Sentient von Renegade Game Studios

Sentient – Spiel mit mir Roboter

Sentient - InhaltJa, da liegen sie auf dem Tisch, die überarbeiteten Pläne für das neuste Service-Roboter-Modell. Stattliche fünf Prozent Kunden mehr in der Stunde soll es bedienen können. Doch es gibt ein Problem mit dem grundlegenden Betriebssystem, laut unseren Technikern kann dieser Roboter nicht einfach so in unser Netzwerk integriert werden. Wir haben die Wahl, ob wir das neue Modell mit aller Gewalt ins System einbringen oder wir lassen es sein und hoffen auf ein neues Fabrikat, welches sich besser einfügen lässt. Das sin die Entscheidungen, die ihr in der fernen Zukunft in Sentient treffen müsst.

Juhu Würfel! Das Spiel muss ich haben

Sentient - WürfelRenegade Game Studios ist eines dieser Studios, die scheinbar aus dem Nichts kamen, mittlerweile aber den einen oder anderen Überraschungstitel im Program haben. Den meisten sagt bestimmt Clank! bzw. Klonk! etwas: Ein Spiel, das in Deutschland vom Schwerkraft Verlag vertrieben wird. Aus diesem Grund waren wir auch letztes Jahr auf der SPIEL 17 gleich als erstes beim Stand der Amerikaner und deckten uns mit vielversprechenden Titeln ein. Neben Ex Libris und dem weiterentwickelten Clank! in Space wollten wir auch Sentient kaufen. Die Infos, die wir im Vorfeld über Sentient zusammengetragen hatten, machten Lust auf mehr. Irgendwie ging es um Konzerne in der Zukunft und wir sollen Roboter in unser Netzwerk integrieren und dazu benutzt man auch noch Würfel. Es schien das richtige Spiel für uns zu sein.

Und so war die Freude auch groß, als wir es auspackten und die wirklich hochwertigen Komponenten begutachten konnten. Neben den Würfeln gab es noch ein Haufen an Karten mit Robotern, irgendwelche ausgestanzten Firmentableaus und natürlich eine Spielanleitung. Und bereits der erste Blick in diese Anleitung sorgte für eine gewisse Ernüchterung. Denn Sentient sollte ja ein schönes Dice-Placement Spiel werden, so jedenfalls in unserer Vorstellung. Also ein Spiel bei dem ihr den Würfel einsetzt, um eure Aktionen durchführen zu können. Doch wir wurden enttäuscht, denn die Würfel waren nicht dazu da, um mit ihnen Aktionen auszuführen. Hatten wir hier den ersten großen Fehlkauf getätigt und Renegade zu viel Vertrauen geschenkt?

Anders als gedacht und das ist gut so

Die SPIEL war vorbei und nun konnten wir uns ganz in Ruhe dem Spiel widmen. Und der Ersteindruck sollte uns nicht täuschen. Es war wirklich kein Dice-Placement Spiel. Die Würfel stellen in diesem Spiel unser Firmennetzwerk dar. Denn wir wollen als großer Konzern so viele Roboter wie möglich in unser Netzwerk integrieren. Aber so ein Netzwerk ist fragil und kann schnell aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Am Anfang jeder Runde werden die Würfel geworfen und danach auf die reservierten Felder eures Konzerntableaus gelegt. Dabei können die Würfel – wenig überraschend – Werte von eins bis sechs haben. Soweit klingt das erst einmal recht unspektakulär, wäre da nicht der Kniff mit den Karten. In der allgemeinen Auslage befinden sich eine Reihe von Karten mit den zur Verfügung stehenden Robotern. Jeder Spieler muss sich, wenn er an der Reihe ist, eine dieser Karten nehmen und in sein Netzwerk einfügen. In Sentient kann aber jede Karte eure Würfel modifizieren, indem sie den Wert des Würfels um eins erhöht oder verringert oder auch gar nichts macht.

Klingt immer noch nicht spannend. Gut, ich nehme also eine Karte, packe sie in mein Netzwerk und dann verändern sich die Würfelwerte. Na und? Nicht wenn jede Karte ihre eigene Bedingung dafür hat, um überhaut gewertet zu werden.

