Schon seit Monaten schaukelt das Schiff über das Meer. Der Heimathafen ist nicht mehr weit entfernt, laut dem Captain sind es nur noch ein paar Tage. Dann geht die Arbeit erst richtig los, die ganzen Exponate, die unter Deck verstaut sind, müssen katalogisiert und der Wissenschaft übergeben werden. Eine Vielzahl von Publikationen wird veröffentlicht werden. Und vielleicht schafft es das ein oder andere Tier es sogar in die Encyclopedia Britannica.
Was ist besser als ein Brettspiel mit Naturthema? Natürlich ein Brettspiel mit Naturforscher-Thema. Wie gut, dass es jetzt mit Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich ein passendes Brettspiel gibt. Die Illustration auf dem Cover der Schachtel macht schon einmal einen sehr einladenden Eindruck. Also, was kann Encyclopedia? Immerhin sind Spiele mit Natur-Themen ja keine Seltenheit mehr. Also haben wir unsere Koffer gepackt und uns auf Brettspiel-Forschungsreise begeben. Was wir dabei entdeckt haben, könnt ihr unserem Test erfahren.
Viel Spaß beim Lesen!
Das Erschaffen einer Enzyklopädie
Gut, so ohne Weiteres kann ich natürlich kein dickes Nachschlagewerk erstellen. Es sein denn, ich schreibe über Brettspiele. Aber bei Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich steckt das Thema ja schon im Titel. Es muss sich eben um Tiere handeln. Nur gut, dass bei dem Brettspiel alles dabei ist, damit ich mich diesem hehren Ziel auch stellen kann.
Bevor ich mein großartiges Machwerk also vollenden kann, braucht es Studienobjekte und da sich keiner für die heimischen Tiere interessiert, muss ich meine Koffer packen und in die weite Welt hinausziehen. Ihr ahnt es schon, so etwas gibt es eben nicht für umme, also braucht es auch noch Geld.
Genau das spiegelt sich dann auch in Encyclopdia wider. Der Spielplan ist thematisch genauso aufgebaut, von oben nach unten gibt es Aktionen, in denen ich Geld sammle, meine Reise plane, reise, erforsche und dann am Schluss publiziere. Um die Aktionen auszulösen, brauche ich Würfel. Davon habe ich vier Stück pro Runde zur Verfügung und dies über 6 Runden hinweg. Im Endeffekt hab’ ich erst einmal nur 24 Aktionen, um zu reisen, zu forschen und zu publizieren. Das ist nicht viel, wenn ich so einen richtig dicken Nachschlage-Schinken auf den Markt bringen möchte.
Mit Würfel zum Erfolg
Wie schon erwähnt, die Aktionen kann ich durch farbige Würfel anstoßen. Diese Würfel ziehe ich zufällig am Anfang der Runde aus einem Stoffbeutel. Das ist ja auch irgendwie klar, denn ich besitze ja keinen Würfel mehr aus der vorherigen Runde. Ihr vermutet schon richtig. Farbe und auch die erwürfelten Augen sind natürlich wichtig und mit Aktionen verbunden. Je nach Aktion kann es mal nur der Wert sein, der zählt, manchmal ist es aber auch nur die Farbe, die wichtig ist.
Nun ist das natürlich durchaus ein Problem, wenn ich beim Ziehen der Würfel nicht unbedingt die Würfel aus dem Beutel bekomme, die ich brauche. Denn möchte ich zum Beispiel nach Afrika reisen, braucht es eben einen gelben Würfel, ziehe ich den nicht aus dem Beutel, hätte ich ein Problem.
Allerdings greift mir Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich hier unter die Arme. Denn ich kann mich bei den Würfeln frei bedienen. Ich muss nicht meine Würfel nutzen, sondern ich kann die Würfel meiner Mitspielenden am Tisch nutzen. Als Entschädigung dafür bekommt dieser oder diese auch noch eine kleine Belohnung.
Klar gibt es natürlich auch noch Mechanismen, die mich die Farbe oder den Wert ändern lassen, diese sind allerdings teuer und müssen erst einmal erspielt werden.
Das Wissen über die Tiere
So sammle ich mit der Zeit immer mehr Wissen über das Tierreich, dargestellt wird dies über kleine Holzmarker. Dabei gilt, je detaillierter das Wissen über ein Tier, also umso länger ich es als kleiner Forscher beobachtet habe, desto mehr Siegpunkte kann ich damit herausholen. Allerdings mehr Details über ein Tier herauszubekommen, ist eben auch „kostspielig“ und bringt vielleicht auch nicht so viel.
Am Ende zählen nämlich die Publikationen. Ich kann zwar auch schon während einer Partie Punkte als glorreicher Entdecker einheimsen. Aber abgerechnet wird eben am Schluss. Und da gilt, je mehr Würfelchen ich von den beobachten Tieren in meiner Encyclopedia unterbringen konnte, desto mehr Punkte regnet es. Und so muss ich mich entscheiden, schreibe ich über viele Tiere und bekomme dann erst am Ende die Siegpunkte oder schaue ich mir weniger Tiere an, punkte damit nicht so stark am Ende, hole die Punkte dann aber irgendwie während der Partie.
Nach einigen Partien kann ich allerdings schon sagen, es ist besser, dass ich mir die dicken Punkte am Ende sichere.
Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich ist grafisch schön
Also eines kann ich Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich nicht vorwerfen, dass es nicht gut aussieht. Aber das war es dann auch schon, denn unter dem oberflächlichen guten Aussehen bleibt nicht viel über. Vielmehr hakt es irgendwie an allen Ecken und Kanten.
Der Würfelauswahl-Mechanismus ist ja im Prinzip nicht schlecht, ich kann mich schön bei den Würfeln der Anderen am Tisch bedienen. Allerdings, weil ich ja eine Belohnung bekomme, wenn meine Würfel genommen werden, möchte ich eigentlich die Würfel aus dem Beutel ziehen, die mir etwas bringen, sondern ich möchte die Würfel ziehen, die meine Mitspielenden brauchen, damit ich die Boni bekomme, wenn sie sich bei meinen Würfeln bedienen. Und natürlich geht es ihnen genauso mit diesem Gedanken. Das fühlt sich für mich komisch an und nicht durchdacht.
Aber das könnte ich ja noch übersehen und auch damit leben. Wo allerdings für mich Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich einfach nicht überzeugen kann, ist die namensgebende Forschungsreise bzw. die damit verbundene Aktion „Expedition“. Hier wird die gesamte thematische Einbettung des Brettspieles genommen und über Bord geworfen. Denn es folgt pure und trockene Zahlenschieberei.
Zusammengefasst ist Encyclopedia nur das Schieben von Zahlen
Um nämlich die Tiere zu erforschen und damit verbunden die kostbaren Forschungs-Würfel platzieren zu können, braucht es bestimmte Werte, die scheinbar die verbrachte Zeit mit der Erforschung simulieren sollen.
Aber das ist so umständlich und fehleranfällig umgesetzt, dass es nicht nur den Spielspaß senkt, sondern auch die Downtime erheblich steigen lässt. Kleines Beispiel dazu, in dem ich drei Würfel verteilen möchte: einmal für das Klima, das kostet mich 10 Punkte, dann einmal für die Ernährungsweise und einmal für die Art. Das lässt sich noch recht schnell in der Theorie zusammenrechnen, insgesamt muss ich immerhin 16 Punkte investieren.
Die Bezahlung dafür kommt zum einen aus den Augen des Würfels, den ich dafür wähle und zusätzlichen Münzen, Siegeln oder mögliche Experten, die den Wert auch noch ändern können. Wenn diese Situation dann in der Praxis aber durchgespielt wird, sitze ich häufig da und rechne vor meinem Zug alles dreimal durch und auch während meines Zuges und dann verzähle ich mich und fange wieder von vorn an. Das fühlt sich nicht nur sperrig an, es ist sperriges Mikromanagement. Auch bei anderen Brettspielen, wie zum Beispiel Earth, gibt es dieses Mikromanagement, aber im Gegensatz dazu müssen bei Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich alle anderen am Tisch warten, bis ich damit fertig bin.
Doch es bleibt nicht dabei, auch an anderen Stellen blitzt diese Sperrigkeit immer wieder hervor. Denn auch das Entfernen der Forschungs-Würfel auf den Karten für die Aktion „Veröffentlichung“ ist genauso sperrig und fehleranfällig, sodass ich immer mal wieder die Regeln zur Übersicht heranziehen musste.
Und wo ich schon einmal bei der Übersichtlichkeit bin, auch hier hapert es einfach. Zwar gibt es entsprechende Hilfe auf dem Spielplan und meinem Tableau. Aber erst, wenn ich ein oder zwei Partien gespielt habe, kann ich mit diesen Infos etwas anfangen. Und da brauche ich diese dann auch nicht mehr, weil ich dann das Spiel ja schon verstanden habe.
Encyclopedia hatte viel Potenzial
Ich wollte Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich mögen und es brachte ja auch einiges mit, was mich ansprach. Da war zum einen die grafische Gestaltung und auch das Thema. Dazu auch noch der Mechanismus des Würfels platzieren. Aber es wird eben alles in die Tonne gekloppt, durch die sperrige Mechanik beim Erforschen der Karten und dem Publizieren der Erkenntnisse.
Auch der Auswahlmechanismus der Würfel sieht auf den ersten Blick ganz okay aus, aber wie oben schon beschrieben, ist dieser eben auch nur irgendwie Fassade und wieder komplizierter gemacht worden, als es eigentlich nötig gewesen wäre.
Ich kann mich noch ausgezeichnet an meine erste Partie von Encyclopedia erinnern. Die Ernüchterung am Ende, als selbst die Sieg-Punkt-Zählerei genau in die gleiche Rechnen-Richtung ging, wie schon viele andere Elemente vorher. Da halfen dann auch die wunderschönen Illustrationen nichts. Und auch die Thematik des Erforschens war im eigentlichen Brettspiel nicht mehr wiederzufinden.
Natürlich ist es auch die Erwartung meinerseits, die Encyclopedia hier im Weg steht. Denn irgendwie sollten aus meiner Sicht ja Brettspiele mit Naturthema auch spielerisch eher im Wohlfühlbereich sein, wie dies bei Meadow oder Flügelschlag unter anderem der Fall ist. Aber nicht nur mir erging es so, auch andere Spielende am Tisch hatten den gleichen Eindruck, dass Encyclopedia einfach viel zu sehr verkopft ist. Mit schönen Grafiken und dem Thema versucht das Brettspiel, einen zu trockenen Spielablauf zu kaschieren.
Euer Rating zu Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich
Encyclopedia: Forschungsreise ins Tierreich ist bei Asmodee erschienen.
Für die Review stand uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung.