Ist es nicht schön und romantisch in unserem kleinen Dorf? Vom Zentrum ist es nur ein Katzensprung zum Wald, der gleich ans Dorf grenzt. Oder der große Fluss, der nicht allzu weit, in einem weit geschwungenem Bogen, um den Ort fließt. Allerdings gibt es auch Sachen, die irgendwie verwirrend sind, wie das einzelne Weizenfeld, was sich mitten in unserem Dorf befindet. Oder sehr verwunderlich ist auch die Eisenbahnstrecke, die zwar an unserem kleinen Dorf entlang führt, aber scheinbar im Nichts endet. Aber das sind Kleinigkeiten und soll unsere schöne Dorfromantik nicht stören.
Einer meiner Grundaussagen ist ja: „Kooperative Brettspiele sind nur für Leute, die nicht verlieren können.“. Nun ist Dorfromantik, von Lukas Zach und Michael Palm erschienen bei Pegasus, eben genau dies – ein kooperatives Brettspiel. Ob und wie sich dieses Brettspiel von anderen kooperativen Brettspielen unterscheidet und ob die Gattung Alpha-Spieler hier in Erscheinung tritt, könnt ihr in unserer Review erfahren. Nebenbei erfahrt ihr auch noch, warum ein Brettspiel erst ein Videospiel wurde, um dann wieder ein Brettspiel zu werden.
Viel Spaß beim Lesen
Dorfromantik ein Brettspiel wird zum Videospiel und retour
„Ich möchte mal Dorfromantik spielen.“: diesen Satz hab’ ich in zweierlei Hinsicht in letzter Zeit immer öfter gehört. Jedoch, immer wieder mit unterschiedlichen Intentionen. Aus der Brettspiel-Blase kommt eher der Wunsch, es einmal zu spielen, da es ja zum Spiel des Jahres 2023 nominiert ist. Die andere Seite ist die der Videospieler, die erwähnen, dass es da ja auch ein Videospiel gibt, das Dorfromantik heißt.
Für mich ist das ja im Grund egal, aus welchem Grund ein Brettspiel auf dem Tisch landet. Und persönlich gesehen, gehörte ich auch zur Blase der Brettspieler. Ich wusste zwar, dass es da dieses Videospiel gibt, aber gespielt hatte ich es bis dahin noch nicht.
Und ja, ihr mögt es glauben oder nicht, das Videospiel Dorfromantik war zuerst da.
Dorfromantik gewinnt
Mittlerweile ist es ja schon durch die Medien gegeistert. Dorfromantik hat gewonnen. Das Brettspiel wurde am 16.07.2023 zum Spiel des Jahres gekürt. Aber auch das Videospiel hat schon einige Preise eingeheimst. Also war das Setzen auf Dorfromantik ein sicheres Ding für den Preis? Das kann ich an dieser Stelle natürlich nicht sagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass das einfache Spielprinzip ein Gewinn für das Spiel ist, egal ob auf dem Tisch oder am Monitor.
Als ich Dorfromantik das erste Mal gespielt habe, fühlte es sich irgendwie vertraut an. Klar, auf den ersten Blick scheinen die Hexagon-Felder sofort an Catan zu erinnern. Aber welches Spiel hat eben keine Hexfelder? Vielmehr erinnert mich Dorfromantik an Carcassonne und hier auch nur aun das Element, dass ich Gebiete abschließe, um damit Punkte zu machen. Und hier lohnt auch wieder der Blick zum geistigen Videospiel-Ursprung und tatsächlich war Carcassonne einer der geistigen Vater für das Videospiel.
Und im Grunde beschreibt das auch das Brettspiel. Wir versuchen Gebiete abzuschließen bzw. zu erschließen. Damit erfüllen wir Aufträge, die uns am Ende einer Partie dann hoffentlich ordentlich Punkte einbringen.
Das ist dann auch in ein recht übersichtliches Regelkonstrukt verpackt. Bin ich dran, ziehe ich entweder ein verdecktes Hex-Auftrags-Plättchen oder wenn schon drei von diesen auf dem Tisch liegen, ziehe ich Hex-Landschafts-Plättchen und platziere dies.
