Schon wieder Stau. Jeden Morgen das gleiche elendige, langsame Spiel. Zu schnell ist die Stadt gewachsen. Zu sehr wurde der Fokus auf neue Wohnungen gelegt, aber an die Infrastruktur hat keiner gedacht. Wer im Stadtrat kam wohl auf die Idee, die ganzen Gewerbegebiete ans andere Ende der Stadt zu verlegen?
Klar, die Lage ist günstig und die Nähe zum Bahnhof und zum Hafen verkürzt die Transportwege, allerdings auf Kosten der Anfahrtszeiten für die Leute, die dort arbeiten. Auch die Kriminalität ist dort sehr hoch. Das bekommen wir bei uns natürlich mit. Denn Feuerwehr, Polizei und andere Einrichtungen der öffentlichen Hand, fügen sich wunderschön in unsere Wohnsiedlung ein. Aber… Oh es geht weiter!
Mit Cities Skylines von Rustan Håkansson wird beim Kosmos Verlag ein weiteres Videospiel als Brettspiel umgesetzt. Der geistige Nachfolger von Sim City versucht sich aber an einem anderen Ansatz. Statt dass wir gegeneinander spielen, spielen wir in Cities Skylines kooperativ und versuchen unsere Stadt wachsen und gedeihen zu lassen. Und ganz wie im Videospiel müssen wir uns auch um die Probleme der Stadt kümmern. Denn auch die flache, analoge Stadt hat so ihre Probleme mit Kriminalität und dem anfallenden Müll. Wie sich Cities Skylines als Brettspiel schlägt, könnt ihr in unserem Test nachlesen.
Viel Spaß beim Lesen!
Flache Wolkenkratzer in Cities Skylines
Ich mag Städtebau-Simulationen. Auf diversen Plattformen habe ich dieses Genre sehr gerne gespielt, wo ich mich von der Kleinstadt immer weiter entwickle hin zur blühenden Großstadt, um dann mit einer Fehlentscheidung alles wieder zunichtezumachen. Natürlich habe ich auch Cities Skylines vom schwedischen Entwicklerstudio paradox gespielt. Und gerade dieser Städtebau-Simulator hat es mir sehr angetan, denn seine Komplexität ist schon atemberaubend. Zwar baue ich immer noch im großen Maßstab meine Stadt auf und weise die entsprechenden Gebiete für die Wohnungen, Fabriken und Büros aus, aber das Videospiel bietet viele kleine Stellschrauben, die ich nutzen kann, um meine Stadt zu optimieren oder sie eben auch gegen die Wand fahren zu lassen. Daher habe ich mich natürlich gefreut, als angekündigt wurde, dass Cities Skylines auch eine Brettspiel-Umsetzung bekommt. Auch die Frage, wie das als kooperative Variante funktionieren soll, machte das Brettspiel für mich interessant.
Doch nach einigen Partien ließ mich das Spiel etwas sprachlos zurück. Für mich stellt sich einfach die Frage, für wen Cities Skylines gedacht ist.
Der Videospieler in mir
Für mich als Videospieler funktioniert Cities Skylines nicht wirklich. Ich kann zwar Parallelen zum Videospiel erkennen. Aber mehr als ein Aha-Effekt ist es nicht. So kann ich im Gegensatz zum Original nicht einmal meine Straßen bauen wie ich will. In der Brettspielvariante sind die Stadtviertel vorgegeben, auf denen ich bauen kann. Dies habe ich zwar auch im Ansatz beim Videospiel, allerdings beschränkt es sich hier auf die Geografie der einzelnen Zonen. Auch muss ich wie im Videospiel im Brettspiel genug Geld zusammen bekommen, um ein neues Spielplan-Teil freispielen zu können. Allerdings enden hier schon die Gemeinsamkeiten. Nachdem ich nämlich ein neues Spielplan-Teil bekommen habe, die je nach Szenario fix vorgegeben sind, kommt es zu einer Wertung meiner aktuellen Stadt. Je nachdem wie gut ich in den einzelnen Kategorien Strom, Wasser und Müll abschneide, muss ich die Zufriedenheit meiner Bevölkerung anpassen.
