Die weiße Burg - Brettspiel Review

Die weiße Burg – Ein Brettspiel für Minimalisten

Die weiße Burg - Brettspiel Cover „Der Anblick ist gigantisch. Die weiße Burg hebt sich majestätisch ab und dominiert die gesamte Gegend. Doch ich kann nicht stehen bleiben und den Anblick genießen. Den Daimyo darf ich nicht warten lassen. Der mächtige Kriegsherr hat nicht den ganzen Tag Zeit. Soweit ich das weiß, bin ich nur einer von neun Bittstellern am heutigen Tag. Und auch meine Zeit bei ihm ist begrenzt, ich muss meine Worte weise und mit Bedacht wählen. Damit jedes meiner Worte und jede meiner Aktionen bei ihm den genau richtigen Nerv trifft. „

Mit Die weiße Burg bringen die Autorin Shei S. und der Autor Isra C. ihr zweites Brettspiel heraus, was irgendwie etwas mit einem Gebäude zu tun hat. Das Erstlingswerk Die rote Kathedrale, welche auch bei KOSMOS erschienen ist, war in diesem Haushalt auch ein gern gesehener Gast. Ob das neue Werk ebenfalls überzeugen kann oder nicht? Dieser Frage stelle ich mich in der Review zu dem vielleicht kompaktesten Brettspiel.

Viel Spaß beim Lesen!

Die weiße Burg oder der weiße Reiher?! 

Zuerst muss hier ein wenig Bildungsauftrag kommen. Ja klar, das Cover von Die Weiße Burg soll die bekannte japanische Burg Himeji darstellen. Allerdings wird die Burg nicht als Weiße Burg bezeichnet, sondern es ist die „Weiße-Reiher-Burg“. Durch ihr weißes Aussehen und dem angeblichen Aussehen eines fliegenden Vogels hat sie diesen Namen bekommen. Jetzt aber genug mit dem Bildungsauftrag, es geht weiter mit dem eigentlichen Brettspiel. Achja, natürlich lese ich auch lieber Die Weiße Burg auf der Schachtel, als Die Weiße Reiher Burg. 😉

Die weiße Burg - Schachtel

Das vielleicht Auffälligste an Die Weiße Burg sind nicht die Illustrationen oder dass alles in eine so kompakte Schachtel passt. Vielmehr ist es der Minimalismus in der Mechanik, der hier neue Maßstäbe im Bereich der Kenner- und Expertenspiele setzt. Denn ich habe nur neun Aktionen im ganzen Spiel. Da muss jeder Zug sitzen. Und da es sich ja um ein Eurogame handelt, kommen auch die entsprechenden Probleme damit auf den Tisch: In diesem Fall der stetige Mangel an Ressourcen.

Bei Die Weiße Burg allerdings bleibt dieser Mangel permanent bestehen, da ich ja nur diese neun Aktionen habe, da muss ich raus aus meiner Wohlfühlzone. Wo ich mir in manch anderem Spiel erst einmal eine kleine Ressourcen-Engine aufbaue, kann ich das hier nicht machen. Denn wenn die Engine anfängt zu laufen, ist das Spiel vorbei und ich habe noch keine wirklichen Punkte gemacht.

Die weiße Burg - Brücken

Neun mal einen Würfel auswählen

Dabei ist das eigentliche Spiel gar nicht so schwer. Wenn ich dran bin, nehme ich einen Würfel und setze den ganz klassisch auf ein Feld, womit ich dann die entsprechende Aktion auslöse. Ihr kennt das Prinzip! Allerdings, weil ich ja keine großartige Ressourcen-Engine aufbauen kann, haben die beiden Designer hier einen aus meiner Sicht besonderen Kniff eingebaut.

Jedes Aktions-Feld hat natürlich einen aufgedruckten Würfelwert. Der bestimmt hierbei aber nicht, welchen Würfelwert ich einsetzen darf, sondern ob ich Geld bekomme oder bezahlen muss, wenn ich das tue. Bezahle ich zum Beispiel mit dem Würfelwert über, bekomme ich sozusagen Rückgeld und natürlich das Gegenteil, bezahle ich mit dem Würfelwert weniger, muss ich die Differenz bezahlen. Für mich ein hervorragendes Element, was ich so bis jetzt bisher nicht gesehen habe in einem Brettspiel.

