„Der Flug von New York nach Hong Kong war stressig, aber es ist unsere letzte Chance noch Herr der Lage zu werden. Wer hätte auch ahnen können, dass gerade in Südostasien noch einmal ein Ausbruch der Seuche stattfindet. Dabei waren wir froh, dass wir wenigstens in diesem Gebiet alles unter Kontrolle hatten. Manchmal scheint es so, als ob die Viren über eine übernatürliche Intelligenz verfügen und unsere nächsten Schritte vorausahnen können. Oder schlimmer noch: Sie wissen über unsere Schwächen Bescheid. Jetzt, hier in Hong Kong müssen wir zu radikaleren Mitteln greifen und mit Impfstoffen agieren, die eigentlich noch im Versuchsstadium sind. Uns bleibt keine Wahl! Verlieren wir Südostasien, verlieren wir den ganzen Kampf. Die Welt wird in den Abgrund stürzen. Doch wir werden nicht scheitern!“ – Gefunden 52 Jahre nach der großen Seuche, abgespeichert in den Archiven unter dem Registereintrag Pandemic Legacy
Pandemic Legacy – Ein Spiel, das sich verändert
Als Pandemic Legacy auf den Markt kam, war der Aufschrei unter den Spielern groß. Ein Spiel, in dem ihr das Spiel aktiv verändert und das ihr nur zwischen 12 und 24mal spielen könnt, je nachdem wie der Spielverlauf sich entwickelt. Entscheidungen, die ihr in einer Partie trefft, werden mit in die nächste Partie genommen und schlimmer noch: Ihr müsst dazu Material zerstören oder manipulieren. Ein Albtraum für jeden Sammler, denn das eigentliche Spiel ist nach dem Durchspielen eigentlich unbrauchbar. Wobei ihr zumindest bei Season 1 nach dem Spielen immer noch ein vollwertiges Pandemic habt. Klar, Aufkleber sind auf dem Spielbrett vorhanden, aber die lassen sich mit Hilfe eines Föns auch ganz schnell entfernen. Wenn ihr das denn wolltet. Und deswegen solltest ihr auch nicht jede Karte bei Season 1 zerstören, auch wenn es euch gesagt wird.
Anders sieht das allerdings bei Pandemic Legacy Season 2 aus. Wenn ihr hier durch seid, ist wirklich Schluss. Ihr könntet zwar immer noch spielen, aber es macht wenig Sinn, denn eigentlich wiederholt ihr nur die letzte Partie. Selbst das Design des zweiten Teils ist so ausgelegt, dass ihr das Spiel nicht mehr resetten könnt, um es in den Ursprungszustand zu bringen. Dies war bei dem ersten Teil mit etwas Aufwand durchaus möglich. Beim zweiten Teil wird es einem nicht mehr so einfach gemacht. Ich will nicht sagen, dass es unmöglich ist, aber die Arbeit, die ihr reinstecken müsstet, wäre schon immens.
Ein Spiel mit Laufzeit
Doch für wen sind Spiele die nur einmal gespielt werden können? Für jeden, der ein Spiel wenigstens 12mal spielt. Denn das ist die minimale Anzahl an Partien, die ihr bei beiden Teilen braucht, um das komplette Erlebnis zu haben. Wobei ich glaube, dass dies ein rein mathematischer Wert ist. Wirklich vorstellen kann ich mir es nicht. Dazu müsstet ihr schon verdammt viel Glück beim Kartenziehen haben. Das andere Extrem ist, dass ihr maximal 24 Partien habt. Auch hier ist es nur ein theoretischer Wert, denn je schlechter ihr werdet, desto mehr Hilfskarten (Ereignisse) habt ihr zur Verfügung. Aus den Spielberichten im Internet kann man schließen, dass ein guter Mittelwert so um die 16 Partien liegt.
Das bedeutet, ihr hättet 16mal ein Spiel gespielt. Und wenn ich auf meine Brettspielsammlung schaue, dann hab ich nur ganz wenige Spiele 16mal gespielt. Ziehe ich von dieser Liste Spiele mit Kampagne oder schnelle Würfel-, Kartenspiele ab, bleibt nur noch eine Handvoll an Brettspielen übrig. Und ganz ehrlich, als wir mit Pandemic Legacy durch waren, waren wir auch froh, es endlich geschafft zu haben und der Pandemic Hunger war dann erst einmal wieder für ein paar Monate gestillt.
