Brettspiel Review Wendake

Wendake – Ureinwohner mit Aktionismus

Wendake CoverDie Sonne geht gerade auf. Ich sehe die Fischer, wie sie mit ihren Booten auf den See hinaus fahren. Sehnsüchtig schaue ich ihnen nach. Auf meinen Feldern wird heute nicht geerntet. Die Kundschafter haben diesen Platz erst vor kurzem entdeckt. Ideal für Mais, aber bis die Pflanzen so weit sind, dauert es noch. Es knackt im nahen Unterholz und ich ducke mich. Es gab Gerüchte, dass auch Krieger anderer Stämme in dieser Gegend gesehen worden seien. Ich höre ein Lachen, als einer unserer Jäger mit ein paar frisch erlegten Bibern heraustritt. Nochmal Glück gehabt und ein weiterer Tag in Wendake kann beginnen.

Wendake ist ein Territorium in der kanadischen Provinz Quebec in dem die Wyandot (Huronen) Ureinwohner leben. Im gleichnamigen Brettspiel von Danilo Sabia für 1 bis 4 Spieler dreht sich alles um das alltägliche Leben dieser Stämme der First Nations rund um die großen Seen Kanadas. Dabei fasst das Spiel viele historische Gegebenheiten zwischen 1756 und 1763 vereinfachend zusammen, ohne jedoch respektlos zu werden. Als Euro-Game stehen die Mechaniken eindeutig im Vordergrund. Diese sind jedoch hervorragend thematisch eingebunden.

Viel zu tun an den großen Seen

Bei Wendake hat jeder von euch seinen eigenen Stamm Ureinwohner. Ihr habt Krieger, die Erkunden gehen und kämpfen können. Ihr habt Jäger, die Biber jagen. Eure Squaws gehen für den Stamm Gemüse ernten und einige eurer Stammesmitglieder können mit Kanus auf den großen Seen Fische fangen. Ihr beginnt jedoch alle in eurem eigenen Stammesgebiet. Dort habt ihr jeweils fünf Jäger, Krieger und Squaws. Auf dem restlichen Spielplan befinden sich neben den Stammesgebieten eurer Mitspieler verschiedene Gebiete mit Gemüsefeldern, Jagdgründen und Seen. Im Laufe des Spiels geht es unter anderem darum, diese Gebiete zu besetzen, Felder und Jagdgründe für euch zu nutzen. Ein Teil des Spiels ist also durch Area-Control geprägt. Allerdings ist der Kampf nicht das entscheidende Element.

Wir zäumen das Pferd von hinten auf – Siegpunktleisten

Pferde gibt es in diesem Spiel keine. Um die Aktionen verstehen zu können, macht es Sinn, zunächst die Punktewertung zu erklären, denn die ist in Wendake  recht speziell. Es gibt vier verschiedene Wertungen, die zu zwei Paaren zusammengefasst werden. Am Ende der über sieben Runden gespielten Partie wird euer Fortschritt auf jedem der beiden Paare zusammengezählt. Jedoch zählt auf jedem Leistenpaar nur der jeweils niedrigste Wert. Durch diesen Mechanismus seid ihr gezwungen, auf allen Leisten relativ gleichmäßig voranzuschreiten. Es nutzt euch bei Wendake nichts, euch nur auf einen der vier Bereiche zu spezialisieren, denn das kostet euch am Ende sehr viele Punkte.

Wendake Siegpunktleisten

Gemüse und Biber im Überfluss – Ressourcen

Grundlegend gibt es 10 verschiedene Aktionsmöglichkeiten. Von einfachen Aktionen, wie dem Platzieren von Kanus, der Ernte von Gemüse (Mais, Kürbis, Bohnen), der Jagd von Bibern, dem Gerben von Pelzen (Umwandeln von Bibern), dem Fischen und der Bewegung von Kriegern in andere Gebiete, bis zu den komplexeren Aktionen wie Kämpfen, Maskenzeremonie, Handeln und Ritual.

Wendake GebieteGrundsätzlich kannst du nur deine Krieger bewegen. Mit diesen kannst du dann Felder für Gemüse und auch Jagdgründe sozusagen reservieren. Trefft ihr dabei auf Mitglieder anderer Stämme, darfst du dich entscheiden, gegen diese zu kämpfen. Dabei verletzen Krieger sich gegenseitig und beide kommen zurück in die Reserve im Langhaus, sie sind sozusagen verletzt und müssen sich erst mal wieder erholen. Auf Ressourcenfeldern eingesetzte Sammlerinnen und Jäger werden einfach entfernt, dem Krieger geschieht nichts. Generell steht der Kampf jedoch nicht sehr im Vordergrund.

Andere Stammesmitglieder außer Kriegern bewegen sich nicht eigenständig. Du darfst aber Krieger, die als Vorposten ein Ressourcenfeld besetzen jederzeit in deinem Spielzug gegen Jäger oder Sammlerinnen eintauschen und so die Felder nutzbar machen. Bei der Ernten Aktion sammelst du dann für jedes besetzte Gebiet ein Gemüse der jeweiligen Sorte. Beim Jagen bekommst du für jedes von einem Jäger besetzte Jagdgebiet einen Bieber. Beim Gerben werden alle Biber, die du besitzt, in Felle umgewandelt. Beim Fischen bekommst du für jedes Kanu, das du auf den auf dem Spielplan befindlichen Seen platziert hast, einen Fisch. So weit, so gut. Nun wird es etwas komplizierter.