Die weiße Burg - Palast

Über neun Brücken musst du gehen 

Doch das ist natürlich bislang nicht alles. Auch das eigentliche Auswählen der Würfel ist schön in das Spiel eingewoben worden. Gut, entgegen der Überschrift habe ich nicht neun Brücken sondern nur drei. Die farblich codierten Brücken dienen dazu, die am Anfang einer der drei Jahreszeiten geworfenen Würfel zu beherbergen, damit wir sie im Laufe der Partie auswählen können. Und ja, ihr ahnt es, nicht jeder Würfel lässt sich auf jedes Aktions-Feld einsetzen. So gibt es Aktions-Felder, wo ich jede Würfelfarbe einsetzen kann und es gibt eben Felder, wo ich dann nur einen roten Würfel verwenden darf. 

Allerdings kann ich auch nur immer die Würfel wählen, die sich an den beiden Enden der Brücken befinden. Denn diese werden nach dem Würfel werfen, in aufsteigender Reihenfolge platziert. Also befindet sich die niedrigste Zahl links und die höchste rechts. Ähnlich wie zum Beispiel beim Kartenspiel TRIO, wo ich mir auch immer nur die äußersten Karten anschauen darf, muss ich mich erst einmal bei Die Weiße Burg von außen nach innen arbeiten, um an die Würfel zu kommen, die von Werten am besten zu den Werten auf den Aktions-Feldern passen. – Jedenfalls manchmal.

Die weiße Burg - Palast

Denn es sind ja Würfel und deren Wert steht halt nun einmal nicht fest. Rein statistisch gibt es hier zwar eine Zahlenverteilung, aber was die Statistik sagt und was ich dann in real würfle, sind zwei unterschiedliche Welten.

So hatten wir Partien, in denen wir immer sehr hoch gewürfelt haben, wodurch dann die kleinste Zahl auch mal eine Fünf oder Vier war. Oder wir hatten Partien, da war eine Vier schon eine hohe Zahl. Das hat natürlich einen direkten Einfluss auf das Spielerlebnis. Wie ich oben erwähnt habe, ist der Würfelwert nicht unerheblich bei Die Weiße Burg. Höher ist hier durchaus besser und bringt mir mehr Geld ein, was ich dann ja wieder mit vollen Händen ausgeben kann. Allerdings funktioniert das Spiel auch mit niedrigen Zahlen, denn wähle ich eine kleine Zahl, bekomme ich auch noch ein kleines Geschenk bzw. kann ich Einkommen generieren. Also bleibt es irgendwie dann doch gerecht und es funktioniert. 

Die weiße Burg - Rundenmarker

Punktedynamik

Interessant ist bei Die Weiße Burg eigentlich, wie sich diese Würfelwert-Dynamik dann in den Punkten niederschlägt. In Partien mit eher geringeren Werten sind die Punkte am Ende schon überschaubarer und natürlich das Gegenteil bei großen Würfelwerten. Na klar, beim letzteren ist die Frage, ob Sieg oder nicht, dann auch schon mal in der zweistelligen Differenz, während beim ersteren jeder kleine Punkt umso mehr zählt. 

Das zeigt für mich auch wieder, wie schön Die Weiße Burg in sich gesehen funktioniert. Nimmt man Thema und alles zur Seite, könnte ich hier auch sagen, mechanisch passt alles wunderbar zusammen wie ein Schweizer japanisches Uhrwerk und das ohne unnötigen spieltechnischen Ballast, der mit muss.

Die weiße Burg - Spielertableau

Dazu passt auch, dass das Brettspiel wie zuvor schon Die Rote Kathedrale in einer kompakten Schachtel daherkommt. Gerade für den Vielspielenden, wo der Platz rar ist, ist das geradezu ein Segen.

Allerdings gibt es aus meiner Sicht hier auch ein Opfer. Das ist nämlich das Regelheft. Die Regeln selbst sind super aufgebaut und ich konnte mich zügig in dem Spiel zurechtfinden. Aber für meinen Geschmack ist die Schrift zu klein, um wirklich entspannt gelesen werden zu können. Das kommt daher, weil das Heft ja in die kleine Schachtel passen muss. Auch nicht sonderlich förderlich ist, dass die Schrift nicht immer in einem guten Kontrast zum Untergrund steht und das die Lesbarkeit zusätzlich behindert. Kommt dann noch ein wenig schummeriges Licht dazu, nicht jeder spielt ja unbedingt in einem gut beleuchtetem OP-Saal, ist das dann schon teilweise sehr mühselig zu lesen. Auch wenn man mal schnell etwas nachschauen möchte, um vielleicht eine Regel zu klären.      

Analyse Paralyse?