Die Story treibt das Spiel
Egal wie ich es drehe und wende, im Kern ist Pandemic Legacy eben auch nur ein Pandemic. Die Welt wird infiziert und ihr versucht euer Bestes, die Infektionen einzudämmen und ein Heilmittel zu finden. So jedenfalls der Stand, wenn es um Season 1 geht. In Season 2 ändert sich das Spielprinzip ein wenig. Die vielen bunten Krankheiten-Würfel sind verschwunden. Nur noch graue Versorgungswürfel und grüne Seuchenwürfel sind geblieben. Aber das Grundprinzip ist das Gleiche. Statt Würfel hinzuzufügen, wenn ihr eine Stadt infiziert, nehmt ihr nun Versorgungswürfel weg. Hat die Stadt keine Versorgungswürfel, plaziert ihr einen Seuchenwürfel. Habt ihr zu viele Seuchenwürfel auf dem Brett, geht die Welt den Bach runter. Gehen euch die Karten aus, habt ihr, wie auch schon im ersten Teil, ebenfalls verloren. Unterm Strich: Es gibt viele Wege zu verlieren, aber meistens nur einen, um zu gewinnen.
Die Motivation zum Weiterspielen kommt bei beiden Spielen ist die Story. Diese treibt euch von Monat zu Monat. Wie bei einer guten Fernsehserie wollt ihr wissen, was in der nächsten Episode passiert und so bleibt es häufig nicht nur bei einer Partie Pandemic Legacy. Dass die Storys dabei grundverschiedenen sind, steht außer Frage. Es würde ja keinen Sinn machen, die exakt gleiche Geschichte noch ein weiteres Mal zu erzählen.
Gute und schlechte Geschichten
Tja, und hier wird es sehr subjektiv. Nachdem beide Geschichten erlebt wurden, kamen wir in unserer Gruppe zu dem nüchternen Ergebnis: Neu ist nicht immer besser. Insgesamt hatte uns die Geschichte aus dem ersten Teil einfach mehr gefesselt. Es gab mehr Wendungen, als das im zweiten Teil der Fall war. Im zweiten Teil war die Story schon fast klar und die Überraschungen waren nicht mehr so überraschend. Da hätten die Autoren mehr rausholen können. Aber vielleicht haben sie auch tiefer gestapelt, um dann mit dem Abschluß in Season 3 noch einmal richtig auftrumpfen zu können?
Natürlich ist es vollkommen egal in welcher Reihenfolge ihr die Spiele spielt. Um Pandemic Legacy Season 2 zu spielen, braucht ihr vorher nicht Season 1 gespielt zu haben. Aber es empfiehlt sich, auch wenn der Übergang von Teil eins zu Teil zwei nicht ganz logisch ist, macht das Wissen um die Geschehnisse in Teil eins einige Erklärungen in der Story des zweiten Teils einfacher.
Geschichten die ihr nicht in Pandemic Legacy findet
Die wahre Geschichte findet natürlich außerhalb des Spielbrettes statt. Und das macht Season 2 besser als Season 1. Habt ihr euch im ersten Teil nur einen vorgefertigten Charakteren ausgesucht, geht ihr im zweiten Teil einen Schritt weiter. Hier baut ihr euch euren Charakter von Anfang an zusammen. Als erstes wählt ihr ein Charakter-Tableau. Dann wählt ihr eure Berufung, sucht euch aus den möglichen Charakter-Illustrationen noch ein Bild aus, das euch gefällt, den Namen noch drauf und schon seid ihr wer. Das schafft in meinen Augen eine stärkere emotionale Bindung, als es beim ersten Teil noch der Fall war.
Gerade auch wegen dem Charakter-Tableau, baut ihr hier Emotionen auf, denn hier gibt es einen neuen Clou. Am untereren Ende befinden sich sieben Felder, die ihr aufrubbeln könnt. Nun müsst ihr jedes Mal rubbeln, wenn ihr bedroht seid. Das passiert Gott sei Dank nicht so häufig. Es passiert entweder nichts oder euer Charakter bekommt eine Narbe. Im schlimmsten Fall kann es aber auch passieren, dass der Charakter stirbt. Im ersten Teil konntet ihr noch ohne Probleme eine Narbe vertragen, gestorben ist man hier erst, wenn man die zweite Narbe bekommen hat. Das erzeugt natürlich Nervenkitzel und ihr geht nicht mehr ganz so unbesonnen durch die Welt von Teil 2, wie es vielleicht noch im ersten Teil der Fall war.
