Da steht sie in voller Pracht. Unsere neuste Rakete schimmert in strahlendem weiß und kündet von dem technologischen Fortschritt, den wir erreicht haben. Morgen wird sie dann ihren Lift Off haben und sich in die Weiten des Alls erheben. Mit ihr an Bord ist nicht nur eine Sonde, der seine Reise in die unbekannten Regionen des Universums erst beginnen wird, sondern auch der erste Weltraumtourist wird morgen abheben. Wer hätte das gedacht? Noch vor wenigen Jahren galt es als Utopie, dass so etwas möglich ist, doch jetzt in der fernen Zukunft des Jahres 1963 beginnt mit einem Lift Off die Ära das Homo Universum.
Lift Off ist ein Brettspiel von Hans im Glück. In diesem Kennerspiel versucht ihr nicht nur erfolgreich eure kleine Space Firma zu managen. Ihr versucht dies auch noch besser zu machen, als eure Mitspieler. Denn es kann immer nur einen erfolgreichen, privaten Raumfahrt-Unternehmer geben.
Raketen und so Zeugs
Genauso überraschend wie neue Planeten, Asteroiden oder ähnliches entdeckt werden, tauchte auch Lift Off von Jeroen Vandersteen in der Umlaufbahn der Brettspiele auf. Ohne große Vorankündigung hieß es knapp 4 Wochen vor der SPIEL‘ 18 von Hans im Glück, dass sie mit genau diesem Titel auf der Messe vertreten sein würden. Doch die Heimlichtuerei ging noch weiter: Bis auf ein Cover Bild und einem Foto der Komponenten war nichts bekannt. Und so konnten wir uns auch schon in der damaligen Podcast-Folge zur SPIEL den Mutmaßungen hingeben. Nun allerdings ist Lift Off gelandet und konnte von uns sowohl auf als auch nach der SPIEL gespielt werden.
Doch um was geht es eigentlich? Im Prinzip ist das recht schnell erklärt. Ihr seid Chef eines privaten Raumfahrt-Unternehmens. Neben dem Ausbau eurer Rakete geht es in erster Instanz darum, Missionen im All abzuschließen, um damit Punkte zu machen. Diese Missionen geben euch aber nicht nur Siegpunkte, sondern verbessern eure Rakete, eure Basis oder auch euer Einkommen.
Dabei wird einem Lift Off nicht mit neuen Innovationen überraschen, vielmehr sind es bekannte Mechanismen, die aber zusammen mit dem Thema einfach harmonisch interagieren.
Da gibt es zum einen das Draften der Spezialisten. Insgesamt habt ihr drei Handkarten und sucht euch von diesen eine aus, den Rest gebt ihr weiter an euren Nachbarn. – Interessant dabei ist, dass der Startspieler die Draft-Richtung bestimmt. – Dieses Spiel macht ihr dann noch genau einmal so, dass ihr am Ende wieder drei Handkarten habt.
Lasst mich mal machen, ich bin Spezialist!
Nun wird reihum jeweils ein Spezialist ausgespielt. Diese Spezialisten haben unterschiedliche Effekte. Einige haben Soforteffekte, die euch Siegpunkte oder auch Geld geben oder die Möglichkeit eure Rakete aufzurüsten. Andere Spezialisten geben euch wiederum Boni für die Missionsauswahl oder verringern die Kosten für einen Lift Off, also wenn ihr wollt ein Bonus der bis zum Ende der Runde bestehen bleibt. Neben den verschiedenen Boni haben alle Spezialisten auch noch zwei Aktionen. Hier reicht die Palette von Verbesserungen eures Labors bis hin zu neuen Technologieleveln. Bei einigen Aktionen allerdings werden auch eure Mitspieler belohnt. Wenn ihr die Aktionen nicht nutzen wollt, könnt ihr auch darauf verzichten und euch dafür zwei Geld aus der Bank nehmen.
Insgesamt spielt ihr pro Runde zwei Spezialisten aus, einer bleibt auf der Hand und steht euch für die nächste Runde, beginnend mit dem Drafting, wieder zur Verfügung.
We have a Lift Off
Was bringt euch aber eine Rakete, wenn sie nur auf eurem Gelände steht? Natürlich muss sie genutzt werden und um sie zu nutzen, braucht es Missionen. Nach dem Drafting wählt ihr aus einem Missionsstapel 3 Karten aus und behaltet davon eine Mission. Diese könnt ihr dann mit einem Start ins All befördern, um euch die Boni der Mission zu sichern. Dabei gilt es allerdings einiges zu beachten. Zu erst einmal braucht ihr genug Geld, um den Lift Off auch zu finanzieren. Dann muss eure Rakete auch über genug Tragkraft verfügen, denn jede Mission hat ihre eigene Nutzlast. Ihr könnt bei ausreichender Tragkraft auch mehrere Missionen auf einmal ins All schicken.