Gefühlvoll am Schräubchen drehen

Sentient - AuslageEine Bedingung kann dabei recht lapidar sein: Die beiden Würfel, die an der Karte grenzen müssen den gleichen Wert haben. Oder: Beide angrenzenden Würfel müssen in Summe 10 ergeben, damit die Karte zählt. Was in einem Augenblick noch passt, kann mit einer neuen Karte und einer neuen Modifikation wieder hinfällig sein. Und genau das macht den großen Reiz von Sentient aus. Dieses Überlegen, an welche Stelle ich nun die neue Karte bzw. den neuen Roboter einbaue, ohne die Wertungsbedingungen kaputt zu machen. Nehme ich zum Beispiel eine Karte, die ihre Siegbedingung noch nicht erfüllt hat, um dann in weiteren Zügen darauf zu hoffen, dass genau die Karte kommt, die mir die Würfel so manipuliert, dass mein Netzwerk stimmig ist und die Karte doch gewertet wird? Oder spiele ich auf Nummer sicher und riskiere wenig und bekomme aber auch nur Karten die mir recht wenig Punkte bringen?

Diese Frage müsst ihr euch jedes Mal stellen, wenn ihr an die Reihe kommt. Denn die Auslage ist dynamisch. Nachdem eine Karte von euch oder euren Mitspielern genommen wird, wird sofort eine neue nachgezogen und diese könnte ja wieder mehr Punkte geben und besser in euer Netzwerk passen. Nun kann es natürlich passieren, das eine Karte partout nicht in euer Netzwerk passen will. Damit hier der Glücksfaktor gesenkt wird, habt ihr die Möglichkeit Ingenieure einzusetzen. Diese überschreiben genau eine Modifikation, die die Karte vornehmen würde und sorgen so dafür, dass euer Netzwerk stabil bleibt. Doch Ingenieure habt ihr nicht im Überfluss, genau fünf stehen euch pro Runde zur Verfügung. Und da ihr genau vier Karten mit jeweils zwei Modifikationen in euer Netzwerk bringen müsst, ergibt sich rein rechnerisch hier schon ein Defizit von drei Ingenieuren. Also heißt es wieder Abwägen, wann ihr welchen Ingenieur wirklich einsetzt.

Gepunktet wird am Schluss!

Sentient - InvestorenIngenieure sind aber zu mehr fähig, als nur euer Netzwerk am Laufen zu halten. Ihr könnt sie auch nutzen, damit sie mit euren Agenten neue Roboter beschaffen. In der Regel setzt ihr einen Agenten auf das Feld, welches zu einer Karte gehört. Ihr könnt aber zusätzlich noch einen Ingenieur mitschicken, um mehr Einfluss zu gewinnen. Denn am Ende einer Runde werden nicht nur die Punkte eures Netzwerkes ermittelt, es wird auch geschaut, wer denn die meisten Stimmen bei den Investoren gesammelt hat. Wobei sich die Summe immer aus allen Agenten und Ingenieuren ergibt, die sich zu beiden Seiten des Investors befinden. Habt ihr dadurch die Mehrheit, könnt ihr den Investor in eurer Firma begrüßen. Einen sofortigen Bonuseffekt gibt es hierfür allerdings nicht.

Die wahre Stärke der Investoren wird erst am Ende von Sentient ausgespielt. Denn neben der abschließenden Wertung für euer Netzwerk, werden nun auch die Investoren und ihre Häufigkeit betrachtet. Jeder Investor fungiert dabei als Multiplikator für eure Roboter, die ihr in euer Netzwerk integrieren konntet. Jede Karte ist genau wie die Investoren einer Kategorie zugeordnet. Habt ihr nur Service-Roboter gesammelt, habt aber keinen Service-Investor, bekommt ihr auch keine Bonuspunkte. Habt ihr aber fleißig Service-Investoren gesammelt und auch noch die entsprechenden Roboter, können diese Extrapunkte über Sieg und Niederlage entscheiden – und das haben sie bei uns auch schon mehr als einmal. Auch das macht für mich einen besonderen Reiz bei Sentient aus. Ihr habt zwar eine gewisse Ahnung, wo ihr punktetechnisch steht, aber erst durch die Endabrechnung steht der Sieger fest.

Ihr gegen die Anderen

Sentient - KonzerneEin explizites Ausspielen der Mitspieler gibt es in Sentient nicht. Vielmehr blockiert ihr den Gegner dadurch, dass ihr ihm vielleicht genau die Karte wegnehmt, auf die er ein Auge geworfen hat. Bei den Investoren sieht es schon ein bisschen anders aus. Hier kann es schon zu Bieter Wettstreit kommen, denn manchmal läuft euer Netzwerk so super, dass ihr die Ingenieure gar nicht braucht und könnt diese eben dazu nutzen, um bei den Investoren Stimmen zu fangen. Damit nehmt ihr eurem Gegenüber gehörig den Wind aus den Segeln. Hat er sich auf Militär Roboter spezialisiert und ihr klaut ihm die Investoren, wird er am Ende auch kein großartigen Bonuspunkte einstreichen können.