Mein Kollege Christian von spielstil.net meinte in seiner Review zu Die Weiße Burg, dass das Spiel sich recht flüssig spielt, wenn die Mitspielenden nicht zu verkrampft versuchen, das Beste aus ihrem Zug heraus zu holen. Diese Erfahrung konnte ich nicht immer nachvollziehen. Zu oft versuchen die Spielenden am Tisch, wegen der Limitierung der Aktionen, den optimalen Zug zu machen. Was natürlich schon die Downtime bei diesen Personen enorm in die Höhe treibt. 

Denn das Ziel ist, dass ich in einer Partie die entsprechenden Kettenzüge entdecke und auch auslösen kann. Allerdings sind diese Kettenzüge nicht immer verfügbar. In einer Partie muss ich mich komplett auf die Samurai spezialisieren. In der nächsten Partie macht es mehr Sinn, sich komplett auf den Daimyo zu konzentrieren bzw. den Weg bis zu einer Audienz bei ihm.

Die weiße Burg - Daimyo

Das liegt an der schon beschriebenen Würfel-Dynamik, dass sich jede Partie anders spielt und auch neu gedacht werden muss. Allerdings in Zukunft mit hoffentlich mehr Bauchspielern und nicht dem Nachbarn, der vor seiner Aktion sich darüber beschwert, dass er nur noch sechs Aktionen hat und nach der Aktion sich darüber beschwert, dass es jetzt nur noch fünf sind.

Natürlich kann ich diese Mitspielenden auch verstehen. Für mich fühlt sich Die Weiße Burg an, wie eine Euro-Game-Essenz allerdings wird dadurch aber auch ein ungewollter Druck durch das Spiel aufgebaut, was einem das Gefühl geben kann, nichts erreichen zu können. Gerade in Erstpartien kommt dies öfter vor. Und klar fehlt hier der Puffer von drei, vier Aktionen, die ich in dem ein oder anderen Brettspiel mehr an Spiel habe und die ich vielleicht auch brauche, um ins Spiel zu kommen.

Bei Die Weiße Burg muss ähnlich wie bei Wasserkraft die erste Aktion wohlüberlegt sein. Aber deswegen ist für mich Die Weiße Burg eben kein Spiel für zwischendurch. Es rangiert eher auf einem hohen Spiel-Niveau, wobei dies sich nicht auf die eigentlichen Regeln bezieht.

Und weil es nichts Unnützes gibt in dem Spiel, ist die Spielerinteraktion auch viel höher als in anderen Brettspielen. Es gibt keine großartigen Trostaktionen, die ich zum Ausweichen nutzen kann. Auch in Die Weiße Burg gibt es einen Mechanismus, womit ich eine gewisse Trostaktion machen kann, aber es fühlt sich einfach enger und geradliniger an.

Die weiße Burg - Krieger

Die starke weiße Burg

Ich kann die Begeisterung von Christian für Die Weiße Burg nicht nur verstehen, ich kann sie auch vollkommen unterstützen. Rückblickend ist Die Weiße Burg eines der Highlights aus dem letzten Jahr, auch wenn die Einstiegshürde erst einmal etwas höher liegt und sich einem am Anfang nicht ganz erschließt, wie man mit neun Aktionen etwas bewerkstelligen soll. Doch wie zuvor besprochen, es funktioniert 1A.  

Ziehe ich hier auch noch den Vergleich zu Die Rote Kathedrale, was ja auch von den beiden Autoren:innen entwickelt wurde, muss ich durchaus sagen: Die Weiße Burg ist aus meiner Sicht als Vielspieler das bessere der beiden Spiele, wobei dies natürlich ein Vergleich auf hohem Niveau ist. 

Einen kleinen Blick in die Zukunft möchte ich noch werfen. Mit The White Castle: Matcha wurde auch eine Erweiterung angekündigt. Diese soll noch einmal mehr Möglichkeiten ins Spiel bringen und (das ist wohl die größte Neuerung an sich) mehr Aktionen, denn dann sind es statt neun Aktionen zwölf Aktionen, die ich zur Verfügung habe. Allerdings gibt es auch einen weiteren Ort, den ich nutzen kann, um die Gunst des Daimyo zu erringen.

Ich kann es förmlich hören, wie am Tisch dann gesagt wird: „Nur zwölf Aktionen, wie soll das denn gehen?“ 

Euer Rating zu Die Weiße Burg


Muss die Brettspiel-Schachtel zum Preis passen?

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Die Weiße Burg ist bei KOSMOS erschienen.

The White Castle (2023)
Spieler:
1 - 4
Dauer:
80 Min
Alter:
12+
BGG Rating:
7.98
Verlag:
KOSMOS
BGG:

Für die Review stand uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung.

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