Und so entsteht auch genau hier die wahre Geschichte in Pandemic Legacy. Es sind eben die besonderen Situationen, die euren Charakteren widerfahren. Diese Situationen bleiben einem noch lange im Gedächtnis, während die eigentliche Hauptgeschichte schon am Verblassen ist. Das Opfer welches mein Charakter gebracht hat, um die Welt zu retten, wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Oder unser glorreicher Anführer, der sich mutig der Seuche in den Weg stellte, um uns in eine bessere Ausgangssituation zu bringen. Oder eine Mitspielerin die partout nicht nach Chicago wollte, weil sie Angst um ihren Charakter hatte, auch wenn sie nie in Gefahr schwebte, ist daraus eine sehr emotionale Diskussion entstanden.
Ein emotionales Erlebnis
Egal ob ihr ständig gewinnt oder ständig verliert, wenn ihr Pandemic Legacy gespielt habt, könnt ihr danach etwas erzählen. Leider könnt ihr aber nicht mit Jedem reden. Denn die Gefahr unbewusst zu spoilern ist groß. Also sprecht ihr am Besten mit Leuten, die das Spiel selbst schon gespielt haben. Und der Redebedarf ist groß. Man will sich vergleichen, schauen, wie andere das Problem gelöst haben oder welche Regeln man übersehen hat.
Die Krux mit den Regeln
Egal ob Pandemic Legacy Season 1 oder Pandemic Legacy Season 2, der Einstieg ist bei beiden Spielen nicht schwierig. Mit einer überschaubaren Anzahl von möglichen Aktionen versucht ihr, der Bedrohung Herr zu werden. Doch mit dem Fortlaufen der Geschichte kommen auch neue Regeln dazu. Das ist erst einmal unproblematisch, weil in den meisten Fällen immer nur eine Regel dazukommt. Das Problem ist jedoch: Wenn ihr eine längere Pause vom Spiel macht, dann braucht es wieder einige Zeit, bis ihr mit den einzelnen Aktionen und Regeln wieder vertraut seid. Doch irgendwann ist in beiden Spielen der Punkt erreicht, an dem es einfach zu viel an Aktionen und Regeln wird. Man verliert die Übersicht und vergisst, nicht so häufig benutzte Aktionen. Dabei ist es nicht gerade hilfreich, dass neue Aktionen auf beidseitig beklebte Karten kommen. Das hilft nicht dabei, die Übersicht zu behalten.
Auch sind einige Regeln nicht ganz eindeutig formuliert. Dieses Problem hat man aber auch schon erkannt und neuere Auflagen profitieren von diesem Wissen. Und auch der Charakter eines Legacys-Spiels trägt ja nun einmal dazu bei, dass jede Gruppe eine unterschiedliche Herangehensweise hat. Dies führt dann doch einmal zu Verständnisproblemen. Hier solltet ihr euch aber nicht abschrecken lassen. Spielt einfach so, wie ihr es für richtig erachtet. Bei uns kam auch zu solchen Regeldiskussionen und wir haben dann für uns entschieden, wie wir damit umgehen wollen. Auch wenn wir im Nachhinein festgestellt haben, dass wir einige Sachen vielleicht falsch interpretiert haben. Aber dies sorgte dafür, dass uns Pandemic Legacy in Erinnerung bleibt.
Pandemic Legacy ist nicht einfach
Schon das normale Pandemic kennt viele Wege zum Scheitern und die Legacy Varianten machen euch das Leben nicht unbedingt einfacher. Im Gegenteil: Je besser ihr eine Partie abschließt, desto schwerer macht man euch die nächste Partie. Das wird über die Anzahl der Ereigniskarten geregelt. Allerdings ist dieser Mechanismus nicht unbedingt logisch aufgebaut. Ihr habt erfolgreich die Seuche bekämpft und ihr werdet bestraft, indem man euch die Mittel streicht? Und wenn ihr einfach nur Pech habt, gibt es auch nur ein Maximum an Karten, die man euch zugesteht. Das kann natürlich sehr frustierend sein.
Apropos frustrierend: Im direkten Vergleich sind wir für unsere Gruppe zum dem Entschluss gekommen, dass Pandemic Legacy Season 2 frustierender war, als Season 1. Natürlich ist das ein vollkommenes subjektives Gefühl und kann je nach Spielgruppe bei euch anders sein, weil sich nun einmal keine Partie gleicht. Bei uns war es harte Arbeit, Season 2 zu spielen. Dazu kamen noch die recht monotonen Monate in denen wir immer wieder die gleichen Aufgaben erledigen mussten.