Und um diese Zufriedenheit geht es auch in Cities Skyline: Die Zufriedenheit spiegelt gleichzeitig meine Siegpunkte wider und um die geht es nun mal am Ende. Je höher die Zufriedenheit, desto besser haben wir uns geschlagen. Fällt diese Zufriedenheit allerdings unter einen bestimmten Wert, haben wir die Partie verloren.
Doch all die kleinen Gemeinsamkeiten sind für mich als Videospieler zu wenig. Es fehlt die wirkliche Entscheidung, wie ich meine Stadt entwickeln möchte. Es fehlen die kleinen Stellschrauben, da alles sehr abstrakt und vereinfacht gehalten wird, obwohl ich es im Videospiel gewohnt bin, komplexe Zusammenhänge erkennen zu müssen, um meine Stadt vor der Entvölkerung zu bewahren.
Da frage ich mich dann schon, warum diese Komplexität hier nicht abgebildet und der Schwierigkeitslevel sehr weit herabgesetzt wurde. Das bildet in meinen Augen das Videospiel nicht wirklich gut ab und stellt den Sinn der Lizenz ein wenig infrage. Als Videospieler fesselt mich das Brettspiel nicht so lange an den Tisch und so locken Maus, Tastatur oder Controller mich doch schnell wieder vor den Monitor wo ich die digitale Version von Cities Skylines spiele. Denn auch den Wuselfaktor kann das Brettspiel ja leider technisch bedingt nicht abbilden und der gehört natürlich auch dazu.
Der Vielspieler in mir
Dem Vielspieler ist die Videospiel-Lizenz egal. Hier zählt der Kern des Spieles und ihn interessiert auch, wie der kooperative Ansatz in Cities Skylines gelöst wurde. Und das überrascht dann doch: Aus meiner Sicht funktioniert dieser recht gut, auch wenn ich nicht der große Fan von Koop-Brettspielen bin. Jeder Spieler hat je nach Spielerzahl Handkarten zur Verfügung, die genutzt werden können, um die entsprechenden Viertel und Häuser zu bauen. Und wir als Gruppe entscheiden gemeinsam, welche Karte der aktive Spieler ausspielt. Denn dies sollte abgestimmt passieren. Viele Karten geben nämlich Boni, je nachdem wo ich sie auf dem Tableau ausspiele. Hat nämlich ein Mitspieler eine Karte auf der Hand, die zu meiner Karte passt, sollte man diese dann eben auch genau in der Reihenfolge spielen, damit dadurch der Bonus freigeschaltet wird.
Auch das Verwalten der Ressourcen ist ein Gemeinschaftswerk. Gebäude in Cities Skylines brauchen bestimmte Voraussetzungen. So verbrauchen Wohngebiete Strom und Wasser und geben uns dafür dann Arbeiter. Na ja und Arbeiter brauchen wir in den Fabriken oder Büros, die uns dann wiederum Geld generieren. Und dieses Geld brauche ich, um damit Kraftwerke oder Kläranlagen zu bauen, was uns wieder die benötigten Ressourcen generiert. So schließt sich der Kreis der Ressourcen. Allerdings müssen wir unsere Ressourcen im Auge behalten. Denn es darf nur eine Karte ausgespielt werden, wenn deren Kosten auch bezahlt werden können. Und so braucht es eben auch ein paar Partien, um zu verstehen, wie das Brettspiel funktioniert.
Hat man es aber erst einmal verstanden, läuft es meistens fast schon von alleine. Immer mit einem Blick auf die Ressourcen wächst und gedeiht unsere Stadt, wenn denn die richtigen Karten kommen und genau hier ist der Vielspieler in mir verstimmt. Denn ich kann in dem Cities Skylines Brettspiel nicht bestimmen, wann ich was baue. Ich brauche die entsprechende Handkarte. Geht mir im Videospiel der Strom zur Neige, baue ich einfach schnell ein neues Kraftwerk, vorausgesetzt ich habe genug Geld.
