Irgendwie kommt mir das alles bekannt vor. Die Fahrt auf dem Ganges ist zwar neu für mich, aber ich kann das Gefühl nicht abschütteln, dass ich das alles schon einmal erlebt habe. Und so fahre ich den Ganges weiter hinab und schaue mir die Ufer des Flusses an. Dort in der Ferne, mitten im Dschungel, erhebt sich der majestätische Palast eines Rajas. Weiter flussabwärts sieht man eine farbenfrohe Prozession und nicht weit davon kann man das turbulente Treiben auf dem Markt nur erahnen. Seide, Gewürze und Tee sind nicht die einzigen Waren, die dort gehandelt werden. Irgendwann muss ich mir die Zeit nehmen, in dieses bunte Treiben einzutauchen. Doch im Moment habe ich keine Zeit dafür, denn diese Reise nach Indien ist nur ein kurzer Besuch auf meinem Weg.
Es scheint schon fast eine kleine Gesetzmäßigkeit in der Brettspiel-Welt zu sein. Jedes erfolgreiche Brettspiel bekommt irgendwann einen Roll-And-Write Ableger. Manchmal passiert das auch umgekehrt. Es schien also nur eine Frage der Zeit, bis das beliebte Brettspiel Rajas of the Ganges auch einen Ableger spendiert bekommen sollte. Nun ist dieser Ableger da und mit Rajas of the Ganges – The Dice Charmers wird der große Spielplan durch kleine Schreibblöcke ersetzt und die Vielzahl der Würfel aus Rajas of the Ganges wird ersetzt durch die überschaubare Anzahl von acht Würfeln. Ob das nun kleinere Spiel sich dabei gut schlägt, könnt ihr in unserer Review zum Spiel lesen.
Viel Spaß beim Lesen!
Es darf gewürfelt werden
Ich muss natürlich gleich am Anfang erwähnen, dass ich absolut befangen bin, was das Brettspiel Rajas of the Ganges angeht. Ich habe schon unzählige Partien gespielt und werde auch noch in Zukunft weitere Partien spielen. Das Spiel ist einfach eines meiner Lieblingsspiele. Nun bekam also mein Dauerbrenner einen Nachfolger bzw. einen Ableger und dieser Ableger sollte auch noch ein Roll-And-Write werden.
Ganz klar, das Spiel brauchte ich. Denn so wurden gleich zwei Leidenschaften von mir in einem Spiel vereinigt. Und das setzte für mich natürlich auch die Messlatte sehr hoch. Roll-And-Writes gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und es braucht schon einen sehr guten Aufhänger, um in der Masse herauszustechen. Und das spielerische Erbe von Rajas of the Ganges ist auch nicht zu verachten.
Doch Rajas of the Ganges – The Dice Charmers begeisterte mich gleich von der ersten Partie an. Das kleine Würfelspiel fing die Essenz perfekt ein. Dabei integrieren Inka und Markus Brand, auch die Autoren des eigentlichen Rajas of the Ganges, neuere Roll-And-Write Mechanismen geschickt in das Spiel. Und genau dies macht das Spiel für mich so rund. In jeder Partie gibt es genug Glücksanteile durch die Würfel, dass man nicht immer sein gleiches Muster durchziehen kann. Weiterhin sorgt der Glücksanteil auch dafür, dass man in jeder Partie neue Kombinationen entdecken kann, ähnlich wie dies schon bei Ganz schön clever der Fall war.
Unterm Strich ist Rajas of the Ganges – The Dice Charmers für mich eines der besten Roll-And-Writes der letzten Jahre.
Der Kniff mit den Würfeln
Würfel gab es schon immer in Rajas of the Ganges, doch während sie im großen Brettspiel als Währung dienten, nutze ich sie in Rajas of the Ganges – The Dice Charmers als Aktionen. Im Grunde unterscheidet sich der Ablauf des Spieles nicht großartig von anderen Roll-And-Writes. Der aktive Spieler am Tisch würfelt alle Würfel und sucht sich dann eine von vier Farben raus. Dabei sind jeder Farbe zwei Würfel zugeordnet. Nach dem Auswählen der Farbe nutzt der aktive Spieler nun die Aktion eines der beiden Würfel und legt den anderen zu Seite. Die anderen Spieler können nun reihum einen der nicht gewählten Würfel auswählen, um damit ihre Aktionen durchzuführen.
Dabei lehnen sich die Aktionen an das Rajas Brettspiel an. Ich kann mein kleines Boot auf dem Ganges entlangziehen. Oder ich betätige mich als Händler. Ich kann aber auch Aktionen im Palast durchführen oder ich baue Wege durch meine Ländereien, um damit neue Bauten anzuschließen. Ihr seht, dies sind alles Dinge, die man so schon kennt, wenn man Rajas of the Ganges schon einmal gespielt hat. Nur platziere ich nun eben keine Arbeiter, sondern streiche auf meinem Block entsprechende Felder ab, die die Aktionen widerspiegeln.
Doch Familie Brand wäre vielleicht nicht Familie Brand, wenn sie nicht noch einen kleinen Kniff in das Spiel eingebaut hätten. Dieser kleine Kniff sind die Extra-Aktionen, auf die ich im Laufe des Spieles treffe. Eigentlich ist es unterm Strich nur die Möglichkeit, aus den vorhanden Aktionen die ein oder andere Aktionen noch einmal auszuführen. Doch es fühlt sich für mich genauso an, wie ein Ganz schön Clever.
Welcher Würfel darf es denn sein?
