wieder in die einwandfreie Stimmung des ersten Abends zu gelangen, auch wenn das Spiel uns da mit einer Zusammenfassung an die Hand genommen hat. Gefühlt war alles schwerer, der Inhalt des reichhaltig auf dem Tisch ausgebreiteten Materials nur noch schemenhaft im Gedächtnis vorhanden. Demnach müssen wir euch dringend dazu raten, entweder gleich durchzuziehen oder aber möglichst zeitnah weiterzuspielen.
Fazit
Wir hatten viel Spaß in unserer illustren Wissenschaftler*innen-Runde. Durch den szenischen Einstieg und die stimmungsvollen Hörspiele sind wir schnell in unsere Rollen geschlüpft und den Rätseln mit geballter Logik zu Leibe gerückt. Diese empfanden wir als durchaus herausfordernd, aber nur an einer Stelle als so schwer, dass wir die Hilfe bemühen mussten. Wir sind aber nun mal auch Profis, die schon einige solcher Spiele hinter sich haben, insofern waren sie schon eine sehr knifflige Herausforderung. Dadurch, dass jede*r Professor*in durch das Spezialgebiet eigene Rätsel hatte, waren dann auch alle gefordert. Falls ihr nicht zu fünft spielt, müssen einige Personen in mehrere Rollen schlüpfen, aber auch das war kein großes Problem.
Insgesamt gehört Die Drei Kolosse zu den aktuell stimmungvollsten Rätselspielen, die es auf dem Markt gibt. Wir können es euch empfehlen. Und auch wenn der Preis durchaus etwas gehobener ist, so bekommt ihr, sowohl was das Material angeht als auch bei der Spieldauer, einiges geboten. Es lohnt sich und wir hatten eine ausgezeichnete gemeinsame Zeit am Spieltisch.
Euer Rating zu Die Drei Kolosse
Die Drei Kolosse ist beim PD-Verlag erschienen.
Für die Review stand uns ein preisreduziertes Exemplar zur Verfügung.