London - Second Edition - Brettspiel Review

London – Second Edition: Wiederaufbau mit Martin Wallace

London - Second Edition - CoverMein geliebtes London hat eine harte Zeit hinter sich. Das Feuer von 1666 wird uns noch lange beschäftigen. Doch wie der Phönix wird die Stadt aus seiner eigenen Asche wieder auferstehen. Neue Gebäude werden eine moderne Stadt prägen, von der ich als Architekt bisher nur träumen konnte. Wunder der Technik und architektonische Meisterleistungen werden entstehen. Und dann sind da natürlich die gewöhnlichen Menschen, für die wir das alles tun.

Lange hat es gedauert, doch endlich ist London – Second Edition von Martin Wallace auch eine deutsche Version erhältlich. Giant Roc hat sich des Wiederaufbaus Londons nach dem großen Feuer angenommen. Wir haben das zum Anlass genommen, unsere Erinnerungen von vor sechs Jahren noch einmal mit weiteren Partien aufzufrischen und für euch hier zusammenzufassen.

Viel Spaß beim Lesen!

Rauch im Kopf nach dem Großen Feuer

Ein Jahr bevor Brass: Birmingham in der Brettspielwelt wie eine Bombe eingeschlagen ist, kam die zweite Auflage von London bei Osprey Games auf den Markt. Eine wunderschöne Klappbox mit vielversprechendem Autor und netten Illustrationen. Der kartengetriebene Mechanismus versprach viel und so zog 2017 London – Second Edition bei uns ins Spieleregal ein. Den Kauf haben wir niemals bereut und umso verwunderlicher ist es, dass es also noch sieben weitere Jahre dauern sollte, bis es nun auch eine deutsche Auflage gibt. Die erste Auflage ist bereits aus dem Jahr 2010, was Brettspiele angeht, hat es also schon den Status eines Klassikers.

London Second Edition - So schöne Illustrationen

Aufhänger ist thematisch die Zeit nach dem Großen Brand von London im September 1666. Der größte Teil der Stadt wurde hierdurch zerstört, was vielen Menschen ihr Dach über dem Kopf kostete. Die nächsten 250 Jahre waren durch kontinuierlichen Wiederaufbau und der Umsetzung architektonischer Visionen geprägt, dem wir uns auch im Spiel widmen. Wir wollen also Gebäude bauen und gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass sich die Armut in Grenzen hält und auch dem Fortschritt Raum geben. Der Staatshaushalt hat durch das Feuer ebenfalls gelitten und so müssen wir natürlich nebenbei noch für genügend Einkommen sorgen, um unsere Bauprojekte auch durchführen zu können.

Vier Aktionsmöglichkeiten sollt ihr haben

Die Regeln für London sind dabei erfreulich übersichtlich und kurz. Ich habe lediglich die Auswahl aus vier verschiedenen Aktionen.

  • Ich kann genau drei neue Karten auf die Hand nehmen, wobei ich sowohl aus der offenen Auslage nehmen, als auch verdeckt vom Stapel ziehen kann.
  • Außerdem kann ich Karten in meine persönlichen Karten-Auslage ausspielen. Dabei muss ich für jede Karte, die ich spielen möchte, eine Karte derselben Farbe in die offene Auslage abwerfen. Einige Karten haben zudem noch Sonderkosten in Form von Geld, die ich natürlich ebenfalls zahlen muss.
  • Habe ich genügend Geld übrig, kann ich auch eine der ausliegenden Bezirkskarten kaufen, die mir sowohl Ansehen einbringt, als auch Armut reduzieren kann oder andere dauerhafte Effekte mitbringt.
  • Die letzte Möglichkeit, die ich für meinen Zug als Aktion habe, ist es meine ausgespielten Stadtkarten zu aktivieren.

London Second Edition - Bezirke

Der Teufel liegt im Detail

Klingt einfach und unspektakulär? Ist es nicht ganz, denn beim Ausspielen und Aktivieren gibt es noch ein paar Kniffe. Zunächst einmal muss ich beim Ausspielen von Karten sehr genau überlegen, was ich fürs Bezahlen nutze. Da ich die Karten dafür in die allgemeine Auslage legen muss, stehen diese danach natürlich meinen Mitspieler*innen zum Nachziehen zur Verfügung. Will ich diese eine Karte wirklich abwerfen? Oder ziehe ich noch einmal nach und nutze eine weniger gute Karte zum Bezahlen? Dann könnte ich vielleicht noch eine Karte ausspielen und diesen Zug damit effizienter machen.

London Second Edition - Meine Stadt

Viele Karten in meiner Auslage zu haben, bringt zwar viele Aktionsmöglichkeiten auf einmal, jede Karte dort erzeugt aber auch ein Armuts-Token, dazu aber später mehr. Sagen wir einfach mal, dass ich hierauf ein Auge haben muss. Die meisten Karten werden nach der Benutzung beim Ausführen meiner Stadt umgedreht und können danach nicht mehr von mir genutzt werden. Sie belegen aber weiterhin einen Platz in meiner Stadt-Auslage.

Zum Glück kann ich hier in späteren Zügen neue Karten auf denselben Stapel spielen. Hier muss ich also entscheiden, ob ich häufigere Stadt-Züge mit weniger Karten einbaue oder diese weniger häufig, dafür aber mit mehr Karten ausführe. Einmal entstandene Stapel zählen aber bei der Armut auf jeden Fall mit.

