Review: Great Western Trail Second Edition

Great Western Trail – 40 Brettspiele westwärts

Great Western Trail Cover

Kansas City ist nur noch einen Tagesritt entfernt, dann findet auch der neuste Trail sein Ende. Sobald die Kühe am Bahnhof in irre Gatter verladen wurden, können wir uns ein paar Tage Auszeit gönnen. Mit den hart verdienten Dollars einfach mal die Stadt mit ihren Annehmlichkeiten genießen, bevor es dann auch schon wieder zurück zur Ranch geht, um sich auf den Viehtrieb entlang des Trails vorzubereiten. Aber das kann noch etwas warten, jetzt heißt es erst einmal das Abendessen im Schein des Mondes zu genießen.

In der jüngeren Vergangenheit kommen immer mehr Neuauflagen von Brettspielen heraus. Dies hat unterschiedliche Gründe. Entweder hat sich der Verlag geändert, ein längst vergriffenes Brettspiel bekommt seinen zweiten Frühling oder aber der Autor bzw. Verlag möchte einfach die kritischen Punkte der Original-Auflage ausbügeln.

Auch Great Western Trail bekam nun eine zweite Ausgabe spendiert, was sich im Vergleich zum ursprünglichen Spiel geändert hat und warum Great Western Trail eines meiner Top Ten Brettspiele ist, das könnt ihr in der Review zu Great Western Trail (Second Edition) erfahren.

Viel Spaß beim Lesen!

Great Western Trail – für eine Handvoll Kühe

Also los geht es! Ich werde der beste Rinderzüchter südlich von Kansas City. Der Weg dahin ist relativ simpel. Ich muss nur meine Herde von meiner Ranch zum Viehbahnhof in Kansas bringen. Die Pferde gesattelt und die Herde zusammengestellt und nordwärts geht es los. Wobei die Herde zusammenstellen bei Great Western Trail eigentlich bedeutet, dass ich vier Handkarten von meinem Start-Kuh-Herden-Deck ziehe. Denn eine Komponente in Great Western Trail ist Deck-Building, also das Verbessern und Ausbauen der mir zur Verfügung stehenden Karten.

Brettspiel Great Western Trail Second Edition - Kansas City

Wo war ich? Genau, die Herde soll nach Kansas. Jedoch ist der Weg weit und so komme ich nicht in einem Rutsch an mein Ziel. Auf meinem Pfad durch den Wilden Westen passiere ich verschiedene Orte, einige davon sind schon von Anfang an auf dem Spielplan vorhanden. Andere Orte können im Laufe einer Partie dazu kommen, denn als zukünftiger Rinderbaron braucht es auch Immobilien! Und so kann nicht nur ich neue Orte und damit exklusive Aktionsmöglichkeiten mein Eigen nennen, sondern auch meine Mitspielenden am Tisch ärgern. Das verlängert nicht nur im Laufe einer Partie den Weg nach Kansas, sondern auch wertvolle Bauplätze werden so blockiert.

Denn halte ich an einem Ort, darf ich die damit verbundenen Aktionen ausführen. Allgemeine Orte wie der Saloon stehen allen am Tisch zur Verfügung. Das von mir erbaute Sägewerk und die damit verbundene Aktion aber nur mir. Und diese Aktionen sind überlebenswichtig, oder – genauer gesagt – spielerisch wichtig. Denn mit ihnen kann ich nicht nur neue Orte erbauen, sondern auch meine Herde vergrößern oder auch mit der Eisenbahn fahren. Oder, und das ist vielleicht der wichtigste Punkt, ich kann meine Herde und meine Hand besser organisieren.

Great Western Trail Second Edition - Gebäude

Die Mischung macht’s

Irgendwann habe ich es also mit meiner Rinderherde nach Kansas geschafft und will den schnellen Dollar machen. Doch ganz so einfach ist das nicht, denn am Bahnhof ist man wählerisch. Ich bekomme nicht für meine ganze Herde Geld, sondern nur für jede unterschiedliche Kuh-Rasse. Blöd, wenn ich die Hand voll habe mit den gleichen Kühen. Aber auch hier glänzt Great Western Trail mit seinen verwobenen Mechanismen.

Ich erwähnte ja, dass ich als mögliche Aktion meine Herde besser organisieren könnte, wenn ich eine Ortsaktion ausführe. Viele Orte ermöglichen mir eine Karte aus der Hand abzugeben, um dafür den ein oder anderen Dollar zu bekommen. Der Dollar ist zwar schön und gut, aber viel wichtiger ist, dass ich danach wieder Karten nachziehe. So wird meine Herde dann doch irgendwie einzigartig. Jedenfalls mehr oder weniger, denn etwas Glück gehört hier noch dazu.

