Die Station am Rande der Hadal-Zone sollte uns eigentlich vertraut sein. Dumm nur, dass wir uns hier eigentlich kaum auskennen und nur die Körper der Forscher, Soldaten und Abenteurer hier „geliehen“ haben. Wo sollen wir nur ein U-Boot herbekommen? Ach, da hinten vielleicht? Schauen wir uns das doch mal an…
Wir sind bereits alte Hasen und haben alle bisherigen Abenteuer von T.I.M.E Stories gespielt. Wir hatten gute Zeiten, aber auch schlechte Zeiten. Mit Das Hadal-Projekt ist nun das erste reguläre Abenteuer von TIME Stories – Revolution erhältlich und kam bei uns natürlich sofort auf den Tisch. Der blaue Zyklus von TIME Stories – Revolution will einiges besser machen, als sein weißer Vorgänger. Zum Beispiel werden die Punkte zwischen den Buchstaben von TIME nun weggelassen. Gut so, denn das hat das Tippen immer ein wenig mühsam gemacht.
Die Vergangenheit ruhen lassen
Am weißen Zyklus wurde häufig bemängelt, dass sich so viel wiederholt. In jedem Durchlauf, in dem wir andere Entscheidungen treffen möchten, einen anderen Weg ausprobieren, ist auch immer ein gutes Stück Weg dabei gewesen, den die Gruppe bereits erkundet hatte. Gerade gegen Ende, wenn man eigentlich schon wusste, was man tun will, war es nur ein Abarbeiten der einzelnen Stationen. Uns persönlich hat das in den seltensten Fällen wirklich gestört. Es gehörte irgendwie zu unserem Leben als Agent der T.I.M.E Agency dazu.
Wir liebten auch den Meta-Plot, der in den verschiedenen Abenteuern immer mit geschwungen ist. Uns haben die Story-Fetzen gefallen, die uns anfangs online noch zugeworfen wurden. Jedes bisschen optionale Information wurde von uns aufgesaugt. Und so waren wir auch vom Ende des weißen Zyklus enttäuscht, als hier nichts davon aufgelöst wurde.
Aber das ist nun alles Vergangenheit. Unsere Gruppe hat sich auf das besonnen, was uns an T.I.M.E Stories schon immer fasziniert hat und alle Hoffnung auf den blauen Zyklus gesetzt. Mit Damien, dem Promo-Fall, konnten wir bereits ein wenig Erfahrung mit den neuen Mechaniken sammeln, so dass wir recht regelfest Das Hadal-Projekt in Angriff nehmen konnten.
Ohne Spielbrett und ohne Würfel
Viel geändert hat sich erst einmal nicht. Es gibt kein Spielbrett mehr, und keine Würfel. Dafür ein paar Token, die wir uns nicht anschauen dürfen, ein paar blaue Plastik-Kristalle, die das geheimnisvolle Azrak darstellen und natürlich Karten. Die gibt es in zwei Größen, denn neben dem eigentlichen Story-Karten-Stapel haben wir nun auch persönliche Karten für jeden Charakter, die durch Interaktionen ausgelöst werden können und den Ersatz des Würfels in Form eines Schicksals-Decks, das ähnlich funktioniert wie in Gloomhaven.
In Das Hadal-Projekt begeben wir uns in das Jahr 2099 N.Z. und wie früher wählt jeder Spieler sich zu Beginn des Abenteuers einen Charakter aus, mit dem er die Partie bestreiten möchte. Wir gehen bei der Auswahl meistens nur nach den Illustrationen, ohne die Rückseite mit der Hintergrundgeschichte und den Werten zu kennen. Neu ist, dass jeder Charakter ein Ziel hat, für dessen Erreichen während des Spiels er eine Belohnung erhält. Diese Ziele sind geheim und sorgen dafür, dass man manchmal nicht so nachvollziehbare Entscheidungen trifft, was es noch mal ein Stück spannender macht.
Gemeinsam tauchten wir also in dieses neue Abenteuer ein, in dem wir uns zunächst in einer Unterwasser-Station befinden. Wie gehabt erkunden wir Ort für Ort, und legen Panorama-Karten aus. Jeder entscheidet, welche der Karten er erkunden möchte. Neu ist, dass jeder Agent einen persönlichen Vorrat an Azrak-Kristallen hat, die er jetzt z.B. für das Erkunden einer Karte ausgeben kann.
Was machen eigentlich diese blauen Kristalle?
Die blauen Kristalle sind der Ersatz für die Zeitleiste. Sie werden auch bei jedem Wechsel des Zeitcaptains ausgegeben und sind essenziell für Aktionen. Vor allem beim Bestreiten von Proben rannen uns diese schneller durch die Finger als Wasser und Jan war ein wahrer Meister darin, plötzlich ganz ohne dazustehen.