London ist also nur zum Teil ein Engine-Builder und unterscheidet sich hier von anderen Vertretern seiner Art insofern, als meine Engine immer nur temporär existiert. Ich habe kaum andauernde Effekte, sondern muss für den Moment planen, in dem ich meine Karten-Auslage aktiviere. Die Karten im Spiel werden mit Fortschreiten der Partie außerdem immer lukrativer, aber auch teurer. Jede Auslage, die ich aufbaue, ist also eine eigene kleine Engine.

Armut tut nicht gut

Die erwähnte Armut, die ich im Laufe der Partie erhalte, und deren Management sind ein weiterer spannender Mechanismus in London. Für jeden Slot, den meine Stadt-Auslage belegt, für jede Handkarte und für jeden Kredit, den ich aufgenommen habe, erhalte ich Armutstokens, nachdem ich meine Stadt aktiviert habe.

Diese sind per se erst mal bis jetzt nicht schlecht. Sie werden erst dann zum Ärgernis, wenn ich mehr davon habe, als meine Mitspieler*innen. Am Ende der Partie wirft nämlich der oder diejenige mit der wenigsten Armut alle Tokens ab. Alle anderen dürfen ebenso viele Tokens abwerfen und die übrigen Armuts-Tokens führen dann zum Abzug beim Prestige, um das es ja letztendlich geht.

London Second Edition - Auslage

Ich behalte also permanent auch alle anderen am Tisch im Auge und schätze meine Chancen ab, mit der wenigsten Armut abzuschließen. Das Armuts-Management bringt eine zusätzliche Ebene ins Spiel, die mir persönlich hervorragend gefällt, und auch thematisch ist es sehr schön ins Spiel verwoben. Schaffe ich Gebäude, die Arbeitsplätze bieten oder errichte eine Schule, kann ich Tokens abwerfen.

Die Armutskarten, die es ebenfalls im Kartenstapel gibt, sind teilweise ein noch größeres Ärgernis. Da sie keine Farbe haben, kann ich sie nicht zum Bezahlen nutzen. Ich kann sie nur durch Effekte abwerfen, die mir durch die Aktivierung meiner Stadt ermöglicht werden, falls ich denn passende Karten ausliegen habe. Ist das nicht der Fall, verstopft mir die Armut die Hand und führt zu noch mehr Armutstokens, wenn ich sie nicht loswerde. Jede Art von Bahnhof oder Dock lässt diese Karten aber passenderweise verschwinden.

London Second Edition - Handkarten mit Armen Menschen

Fazit

London – Second Edition gefällt mir unheimlich gut. Die erfrischende Tatsache, dass jede Engine, die ich mir aufbaue, nur für den einen Moment konzipiert und abgestimmt ist, indem ich sie aktiviere, zwingt mich dazu, immer neu über meine Möglichkeiten nachzudenken. Keine Partie ist hierdurch wie die andere. Es bringt sehr viel Varianz und Wiederspielreiz hinein.

Ich muss bei jedem Zug abwägen, in welche Richtung ich meine neue Engine aufbauen möchte. Versuche ich möglichst viel Prestige zu bekommen? Fokussiere ich mich auf Geld, um später eine Bezirkskarte zu kaufen, deren Effekt mir gut in den Kram passt? Oder muss ich mich darauf konzentrieren, meine Hand auszudünnen und Armutskarten und -tokens loszuwerden? Es gibt viele Möglichkeiten, und ich muss jeweils situativ entscheiden. Habe ich wirklich viele Partien gespielt, könnte ich mir vorstellen, dass bei der Kenntnis aller Karten eine Art Gewöhnungseffekt Einzug hält. Bisher ist das bei mir aber nicht der Fall und ich freue mich auf jede neue Partie.

Auch die Tatsache, dass ich mehr Interaktion mit meinen Mitspieler*innen habe, als mich nur darüber zu ärgern, wenn mir jemand eine Karte vor der Nase wegschnappt, sorgt für zusätzliche Spannung. Was machen die anderen? Welche Karten haben sie genommen? Kann ich es mir leisten, diese eine Karte abzuwerfen? Wie viele Armutstokens hat jede*r am Tisch und liegen da Karten in der Auslage, mit denen sie diese wieder loswerden können? So viel Interaktion ist man bei Engine-Buildern in der Regel nicht gewohnt.

Auch das Thema steht dem positiven Eindruck nicht im Weg. Im Gegenteil, denn sowohl mit der Mechanik der Armut, als auch durch die Effekte der Karten und deren Gestaltung wird die Zeit des Viktorianischen London gut eingefangen. Die Karten haben einen Aquarell-Stil, der einen Vintage-Look erzeugt und so die dargestellten Gebäude und Straßen Londons gut zur Geltung bringt. Mike Atkinson, Natalia Borek und Przemysław Sobiecki haben hier gute Arbeit geleistet.

Martin Wallace hat mit London – Second Edition ein rundes Spiel abgeliefert, das durch eine erfrischende Variante des Engine-Buidlings punktet, die trotz der Jahre, die es bereits auf dem Buckel hat, nicht angestaubt wirkt. Hohe Interaktion und der ständige Druck, abwägen zu müssen, worauf ich mich fokussieren möchte, machen es für mich zu einer absoluten Empfehlung unter den kartengetriebenen Spielen.


Euer Rating zu London – Second Edition


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London – Second Edition ist auf Deutsch bei Giant Roc erschienen.

London (Second Edition) (2017)
Spieler:
2 - 4
Dauer:
60 - 90 Min
Alter:
14+
BGG Rating:
7.5
Verlag:
Giant Roc
BGG:

Für die Review stand uns ein selbst gekauftes Exemplar zur Verfügung.

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