Great Western Trail Second Edition - Rinder

Genau das macht mir aber auch Spaß bei Great Western Trail. Auch wenn das Zieh-Glück nicht das Beste ist, kann ich in den meisten Fällen dann doch was damit anfangen, auch wenn ich dazu einmal an einem anderen Ort kurz verweilen muss. Diese Verknüpfung aus Ortsaktionen und dem Deck-Building ist für mich eine der größten Stärken in Great Western Trail. Hier muss ich auch mal den Hut ziehen vor der Redaktion, die scheinbar alle Ecken abgeschliffen und so Great Western Trail zu dem hervorragenden Brettspiel gemacht hat, welches es aus meiner Sicht nun einmal ist.

Das wird umso deutlicher, je tiefer ich ins Spiel eintauche. In den ersten Partien hatte ich immer das Gefühl, ich müsse mein Herdendeck aufbauen und wertvoll machen, das gibt dann so richtig Punkte. Aber weit gefehlt!

Ob über das Herdendeck, die Eisenbahn oder auch dem Bau von Orten, es gibt viele Möglichkeiten in Great Western Trail zu punkten.

Natürlich kann ich eine wertvolle Herde aufbauen und somit die großen Punkte einfahren. Ich kann mich aber auch auf den Ausbau der Eisenbahn stürzen und hier die Punkte für mich sichern. Gerade weil der Arbeitsmarkt nicht immer alles an Beschäftigten hergibt, was ich so brauche. Für eine wertvolle und große Herde braucht es Cowboys, sind diese nicht am Markt oder werden mir vor der Nase weggekauft, kann ich mit der Herde nicht viele Punkte machen. Ich muss dann meine Energie und meine Dollar in eine andere Richtung lenken.

Great Western Trail Second Edition - Eisenbahn

Wunderbar, denn so gleicht keine Partie Great Western Trail der anderen und fordert mich dabei auch jedes Mal wieder aufs Neue heraus.

Auf gut Deutsch: Langweilig wird es nie. Es gibt eben nicht die eine Strategie, die immer funktioniert. Manchmal sitze ich am Tisch mit Leuten, die einfach nur so schnell wie möglich den Weg durch die Prärie suchen, um nach Kansas City zu kommen. Manchmal ist der ganze Tisch aber gemütlicher unterwegs und scheint sich jeden Ort anschauen zu müssen. So variiert natürlich auch die Spiellänge: Von drei Stunden bis 40 Minuten habe ich schon alles erlebt. Und wenn ich ganz verrückt darauf bin, kann ich sogar mit einem variablen Spielplan spielen.

Great Western Trail Second Edition ?!

Nun ist Great Western Trail schon einige Zeit auf dem Markt und natürlich muss deswegen eine Neuauflage her, die Rechnungen wollen natürlich bezahlt werden. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Das ursprüngliche Great Western Trail war damals bei eggert Spiele erschienen und im Vertrieb von Pegasus. Jedoch wurde eggert Spiele verkauft und somit ist Great Western Trail inzwischen im Vertrieb bei Asmodee gelandet. Dazu war auch das alte Great Western Trail politisch nicht korrekt, dazu aber später mehr. Somit stand einer Neuauflage bzw. einer Second Edition eigentlich nichts mehr im Weg.

Great Western Trail Second Edition - Tableau
Rein spielerisch ändert sich eigentlich gar nichts.

Die Tauschplättchen, die ich schon aus der Erweiterung Rails to the North kannte, sind inzwischen an Bord oder besser im Trek. Mit diesen Plättchen könnt ihr pro Plättchen genau zwei Karten nachziehen, um dann allerdings auch wieder zwei Karten abzuwerfen. Gerade wenn das Deck bzw. eure Herde so richtig blöd ist, ist das hilfreich.

Weiterhin ist der Spielstart angepasst worden. Ihr könnt jetzt bei eurem ersten Spiel-Zug auswählen, wo auf dem Trek ihr startet.

Und das war es dann auch schon fast mit den spielerischen Änderungen.

Eine hervorragend gelungene Änderung im Vergleich zu ersten Edition sind die wirklich genialen Illustrationen von Chris Quilliams und dabei meine ich nicht nur das Spielmaterial, sondern eben auch die Bilder im Regelwerk und im Appendix.