Jetzt müssen wir aber auch mal Punkte machen

Beim Kampf bekommt ihr für jedes Gebiet, das ihr mit einer Mehrheit eurer Krieger besetzt habt, einen Punkt auf der Kampf-Leiste. Anschließend dürft ihr euch Bonusplättchen nehmen, falls ihr bereits 3, 4 oder 5 Sammlerinnen, Jäger oder Kanus auf dem Spielplan habt. Hierbei dürft ihr jedes Plättchen jedoch nur einmal besitzen und auch keine zwei der gleichen Art mit der selben Aktion nehmen. Die Bonusplättchen werden für die Schlusswertung verwendet, wo ihr nochmal zusätzliche Punkte auf einer der vier Punkteleisten bekommen könnt, um so Defizite auszugleichen.

Bei der Maskenzeremonie zieht ihr eine Karte mit einer von vier Masken vom Stapel. Anschließend spielt ihr ein Set von Karten aus. Da ihr eure Karten am Ende der Runde wieder bekommt, versucht ihr so, während der Partie mehr passende Karten für Sets zu sammeln und so mehr Punkte auf der Masken-Leiste zu ergattern.

Wendake HandelnDas Handeln beinhaltet eigentlich mehrere Aktionen, wobei jeder Teil für sich genommen freiwillig ist. Zunächst dürft ihr so viele Ressourcen 1:1 tauschen, wie ihr Kanus auf dem Spielplan habt. Tut ihr dies, müsst ihr eine der Maskenkarten aufdecken, um zu bestimmen, ob ihr euch beim Handeln mit dem Weißen Mann angesteckt habt. Das wird über einen vorhandenen Totenkopf symbolisiert. Wenn das passiert, müsst ihr einen eurer Stammesmitglieder vom Spielplan nehmen und in der Reserve im Langhaus platzieren. Habt ihr das aufreibende Handeln überstanden, dürft ihr nun ein Bonusplättchen kaufen. Diese kosten unterschiedlich viele Ressourcen und bringen einmal pro Runde nutzbare Verbesserungen oder Sonderaktionen. Je teurer, desto besser. Außerdem  bekommt ihr Punkte auf der Handels-Leiste und einer weiteren Leiste.

Leben im Gleichgewicht – Das Aktionstableau

Wendake AktionstableauFehlt nur noch die vierte Leiste: Die Ritual-Leiste. Um zu verstehen, was man dabei macht, muss ich zunächst den Auswahlmechanismus der Aktionen erklären. Das Aktionstableau auf dem ihr eure Aktionen auswählt, besteht aus einem 3×3 Raster. Den ersten eurer vier Aktionssteine könnt ihr frei auf dem Tableau einsetzen. Zwei weitere Steine müsst ihr dann so setzen, dass eine Linie entsteht. Diese kann sowohl vertikal oder horizontal sein, als auch diagonal verlaufen. Mit jedem platzierten Stein schränkt ihr also eure Auswahl weiterer Aktionen ein. Der vierte Stein wird von jedem Spieler eingesetzt, um die Zugreihenfolge für die nächste Runde festzulegen. Jedes der Aktionsplättchen auf dem Tableau hat eine oder mehrere der möglichen Aktionen abgebildet. Nach der Runde werden alle genutzten Aktionsplättchen umgedreht. Alle Plättchen werden eine Reihe nach unten geschoben, so dass die unteren drei Aktionen herausfallen. Danach darf eines der rausgeschobenen Plättchen durch ein besseres aus dem ausliegenden Vorrat an Aktionsplättchen ersetzt werden. Die drei Plättchen werden nun gemischt und in zufälliger Reihenfolge mit der Aktionsseite nach oben in die nun freie obere Reihe des Aktionstableaus gelegt. Eine neue Runde kann beginnen.

Auf der Rückseite jedes Plättchens befindet sich die Ritual-Aktion. Ab Runde zwei sollten einige eurer Aktionsplättchen umgedreht sein und somit die Ritual-Aktion zur Verfügung stehen. Nutzt ihr diese, dürft ihr drei Stammesmitglieder eurer Wahl aus der Reserve im Langhaus in euer Heimatgebiet setzen. Anschließend bekommt ihr Punkte auf der Ritualleiste für die Art von Mitgliedern, von denen ihr aktuell am wenigsten habt.

Das war nur ein grober Überblick über das, was ihr in Wendake macht. Es gibt noch einige Dinge mehr zu beachten, einige Spezialregeln und Mechaniken, die wir hier bewusst nicht erklärt haben, denn dazu gibt es unserer Meinung nach das sehr gute Regelheft. Ihr solltet nun aber grob wissen, was im Spiel auf euch zu kommt.