Derjenige, der die Probe durchführt, gibt einen Kristall aus seinem Vorrat aus, damit er seinen Wert vom Charakterblatt nutzen kann. Will er z.B. eine Wand erklimmen und dafür ist Geschicklichkeit vonnöten, dann kann er seinen aufgedruckten Wert von 3 beisteuern. Auf der Karte aus dem Panorama ist ein Zielwert angegeben und Belohnungen dafür, wenn dieser Zielwert genau getroffen wird (kritischer Erfolg), wenn er übertroffen wird und dafür, wenn er nicht erreicht wird. Diese Belohnungen können gleich sein oder sich unterscheiden. Vorher weiß man aber auch nie, was einen hinter den Zahlen der Karten, die man als Belohnung meist bekommt, erwartet. Wer sich gerade bereithält, also keine Karte erkundet, kann bei einer Probe helfen. Das ist oft nötig und kostet natürlich auch Kristalle. Zusätzlich kann man auch Azrak ausgeben, um seinen Wert zu erhöhen.
Entscheidend ist, wer du bist
Im blauen Zyklus ist nun auch entscheidender, welcher Charakter welche Karte eines Panoramas erkundet. Wenn eine Ortskarte mit einer Person erkundet wird, sollte man sich diese vorher gut anschauen, denn es kann Vorteile haben, wenn die richtige Person aus unserem Team mit ihr redet. Das wird durch das persönliche Kartendeck geregelt, denn aus diesem muss dann eine bestimmte Karte gelesen werden und dann kommt es zum Teil auf Vorlieben und Abneigungen des Gesprächspartners an, wie der- oder diejenige dann reagiert. Das hat mir persönlich sehr gut gefallen, denn so kann man in der Story eher darauf eingehen, dass wir ja eigentlich immer noch in die Körper von Personen geschlüpft sind, die man hier kennt. Es hat auch dafür gesorgt, dass wir uns die Karten vorher genauer angesehen haben, denn das Azrak ist knapp und der Wechsel zwischen den Karten kostet eben. Da wäre es schon besser, wenn wir gleich irgendwie richtig stehen.
Bis hierhin schon mal ganz gut
Überhaupt haben mich einige der Veränderungen positiv überrascht. Das Kartendeck, von dem noch mal eine Karte aufgedeckt wird, um unser Ergebnis zu modifizieren, hat in meinen Augen durchaus seine Vorzüge. So wird es zum Beispiel nicht automatisch neu gemischt und uns ist bekannt, welche Karten sich darin befinden. Wenn wir also am Anfang Pech hatten und immer Mali bekommen haben, dann wissen wir mit Bestimmtheit, dass die guten Karten noch kommen. Meine Mitspieler sehen das durchaus anders. Mit dem alten System konnte man eine Probe immer mal einfach wagen und auf sein Würfelglück vertrauen. Das jetzige System ist berechenbarer, das kann man dann eben mögen oder auch nicht. Mir jedenfalls gefällt es in der Kombination mit den Werten, die man bei einer Probe treffen möchte, sehr gut. Es ist eben mehr als nur so hoch wie möglich zu kommen.
Erlebt die Geschichte
Aber wie hat uns denn nun die eigentliche Geschichte gefallen? Zunächst einmal muss man festhalten, dass es im blauen Zyklus von TIME Stories total egal ist, in welcher Reihenfolge man die einzelnen Boxen spielt. Jedes Abenteuer steht für sich und der (für manche lästige) Metaplot wurde in die Experience-Box verbannt. Das hat zur Folge, dass man sich genau die Boxen rauspicken kann, deren Thema einen besonders interessiert und den Rest einfach weglassen kann. Machen wir natürlich nicht, denn als Fans spielen wir natürlich alle Boxen und die Experience-Box nutzen wir sowieso. Das hab ich für meine Gruppe jetzt einfach mal so beschlossen. Die machen da schon mit.
Das Hadal-Projekt hat mir persönlich wesentlich besser gefallen, als der Promo-Fall Damien. Da hatte ich schon die Befürchtung, dass das in eine ganz falsche Richtung laufen würde. Alles war ein wenig undurchsichtig, die Struktur hatte gefehlt, die die Wiederholungen im weißen Zyklus uns Spielern gegeben hatten. Auch die Charaktere waren noch nicht so schön mit der Story verwoben und unsere geheimen Karten haben sich gefühlt nicht voneinander unterschieden. Das war nichts Halbes und nichts Ganzes. Noch dazu hörte die Story mittendrin einfach auf, als es dann doch spannend wurde.