Die Jagd nach den Plättchen
Jeder Auftrag verlangt dabei von uns eine bestimmte Anzahl von Landschafts-Plättchen. Zum Beispiel müssen vier Weizenfelder aneinander grenzen. Der Kniff, die Landschafts-Plättchen haben eben eine unterschiedliche Anzahl an Weizenfeldern. Mal kann es sein, dass ich zwei Weizenfeldern auf einem Plättchen habe, manchmal aber auch nur eines. Und habe ich nur eines, muss ich auch schauen, ob ich dadurch den Auftrag nicht blockiere und das Gebiet zu früh abschließe.
Nun sitze ich natürlich am besten nicht alleine am Tisch und so schauen genug Augen auf die langsam sich ausbreitende Landschaft und geben nicht nur Ratschläge, wo das Plättchen optimal platziert werden sollte. Und das ist natürlich eines der größten Probleme an der Brettspiel-Version von Dorfromantik: Während ich beim Videospiel, alleine vor mich hin puzzle, kommt es beim Brettspiel schnell zum Alpha-Spieler Problem. In unserer Erfahrung hat sich gezeigt, dass deswegen zwei bis drei Spielende am optimalsten ist für eine Partie Dorfromantik.
Aber weg vom Alpha-Spieler hin zum Ziel des Spieles. Und Überraschung, eigentlich gibt es kein Ziel. Auch hier muss ich wieder auf das Videospiel verweisen, denn das eigentliche Ziel ist es, einfach seinen Highscore zu knacken. Und hohe Punkte zu erreichen, streichelt ja bekanntlich unser Belohnungszentrum. Und genau dieses Erfolgsrezept finde ich auch beim Brettspiel wieder. Oft genug endete eine Partie damit, dass wir gleich noch eine Partie spielen wollten, weil da geht doch noch mehr an Punkten.
Die Stärken des Brettspiels
Erst einmal muss ich betonen, dass sich das Dorfromantik-Videospiel und das Dorfromantik-Brettspiel sehr gleichen. Was jetzt nichts Schlechtes ist, da sich dadurch wunderschöne Synergien zwischen den einzelnen Medien bilden. Endlich bricht das Brettspiel vielleicht mal aus seiner Blase heraus und begeistert eine neue Spielerschaft.
Und das Brettspiel schafft es sogar einiges zu bieten, was das Videospiel nicht hat. Zusätzlich zu den Auftrags-Hex-Feldern gibt es noch Erfolge, die Partie übergreifend erfüllt werden können. Und auf diese kann ich gezielt spielen, damit verpasse ich vielleicht den nächsten Highscore, aber es ist genauso befriedigend den Erfolg zu erreichen, um damit ein neues Landschafts-Plättchen freizuschalten. Was sich auch empfiehlt, denn zumeist sind diese neuen Plättchen auch wichtig, weil sie uns dabei helfen noch mehr Punkte zu erreichen.
Eine weitere Stärke vom Dorfromantik-Brettspiel ist das Vorhandensein von mysteriösen Boxen, die im Laufe der Partien geöffnet werden dürfen. Klar, auch beim Videospiel werden neue Sachen freigeschaltet. Aber eine klappernde Schachtel mit einem geheimnisvollen Inhalt vor sich auf dem Tisch zu haben, gibt dem ganzen noch einmal einen ganz andern Drive.
Zu guter Letzt ist es der Kampagnen-Modus der Dorfromantik zum Dauerbrenner macht. Denn je nachdem wie viele Punkte ich in einer Partie erreiche, kann ich in meiner Kampagne voranschreiten, wo ich dann zum Beispiel Schachteln öffnen darf. Natürlich muss ich mich an Kreuzungen entscheiden, auf welchem Pfad ich weiter voranschreiten möchte, da aber alles irgendwie miteinander verbunden ist, habe ich trotzdem die Freiheit auch wieder zurückzugehen, um eben den anderen Pfad zu verfolgen.
Die Schwächen des Brettspiels
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und selbst ein ausgezeichnetes Brettspiel hat doch die ein oder andere Kante. Was mir als Erstes aufgefallen ist, ist das Regelheft. Diese sind teilweise etwas schwammig und nicht immer gleich ersichtlich, was das bedeutet. Oder im weiteren Verlauf, wenn neue Plättchen ins Spiel kommen, wo dann erst einmal Ratlosigkeit herrscht, was das neue Plättchen denn spieltechnisch bezweckt. Hier hat der Verlag zwar mit einer Errata nachgeholfen, diese ist aber eben nur Online verfügbar und ich muss wissen, dass es diese auch gibt.