Dafür gibt es in Season 2 wiederum mehr zu entdecken, denn die Welt in Season 1 ist ja schon bekannt, aber in Season 2 müssen wir sie erst erkunden. Das kann allerdings auch frustierend sein, denn hat man Season 1 gespielt, weiß man ja, welche Landstriche noch kommen müssten und so kann sich das Warten auf die Erkundung eben jener zu einer strapazierenden Geduldsprobe entwickeln.
Die Welt retten !?
Haben wir am Ende nun die Welt gerettet? Ja, das haben wir sowohl in Season 1 als auch in Season 2 geschafft, aber das Gefühl am Spielende war ein komplett anderes. Während wir uns in Pandemic Legacy Season 1 durch den aufbauenden und helfenden Charakter wirklich wie wahre Helden vorkamen, war der Sieg in Season 2 eher einer mit bitterem Beigeschmack. Nach 16 Partien fühlten wir uns nicht so als ob wir viele Städte gerettet hätten. Wir mussten Städte opfern, damit die anderen überleben konnten. Der Mangel war ein vorherrschendes Thema während fast aller Partien. Das war nicht gerade erbaulich und ließ uns eher mit gemischten Gefühlen zurück.
Nun ist das natürlich ein Meckern auf hohem Niveau und man sollte es immer in Relation zwischen Season 1 und Season 2 sehen. Beides sind hervorragende Spiele, aber Pandemic Legacy Season 1 ist halt einen Tick besser. Sei es wegen den neuen Mechanismen und Wendungen die passieren oder auch wegen der besseren Geschichte. Andererseits muss ich Season 2 zu Gute halten, dass das Erschaffen der Charaktere und die Ungewissheit bei einer Verletzung, hier eine größere emotionale Bindung schaffen.
Wobei Season 1 aber klar im Vorteil ist, sind die Beschichtungen der Rubbelfelder. Während die silberne Folie in Season eins recht gut entfernbar und entsorgbar! war, ist das Zeug in Pandemic Legacy Season 2 einfach nur nervig. Nachdem man es weggerubbelt hat, klebt das Zeug überall. Wir waren sogar schon zu der Überlegung gelangt, ob wir uns nicht noch einen Tischstaubsauger zulegen sollen. Aber das war uns dann doch zuviel des Guten. Allerdings schwirrt das Zeug immer noch in der Schachtel rum und jedes Mal wenn ich die Schachtel öffne, verteilen sich kleine Rubbelreste in der Wohnung.
Pandemic Legacy Season 3 kann kommen
Wir haben die Anschaffung nie bereut und auch wenn knapp 125 Euro für zwei Spiele nach viel klingen, hat sich die Anschaffung für uns gelohnt. Den Kaufpreis haben wir einfach geteilt und schon ist die Belastung für den Einzelnen nicht so hoch. Und zusammengezählte 33 Partien! führten eben auch dazu, dass wir eine fantastische und erinnerungswürdige Zeit mit unseren Freunden hatten. So ist es nicht verwunderlich, dass wir es kaum erwarten können, bis Season 3 in den Handel kommt. Wenn Asmodee den gleichen Abstand wählt, wie zwischen Season 1 und Season 2, so sollte die nächste und – laut Aussage der Designer der Abschluss der Pandemic Legacy Saga – zur SPIEL 19 ihr Debüt feiern. Nun ist die SPIEL 19 allerdings schon vorbei und noch gibt es keine Informationen zu einer Veröffentlichung von Pandemic Legacy Season 3.
Allerdings freuen sich nicht alle in unserer Gruppe auf das Erscheinen des Spieles. Meine Frau ist kein Fan von Pandemic und opferte sich für die Gruppe, damit wir unseren Spaß haben konnten. Wobei ich glaube, ein kleines bisschen Spaß hat sie unterm Strich doch gehabt. Das zeigt aber auch die Einschränkung, die ich sehe. Wenn ihr sowieso kein Pandemic mögt oder ihr Season 1 schon gespielt habt und nicht wirklich Spaß daran hattet, weil es zu frustrierend war oder euch das Setting nicht zusagte, solltet ihr lieber die Finger von den Spielen lassen. Gerade weil der Glücksfaktor teilweise sehr hoch und dadurch unfair sein kann.
Euer Rating zu Pandemic Legacy
Wenn ihr Lust habt, könnt ihr auch gerne noch einmal in unseren Comedy Podcast hinein hören und euch ein Bild davon machen, wie schwer die Arbeit eines Einsatzteams ist.
Erschienen sind Pandemic Legacy Season 1 und Season 2 bei Asmodee.