Das ist beim Hadal-Projekt nicht der Fall. Die Geschichte ist abwechslungsreich und man muss gut miteinander kommunizieren und aufpassen, damit man nichts verpasst. So gibt es durchaus einige Zusammenhänge zu entdecken, die uns beim Spielen zunächst entgangen sind. Das führte dann dazu, dass wir an einer Stelle recht spät im Abenteuer nicht mehr so recht weiterwussten. Ich möchte hier nicht verschweigen, dass sich das schon recht frustig angefühlt hat. Nach einigem hin und her konnten wir dann aber unseren Fehler finden und dann ging es auch weiter und wir konnten das Abenteuer zu einem für uns befriedigenden Abschluss bringen. Wie man hier rauslesen kann, war es dann doch nicht so leicht, wie zunächst gedacht. Die Box fordert die Spieler.
Kristall-Manager gesucht
Sie fordert uns auch dahin gehend, dass das Azrak-Management als zusätzlicher Faktor hinzukommt. Wir müssen nicht nur unser eigenes Azrak im Auge behalten, sondern auch das der Mitspieler. Im Idealfall verbrauchen wir ungefähr gleichmäßig unsere Kristalle. Beim Ortswechsel kann der Zeitcaptain dann ein sogenanntes Standard-Update ausführen. Ein Azrak wird aus dem Vorrat genommen und auf die Missions-Rückkehr-Karte gelegt. Es steht uns damit regulär nicht mehr zur Verfügung und gleichzeitig zeigen die Anzahl der Kristalle auf der Karte an, wie gut wir uns geschlagen haben. Es gibt eben keine „Durchläufe“ wie im weißen Zyklus, sondern man zählt über die Anzahl an Updates, wie viel Zeit verbraucht wurde. Das übrige Azrak, was ausgegeben wurde, wird dann möglichst gerecht unter den Charakteren neu aufgeteilt.
Etwas kniffliger ist es, wenn einer in der Gruppe (wir wollen hier keine Namen nennen), das Azrak raushaut, als gäbe es kein Morgen. Dann darf der nämlich so lange auf die stille Treppe, bis der Ort gewechselt wird und es muss zwingend ein Standard-Update gemacht werden. Das ist zwar doof, aber ist wohlgemerkt der beste Fall. Im ungünstigen Fall, dass die Gruppe den Charakter dieses Spielers, nennen wir ihn mal Jan, unbedingt an diesem Ort braucht, wird dann nämlich ein Notfall-Update nötig. Er legt sein letztes Azrak auf die Missions-Rückkehr-Karte und darf seinen eigenen Vorrat wieder auffüllen. Der Rest geht leer aus. Damit steht uns natürlich viel schneller immer weniger Azrak zum Verteilen zur Verfügung und unsere Bewertung wird auch immer schlechter. Die TIME Agency macht ja generell nichts lieber, als Agenten zu bewerten.
Lebendig und mit eigenem Charakter
Ich habe Das Hadal-Projekt genossen. Das Setting, die Story und auch die Twists in der Geschichte haben mich total abgeholt. Und auch die Änderungen, die unsere gewählten Charaktere in den Mittelpunkt stellen und es schaffen, dass diese mehr sind, als die bloßen Werte auf den Karten, gefallen mir sehr. So machen Mitspieler plötzlich Dinge, die so für die Gruppe keinen Sinn ergeben. Man wundert sich und muss damit leben, dass die ein oder andere Entscheidung eben nicht von einem selbst mitgetragen wird. Das stört aber nicht so sehr, dass das Gesamterlebnis dadurch getrübt würde. Im Gegenteil, bringt das noch mal Abwechslung mit rein und einige kleine Überraschungen, welche die Story eben noch ein wenig mehr ausschmücken und lebendig machen.
Überhaupt hat sich Das Hadal-Projekt für mich lebendig angefühlt. Die Welt war lebendig, die Charaktere und die Partie hat dafür gesorgt, dass ich mich auf weitere Boxen freue. Was ich aber den ewigen Skeptikern zugestehen muss: Die erste Box aus dem blauen Zyklus kann mit dem Erlebnis, das allererste Mal T.I.M.E Stories gespielt zu haben, einfach nicht mithalten. Im weißen Zyklus, der uns so lange begleitet hat, gab es natürlich viel mehr Momente, die uns mitgerissen haben und die in Erinnerung bleiben. Aber der blaue Zyklus hat ja gerade erst begonnen und ich persönlich bin froh darüber, dass es noch viel zu entdecken geben wird.
Euer Rating zu TIME Stories Revolution: Das Hadal Projekt
TIME Stories Revolution: Das Hadal Projekt ist auf Deutsch bei Asmodee erschienen.
Für die Review stand uns ein kostenloses Rezensionsexemplar von Asmodee zur Verfügung.