Aus meiner Sicht hätte so etwas in die Brettspiel-Schachtel gehört. Ich verstehe natürlich, dass man hier auch eine gewisse Geheimnistuerei veranstaltet hat, um nicht gleich alle mysteriösen Schachteln zu verraten. Aber wenn ich mich als Vielspieler schon teilweise damit schwertue, was soll dann erst der Wenigspieler damit anfangen? Gerade durch den Spiel des Jahres Preis werden diese Spieler nun in den Fokus gerückt. Weitere Auflagen werden hier vielleicht Abhilfe schaffen?
Auch der stark repetitive Charakter sorgt dafür, dass sich Dorfromantik nach einiger Zeit abnutzt. Gerade, wenn die Schachteln alle geöffnet sind und wir nichts mehr großes Neues im Spielablauf erleben, komme ich als Vielspieler natürlich schnell an meine Begeisterungs-Grenze und denke mir, dass ich irgendwann einfach alles gesehen habe. Übrigens, auch beim Videospiel erging mir das so ähnlich.
Auch eine kleine Schwäche gegenüber dem Videospiel ist einfach die Struktur der Aufträge. Ich muss immer genau eine Fläche von x an Landschaften schaffen. Im Videospiel gibt es auch Aufträge, wo ich mindestens x Landschaften erschaffen muss, gerade weil die Plättchen zufällig gezogen werden, kam es in einigen Partien schon dazu, dass sich das Legen der Landschaften arg stumpfsinnig und unbefriedigend angefühlt hat. Aber diese kleine Schwäche lässt sich recht fix mit einer Erweiterung ausmerzen.
Zum Schluss bleibt natürlich die Schwäche der visuellen Darbietung. Wer das Videospiel kennt, wird beim Dorfromantik-Brettspiel vielleicht etwas enttäuscht dreinblicken. Während ja im Videospiel Landschaften und Jahreszeiten sich verändern, Züge auf den Schienen fahren und der Schnee die Städte bedeckt. Sind es beim Brettspiel immer nur die gleichen schlichten Plättchen. Dabei wird der Unterschied zwischen der analogen und digitalen Welt deutlich sichtbar.
Auch dass spieltechnisch beim Videospiel immer neue Plättchen erschaffen werden können, geht natürlich bei einem physikalischen Produkt nur schlecht.
Was vom Dorfe und der Romantik übrig blieb
Unterm Strich ist es den Autoren gut gelungen, das ursprüngliche Videospiel als physisches Brettspiel umzusetzen. Gerade die Schwächen, die einfach in der Natur der technischen Dinge liegen, haben sie durch sinnvolle Elemente aus dem Brettspiel-Bereich ersetzt bzw. ergänzt.
Und dass ich als Vielspieler natürlich schnell nicht mehr begeisterungsfähig bin, liegt ja in der Natur der Dinge.
Den größten Erfolg, den Dorfromantik geschaffen hat, ist es, die Grenze zwischen den beiden Medien zu verwischen. Das mag vielleicht daran liegen, dass Dorfromantik als Videospiel, sich schon wie ein Brettspiel anfühlte. Aber auf alle Fälle fühlt sich Dorfromantik, das Brettspiel eben auch an wie das Videospiel. Und genau das ist es ja, was eine sinnvolle Brettspiel-Umsetzung mit sich bringen sollte, dass das Spiel im Kern erhalten bleibt und nicht nur einfach der Name als Verkaufsargument dient.
Euer Rating zu Dorfromantik
Dorfromantik ist bei Pegasus erschienen.
Für die Review stand uns ein selbst erworbenes Exemplar zur Verfügung.
Die Grafiken und das Design des Spiels sehen wirklich zauberhaft aus und tragen sicherlich zur entspannenden Atmosphäre bei. Es ist fast so, als würde man in eine malerische Landschaft eintauchen und ein kleines Stückchen Paradies auf dem Tisch erschaffen.