Mit Respekt und Recherche – Unser Fazit

Wendake HandbuchWir möchten hier ein Lanze brechen. Für ein sehr gutes Spiel und auch für die Art und Weise, wie sich Danilo Sabia und Placentia Games des Themas angenommen haben. Wendake liegt neben der eigentlichen Anleitung ein historisches Handbuch bei, in dem die einzelnen Mechaniken und thematischen Bezüge in den richtigen Kontext gerückt werden. Und ja, auch hier wird betont, dass sich die Macher an einigen Stellen Freiheiten genommen haben. Es wird aber nichts aus dem Leben der dort ansässigen Stämme komplett verfälscht dargestellt. Im gesamten Regelheft ist das im Deutschen nicht unübliche Wort „Indianer“ nicht ein einziges Mal zu finden. Dies zeugt von Respekt gegenüber den First Nations, wie sich die Ureinwohner Kanadas selbst nennen. Es ist auch schön zu sehen, dass der Konflikt mit den Briten und Franzosen kaum zu finden ist. Der Fokus liegt einfach ganz woanders. Nirgends sind stereotype Elemente wie Tipis, Totempfähle oder Federschmuck zu sehen, die nur unsere von Karl May geprägten Vorstellungen von diesen Völkern ensprechen, aber nicht weiter von den historischen und kulturellen Gegenbenheiten der dort lebenden First Nations entfernt sein könnten. Dieses Feingefühl und den damit gezeigten Respekt rechnen wir allen Beteiligten hoch an.

Verzahnt und manchmal eine harte Nuss

So ganz nebenbei ist Wendake auch noch ein sehr gutes Spiel. Der Aktionsauswahl-Mechanismus mit der strikten Regelung, wie ich meine Aktionssteine einsetzen kann, macht jede Aktion bedeutend. Ihr müsst euch gut überlegen, welche Kombination an Aktionen euch am meisten voranbringt. Vor allem da es euch nichts bringt, euch nur auf eine Sache zu konzentrieren, ist diese Wahl vor der ihr steht nicht unbedeutend. Noch wichtiger: Niemand kann euch eure Aktionen wegnehmen. Kein anderer Spieler blockiert Aktionsfelder, da jeder sein eigenes Tableau zusammenbaut und im Verlauf des Spiels verbessert. Und trotzdem beeinflussen die Aktionen der anderen Spieler eure eigenen. Ihr müsst den richtigen Zeitpunkt wählen, um effektiv zu ernten, bevor ein anderer Spieler eure Stammesmitglieder aus einem Gebiet vertreibt, um dort seine eigenen zu platzieren. Ihr müsst den richtigen Zeitpunkt wählen, um eure Kampfaktion zu wählen. Ihr dürft nicht zu spät anfangen, Karten für die Makenzeremonie zu sammeln. Generell dürft ihr keine der Punkteleisten zu lange unbeachtet lassen. Im schlimmsten Fall könnt ihr nicht mehr aufholen und verschenkt so jede Menge Punkte. Der Fortschritt auf einer Leiste ist vollkommen nutzlos, wenn ihr auf der damit gekoppelten Leiste nicht mindestens ebenso erfolgreich seid. Gleichgewicht ist das Stichwort, das nicht immer leicht zu erreichen ist.

Das Spielerlebnis war in jeder Besetzung toll. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass eine Partie mit vier Spielern schon etwas länger dauern kann. Zu zweit und zu dritt hat es uns einen Tick besser gefallen. Es funktioniert aber in jeder Besetzung gut. Auch muss man lobend erwähnen, dass das Spielbrett auf die einzelnen Spielerzahlen gut angepasst wird, so dass man mit zwei Spielern weniger Platz zur Verfügung hat und so gezwungen ist, mit dem Mitspieler in Konkurrenz um einige der Gebiete zu treten. Das Verhältnis Gebiete zu Spielerzahl ist immer passend und bietet ein ähnliches Spielgefühl. Nur die Solo-Variante haben wir nicht getestet.

Auch das Material ist wirklich gut. Die Schachtel ist randvoll mit Material. Kanus, Krieger und alle Ressourcen bis auf die Biber sind hochwertige Holzkomponenten, bei denen es Spaß macht, mit ihnen zu hantieren. Es gibt wie erwähnt mehrere Spielpläne für verschiedene Spieleranzahlen. Auch die grafische Umsetzung und die Illustrationen von Alan D’Amico und Paolo Vallerga sind sehr gut gelungen und transportieren das Thema sehr gut.

Wendake die besondere Empfehlung

Wir können euch Wendake also nur ans Herz legen. Es ist ein rundum gelungenes Spiel, mit Respekt zum Thema umgesetzt und gespickt mit schwierigen und verzahnten Entscheidungen. Außerdem ist es eine erfrischende Abwechslung zum omnipräsenten Mittelalter-Thema. Ein Euro-Games wie es im Buche steht und das bei uns sicherlich noch häufiger auf den Tisch kommt.


Euer Rating zu Wendake


Wendake (2017)
Spieler:
1 - 4
Dauer:
60 - 120 Min
Alter:
14+
BGG Rating:
7.5
Verlag:
Placentia Games
BGG:

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