In dem Brettspiel kann ich bei einem Stromengpass nichts machen, wenn ich nicht die entsprechende Handkarte habe. Und wenn es ganz schlecht läuft, kann ich mich hier ins Aus manövrieren. Ich kann keine anderen Karten spielen, weil ich nicht genug Strom habe, weil ich keine Karten spielen kann, kann ich auch keine Karten nachziehen, um an die gesuchte Karte zu kommen und sobald ein Spieler keine Karte mehr spielen kann, endet die Partie. Ich kann zwar eine Karte austauschen aber nur gegen Geld, steht dieses auch nicht zur Verfügung, stecke ich wieder im gleichen Dilemma.
Sie verlassen nun Cities Skylines
So lässt mich Cities Skylines etwas verwirrt zurück. Wahrscheinlich werden Gelegenheitsspieler mehr Spaß daran haben, aber das kann ich nicht beurteilen. Der hohe Zufallsgrad und die damit verbundene eingeschränkte Planbarkeit passen einfach nicht in ein Spiel, was als Thema den Städtebau hat. Es schadet ihm teilweise sogar, denn als Videospieler bekomme ich nicht das, was das Videospiel ausmacht. Und wenn dann die Stadt scheitert nur weil, man eben nicht die richtige Karte zieht, ist das frustrierend. Oder ich ziehe am Anfang Karten, die mir zu Beginn des Spieles nichts bringen und somit einfach nur meine Hand blockieren.
Ich glaube, hätte man das Plättchen-Lege-Spiel, etwas anderes ist es ja in seinem Kern nicht, mit einem anderen Thema versehen, wäre dies vielleicht besser angekommen. Zum Beispiel hätte es ja auch geklappt, wenn wir zum Beispiel einen Zoo aufgebaut hätten.
Auch der Wiederspielreiz ist nicht wirklich gegeben, am Anfang entdecken wir ja noch die Karten. Das Kennenlernen der Karten brauchen wir natürlich, um unsere Strategie zu planen. Aber das nervt natürlich in späteren Partien, denn hier kommt wieder der Zufallsfaktor ins Spiel, wenn ich weiß, dass die fehlende Karte einfach noch nicht gezogen wurde. Tja und hab ich irgendwann eine hohe Zufriedenheit geknackt und meine Stadt hat sich zu einer Weltmetropole entwickelt, steht die Frage im Raum, was ich noch mit dem Spiel machen soll. Danach hole ich das Spiel dann eigentlich nicht mehr aus dem Regal. Auch unsere Mitspieler hatten nach einer Einführungspartie nicht mehr den Drang noch einmal unbedingt eine weitere Partie zu spielen. Da half es auch nichts, ihnen die verschiedenen Schwierigkeitsgrade, die aufeinander aufbauen, schmackhaft zu machen
Bei vielen war es dann doch das Thema, was eher abschreckend wirkte. Es brauchte eine gewisse Überredungskunst, dass Cities Skylines überhaupt auf den Tisch kommen konnte. Dabei ist die Tischpräsenz von Cities Skylines durchaus ansprechend und auch das Regelwerk ist gut geschrieben und ich komme auch schnell ins Spiel und kann einfach los Spielen.
Unterm Strich bleibt für mich ein Brettspiel, das irgendwie an seinem Vorbild gescheitert ist und dessen Karten-Zufälligkeit einen zu hohen Frustfaktor in sich hat. Nach ein paar Partien war der Reiz analoge Städte aufzubauen einfach weg.
Euer Rating zu Cities Skylines
Das Spiel Cities Skylines ist bei Kosmos erschienen.
Für die Review wurde uns ein Rezensionsexemplar von Kosmos zur Verfügung gestellt.