Great Western Trail Second Edition - Inlay

Doch es gibt nicht nur Postives zu berichten. Man hat Great Western Trail ein entsprechendes Inlay spendiert. So gesehen eine tolle Entscheidung, aber ein Inlay muss auch durchdacht sein. Einmal das Spiel hochkant gelagert und viele Teile fallen aus ihren dafür vorgesehenen Plätzen. Oder die Playerboards, die nun Dual-Layer-Boards sind. Das ist toll und praktisch zu den flachen Tableaus der ersten Version! Aber spiele ich zu zweit oder dritt, muss ich auf die Tableaus trotzdem noch ein entsprechendes Plättchen legen, da sich hier im Spielablauf etwas ändert. Aber es liegt eben obendrauf und hat auch keine Vertiefung. Dass das besser geht, wird in anderen Brettspielen schon unter Beweis gestellt.

Die romantische Darstellung des Wilden Westens

Die letzte Änderung ist der Handel mit den Indianern. Diesen gibt es nicht mehr. Aus den Indianern sind inzwischen Banditen geworden und ich bekomme immer eine Belohnung, wenn ich diese Aktion ausführe. Gerade die Aktion „Treibe Handel mit den Indianern“ fand ich in der ersten Version schon nicht gut gewählt. Zum einen aus historischen Gründen, denn einen wirklich gleichberechtigten Handel mit den amerikanischen Ureinwohnern gab es eben nicht im Wilden Westen. Zum anderen fühlte es sich auch spielerisch nicht so rund an. Mit der überarbeiteten Version, wo es eben darum geht, Banditen zu stellen, um das Kopfgeld zu kassieren, ergibt es auch spielerisch mehr Sinn, als mit den Ureinwohnern Handel zu treiben.

Auch die Arbeiter sind nun inkludierter und statt nur weißen, männlichen Arbeitern gibt es nun auch Frauen und People of Color, welche ich anstellen kann.

Great Western Trail Second Edition - Arbeitsmarkt

Ob diese kleinen Anpassungen einem jetzt reichen, der schon ein Great Western Trail sein Eigen nennt, um sich die zweite Edition zu kaufen, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Für alle, die kein Great Western Trail haben, stellt sich diese Frage ja erst gar nicht.

Leider hat hier aus meiner Sicht der Verlag den leichten Weg gewählt. Schnell ein paar Grafiken ausgetauscht und nicht großartig auf die Probleme eingehen, die eben in dieser Zeit geherrscht haben. Zum Beispiel war die Einführung von Stacheldraht, nicht so dolle gewesenen. Einen historischen Abriss hätte ich im Regelwerk oder im Appendix gerne gesehen.

Warten auf noch mehr Great Western Trail

Doch damit ist es bislang nicht vorbei. Immerhin sind noch zwei weitere Brettspiele aus der Great Western Trail – Reihe erschienen. Wie Great Western Trail Argentinien in die Reihe eingliedert und welche Unterschiede es zum »Standard« Great Western Trail gibt, werdet ihr in einem entsprechenden Artikel auf unserem Blog erfahren.

Tja und Ende 2023 kam dann mit Great Western Trail – Neuseeland der letzte Ableger in den Handel. Und ja, Neuseeland ist jetzt nicht bekannt für seine Rinder, sondern eher für seine Schafe und so gibt es hier schon die Gewissheit, dass wir stattdessen eben Schafe durch die Gegend treiben.

Und ihr ahnt es schon ich habe immer noch mein Herden-Deck, welches ich mit der Zeit ausbauen möchte. Ich werde immer noch unterwegs über die verschiedenen Orte stolpern werde, um dort die entsprechenden Aktionen ausführen zu können. Aber es werden eben die Kleinigkeiten sein, die das Spiel doch ein wenig anders machen werden.

Ob diese Änderungen in Great Western Trail Argentinien oder Great Western Trail – Neuseeland deutlich stärker ausfallen, als bei der Second Edition, wird die Zukunft zeigen bzw. zukünftige Reviews zeigen.


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Great Western Trail ist auf Deutsch beim Asmodee erschienen.

Great Western Trail (Second Edition) (2021)
Spieler:
1 - 4
Dauer:
75 - 150 Min
Alter:
12+
BGG Rating:
8.43
Verlag:
eggertspiele, Asmodee
BGG:

Für die Review stand uns ein selbst erworbenes Exemplar zur Verfügung.

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