Sobald alle Mitspieler ihre Missionen ins All geschickt haben oder auch nicht, es ist durchaus erlaubt, auch mehrere Missionen erst einmal auf der Erde zu „lagern“, geht es mit der Drafting-Phase wieder von vorne los. Habt ihr den Spezialisten-Kartenstapel insgesamt zweimal durchgespielt, endet das Brettspiel und wer nun die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel und ist der beste, private Raketen-Unternehmer.
Das Auge spielt mit
Keine Frage, was mir als sofort auffiel, als ich Lift Off das erste Mal sah, war das Design. Nicht nur das Brettspiel ist thematisch in den 1950/60er angesiedelt, auch die Grafik folgt diesem Stil. Ähnlich wie auch schon Fallout greifen die Illustrationen den Zeichentrickfilmchen aus dieser Zeit auf. Im Gegensatz zu Fallout geht es aber nicht um das Ende der Zivilisation, sondern es wird der Beginn einer neuen Technologiestufe beschrieben. Natürlich ist der Grafikstil nicht Jedermanns Sache und wird durchaus auch negative Kritiken bekommen. Für mich ist es aber genau dieser Stil, womit Lift Off aus der Masse an Brettspielen heraussticht. Hier haben Nache Ramos, Andreas Resch und der Kreativbunker etwas gewagt und so etwas fürs Auge geschaffen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Mut sich auch in weiteren Spielen wiederfinden wird.
Mit der Illustration ist aber nicht Schluss: Das gesamte Spiel ist so gestaltet, als ob es eben aus den 1950er kommt. Dadurch fühlt es sich eben noch thematischer an. Wobei hier natürlich auch kleinere Probleme an den Tag treten. Eure Rakete besteht aus einzelnen Teilen und wird im Laufe des Spieles angepasst. Leider sind es nur lose Stanzteile. Und so kann es schon passieren, dass etwas tollpatschigere Blogger, immer mal wieder gegen die Rakete kommen und so die Teile verrutschen. Auch das Spielertableau ist nicht gegen das Verrutschen gesichert. Allerdings lässt sich der gesamte Zustand ohne Probleme rekonstruieren, so das es sich hier eher um ein kosmetisches Problem handelt und nicht um ein spielentscheidendes Problem.
Glück hin und her
Doch wie spielt sich Lift Off? Angenehm leicht. Der Drafting-Mechanismus ist so kurz, dass es hier zu keiner großen Downtime kommt. Und die Karten sind auch für Neueinsteiger einfach zu verstehen. Allerdings ist der Glücksfaktor hier recht hoch, welche Karten ihr auf die Hand bekommt. Allzu häufig bekommt ihr genau die Karte von eurem Nachbarn, die ihr gerade erst weggegeben habt. Das kann frustrierend sein. Gerade in den Augenblicken, wenn ihr hofft genau die Karte zu bekommen, die euch zum Beispiel dabei hilft, eure Nutzlast zu erhöhen. So kann es passieren, dass wegen der fehlenden Karte die folgende Runde noch einmal überdacht werden muss. Doch das macht den Reiz beim Drafting aus. Kann ich meinen Plan wirklich durchführen oder muss ich mich anpassen? Nutze ich die Runde, um mich doch besser für die nächste Runde aufzustellen? Ich muss immer wieder neue Entscheidungen treffen.
Auch im weiteren Verlauf der Partie spielt das Glück eine nicht unerhebliche Rolle. Beim Ziehen der Missionskarten kann es eben auch passieren, dass ihr doppelte Karten zieht. Jede Mission ist mehrfach im Nachziehstapel vorhanden. Allerdings dürft ihr jede Mission nur einmal besitzen und so kann es im fortgeschrittenen Spielverlauf vorkommen, dass von den 3 Missionskarten 2 Missionen sind, die ihr schon habt und somit eure Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden.
Doch auch das finde ich erfrischend, denn hier kommt ein Zockerelement in das Spiel. Wann wechsele ich den Missions-Nachziehstapel oder muss ich weiter vom gleichen Stapel nachziehen, weil mir diese Missionen Punkte am Ende der Partie geben?
Doch Glück ist eben nicht alles. Lift Off braucht Planung, denn nicht jede Mission ist mit jeder Rakete durchführbar. Ihr müsst bestimmte Voraussetzungen in Form von farbigen Karten erfüllen. Für einfache Missionen reicht es eben vollkommen aus, dass eure Rakete nur eines der vier möglichen Upgrades hat. Während ihr bei den schwierigen Missionen bessere Ausrüstung braucht und um an diese zu kommen müsst ihr eben planen. Denn bessere Ausrüstung bedeutet immer irgendwie die Zahlung von Geld. Und Geld ist nicht immer zur Genüge vorhanden, denn jeder Start kostet und eigentlich müsst ihr jede Runde starten. Könnt ihr einmal nicht starten, wird es für euch schwerer wieder Anschluss zu finden an die führenden Spieler.
Das Raketen Manual
Ein großes Problem hat Lift Off allerdings und das ist die Anleitung. Ich muss gestehen, ich habe Lift Off auf der SPIEL beigebracht bekommen und habe deswegen nicht wirklich tief hinein geschaut, ob alles richtig erklärt wurde. Doch im Zuge dieses Beitrags gehört es auch dazu, sich die Anleitung noch einmal genauer anzuschauen und leider gibt es ein paar kleine Probleme mit den Regeln.
So wird nicht explizit erklärt, dass Spezialisten am Ende der Runde abgeworfen werden. Ihr könnt euch dies zwar daraus herleiten, dass ihr ja den Spezialisten-Stapel zweimal durchspielt. Aber ein Satz in der Anleitung hätte das klar geregelt.
Auch die Schnellstart Zusammenfassung am Ende des Regelheftes ist zwar nett gemeint, aber es fehlt einfach die Angabe, dass ihr mit einem Einkommen von 5 startet.
Schön hingegen ist es, dass es für die Missionen ein extra Übersichtsblatt gibt, auf dem sie erklärt sind. Leider ist nur eins in der Packung und so kann es gerade während dem Missionsteil zu einer Downtime kommen, wenn auch andere Mitspieler nachlesen wollen. Hier hätte ein zweites Exemplar gut getan.
Und wenn ich mir gleich noch was wünschen könnte, wäre auch noch einmal eine extra Übersicht über die Spezialisten von Vorteil gewesen. Denn gerade neue Mitspieler wollen ja wissen, was sie da zum Draften in der Hand haben. Und da ist ein einfaches Blatt eben besser, als ihnen die ganze Anleitung zu geben, in dem alle Spezialisten beschrieben sind.
Der finale Lift Off
Mir gefällt Lift Off sehr gut. Da ist auf der einen Seite das stimmige Thema inklusive der passenden Illustrationen und da ist auf der anderen Seite dieser gefühlte Wettrenncharakter. Der aber nicht wirklich vorhanden ist, da das Brettspiel ja immer über die gleiche Anzahl an Runden geht. Trotzdem schaue ich neidisch auf meine Nachbarn, wenn diese wieder eine Rakete in das All schießen und eine weitere erfolgreiche Mission ihnen Punkte beschert und ich aber leer ausgehen muss, weil ich kein Geld in dieser Runde übrig hab.
Dazu kommt, dass ich von den letzten Hans im Glück Spielen Majesty und Race to New Foundland eher etwas enttäuscht war. Auch die Tatsache, dass Lift Off eigentlich recht schnell erklärt ist, trägt zu dem positiven Eindruck bei. Mit circa 10-15 Minuten ist das Spiel erklärt und es kann dann auch schon gleich losgespielt werden.
Natürlich entwickelt Lift Off ähnlich wie Marco Polo erst nach ein paar Partien sein komplettes Potential, da ihr erst dann alle möglichen Spezialisten kennt und auch die dazugehörigen Missionen und so noch gezielter spielen könnt.
Was mich allerdings stört, gegenüber anderen Hans im Glück Brettspielen, ist die nicht vorhandene Zufälligkeit beim Spielaufbau. Jedes Lift Off ist immer gleich, es gibt keine anderen Missionen, es gibt keine anderen Spezialisten. Einzig die Bonuspunkte am Spielende variieren je nach Partie.
Auch der Drafting-Mechansimus zu zweit ist nicht unbedingt der beste. Er fällt deswegen nur nicht großartig negativ auf, weil er eben recht kurz ist. Denn von zwei Karten die ich weggebe bekomme ich ja eine auf alle Fälle wieder.
Lift Off hat sich seinen Platz in unserer Brettspiel-Sammlung verdient und Marco Polo muss nicht mehr das einzige Brettspiel von Hans im Glück in unserem Haushalt sein.
Euer Rating zu Lift Off
Lift Off ist erschienen bei Hans im Glück