So entwickelt sich Sentient zu einem abstrakten Konzernspiel, wo die Strippen im Dunklen und Verborgenen gezogen werden.

Nicht so positiv ist allerdings die Downtime. Gerade mit dem Maximum an vier Spielern kann es dauern, bis ihr wieder an der Reihe seid. Und bis dahin könnt ihr auch keine großartige Strategie fahren, denn die Karte auf die ihr es vielleicht noch am Anfang der Runde abgesehen habt, kann bis dahin schon bei einem anderen Spieler im Netzwerk liegen. Und gerade bei neuen Spielern dauert es dann noch ein Weile, bis sie das Spielprinzip verinnerlicht haben. Unserer Erfahrung nach spielt es sich am Besten mit zwei Spielern. Hier könnt ihr entsprechend taktieren und auch eine wirkliche Strategie benutzen. Dazu senkt sich die gefühlte Downtime um ein Vielfaches.

Die Krux mit der Sprache

Im Moment ist Sentient nur auf englisch erschienen. Wobei sich der wirkliche Sprachanteil sehr in Grenzen hält. Insgesamt müsstet ihr nur vier englische Begriffe wissen, um das Spiel spielen zu können. Der große Knackpunkt ist aber die englischsprachige Anleitung. Nicht nur die Regeln des Spiels sind hier ausführlich beschrieben, sondern eben auch sämtliche Wertungsbedingungen der Karten.

An dem Regelheft selber gibt es nichts auszusetzen. Alles ist wunderbar erklärt. Zu jedem Punkt im Spielablauf findet ihr auch immer mindestens ein Beispiel, das euch dann noch einmal im Detail die Regel erklärt.

Da der Schwerkraft Verlag ja in jüngster Zeit schon häufig mit Renegade zusammen gearbeitet hat, können wir vielleicht hoffen, dass eine Übersetzung zu diesem abstrakten Spiel doch noch erscheint.

Final Shutdown für Sentient?

Sentient - VerpackungSentient ist nicht das Spiel auf das ich mich damals gefreut habe. Meine Erwartung war es ein Dice-Placement Spiel zu bekommen, stattdessen ist es ein Dice-Manipulation Spiel geworden. Und ich bereue es nicht, dass mich Renegade in dieser Hinsicht verwirrt hat. In meinen Augen hat Sentient alles richtig gemacht: Es hat ein simples Spielprinzip gepaart mit einer wunderbaren Knobelei, dazu noch Glücks- und Zockerelemente machen eine wirklich runde Mischung aus. Und nach der zweiten Partie geht das Spiel auch verdammt schnell von der Hand, gerade wenn ihr es zu zweit spielt. Dazu kommen noch die wirklich guten Illustrationen, die euch ein bisschen in diese Welt aus Konzernen und Robotern in der fernen Zukunft eintauchen lassen. Renegade hat es dadurch geschafft, ein abstraktes Spiel – und wahrlich ich bin kein Freund von abstrakten Spielen – in ein Gewand zu stecken, dessen Charme ich einfach erlegen bin.

Für mich steht fest: Sentient wird so schnell nicht aus unserem Haushalt verschwinden. Bin ich aber wirklich komplett zufrieden mit dem Spiel? Natürlich nicht, zu kritisieren gibt es immer etwas. So sind die Illustrationen auf Dauer dann doch ein bisschen monoton. Die Roboter sind immer die gleichen. Hier hätte ich mir einfach ein bisschen mehr an Varianz gewünscht. Und dann hab ich da auch noch das Gefühl, da geht noch mehr mit dem Sentient Universum. Vielleicht noch Karten die gewisse Kombos starten können, wenn sie im Netzwerk sind. Aber wer weiß, was Renegade da noch an Ideen hat und ob da nicht noch die eine oder andere Erweiterung das Licht der Welt erblickt. Auch die schon erwähnte Downtime und das fehlende strategische Element, welches verloren geht je mehr Spieler am Tisch sitzen, tun dem Spiel nicht gut. Aber zu zwei funktioniert es richtig gut und macht mir immernoch Spaß.


Sentient ist bei Renegeade Game Studios auf englisch erschienen.

Sentient (2017)
Spieler:
2 - 4
Dauer:
30 - 60 Min
Alter:
12+
BGG Rating:
7.21
Verlag:
Renegade Game Studios
BGG:

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