Oft genug sitze ich erst einmal über meinem Blatt und überlege mir ganz genau, welchen Würfel und welche Aktion ich wählen soll. Denn ich möchte unter Umständen nicht nur eine Aktion durchführen, sondern vielleicht gleich eine ganze Kette. Und genau dies passiert im späteren Verlauf des Spieles, hier steh mir dann eben die Bonusaktionen zur Verfügung, allerdings muss ich dies erst einmal in früheren Spielzügen vorbereitet haben. So kann ich mich zum Beispiel um ein Feld weiter auf dem Fluss bewegen, dies geht aber nur, wenn ich das Feld durch einen Weg im Dschungel angeschlossen habe. Da sich die Bonusaktionen oft an den Rändern meiner Ländereien befinden.
Die Bewegung auf dem Fluss wiederum kann dazu führen, dass ich noch einen Weg bauen kann, der mir dann auch wieder eine Bonusaktion einbringen kann. Und genau dieses entdecken und austüfteln der Ketten macht mir unheimlich viel Spaß. Wobei es hier ein schöneres Gefühl ist, als es bei Ganz schön clever. Bei Ganz schön clever handelt es sich um ein mathematisches Muster, das ich irgendwie abarbeite. Bei Rajas of the Ganges – The Dice Charmers gibt es dieses Abarbeiten nicht, denn ich bin zu sehr abhängig von den Ergebnissen der Würfel. Aber dies sorgt eben nur dafür, dass ich in jeder Partie tüfteln muss, wie ich wann welche Aktion nutze. Denn die Bonus-Aktionen sind ja auf meinem Blatt enthalten, die Schwierigkeit wann ich welchen Würfel wähle, ist das kleine Sahnehäubchen auf dem Roll-And-Write.
Aber trotzdem bleibt das Spiel ausgeglichen. Auch wenn ich schon ein paar Partien gespielt habe, haben neue Mitspieler trotzdem eine Chance am Tisch und können den ein oder anderen Sieg einheimsen. Andererseits läuft es manchmal auch gar nicht. Irgendwie kommen nicht die richtigen Würfel bei einem an oder die Würfel haben einfach die falschen Aktionen, damit ich richtig gut damit punkten kann. Wenn es dann auch nicht hilft das bekannte Karma einzusetzen, um einen Würfel zu manipulieren, schreibe ich die Partie einfach ab. Denn eine Partie ist auch schnell gespielt und ein Sieg in Rajas of the Ganges – The Dice Charmers ist immer nur eine Partie entfernt.
In den meisten Fällen sind allerdings alle Partien, die ich gespielt habe, recht knapp beendet worden.
Kleine Abzüge in der B-Note für Rajas of the Ganges – The Dice Charmers
Rajas of the Ganges – The Dice Charmers patzt leider ein wenig bei den Regeln. Vieles vom Spiel ist logisch aufgebaut und leicht nachzuvollziehen und auch der Block, auf dem ich meine Striche mache, unterstützt mich beim Spielen. Aber der Aufbau der Regeln ist nicht wirklich optimal. Auf zu kleinem Raum hat man viel zu viel Text und Beispiele untergebracht. Dadurch habe ich die eine oder andere wichtige Regel schlicht übersehen. Auch nicht förderlich ist hierbei die sehr kleine Schrift. Aus meiner Sicht hätte der Verlag hier entgegenwirken können. Der Verlag hätte hier die volle Breite der Spielschachtel ausnutzen können und so ein breiteres Regelheft bereitstellen können.
Der Rest des Spieles ist sehr gut verarbeitet. Vorbildlich aus meiner Sicht ist auch, dass man in der Spielschachtel gleich zwei unterschiedliche Spiel-Modi hat. Was bei einem Roll-And-Write ja nichts anderes ist als eine weitere Variante des Blocks mit einer anderen Verteilung der Symbole. So hat jedes Blatt eine Vorderseite (Sonne) und eine Rückseite (Mond). Klar, jede Seite hat eine andere Verteilung. Vor dem Beginn einer Partie muss ich mich mit meinen Mitspielern darüber abstimmen, welche Seite wir spielen wollen. Wobei die Vorderseite etwas einfacher gestaltet ist und die Rückseite, also der Mond, empfohlen wird für den Spieler, der schon etwas mehr Erfahrung bei Rajas of the Ganges – The Dice Charmers gesammelt hat.
Endlich angekommen im Delta des Ganges
Ich sagte es ja schon am Anfang, ich bin im Moment schlicht begeistert von Rajas of the Ganges – The Dice Charmers. Der Spagat ein Lieblingsspiel von mir und eine meiner Lieblings-Mechaniken zu einem Spiel zu verbinden, ist aus meiner Sicht sehr gut gelungen. Und selbst nach etlichen Partien, sowohl mit dem normalen Spiel als auch dem digitalen Ableger auf Yucata, bin ich nicht gelangweilt, das Spiel zu spielen. Und es zeigt mir auch, dass es sie gibt, die Roll-And-Write Ableger eines Brettspieles, die das Spielgefühl des Originals einfangen können.
Aber auch wenn man kein Fan von dem eigentlichen Rajas of the Ganges ist, muss Dice Charmers vieles richtig machen. So konnte ich beobachten wie auch andere Mitspieler meine Begeisterung für das Roll-And-Write teilten, obwohl sie dem großen Bruder eher ablehnend gegenüber stehen.
Euer Rating zu Rajas of the Ganges – The Dice Charmers
Rajas of the Ganges – The Dice Charmers ist auf Deutsch bei HUCH! erschienen.
Für die Review stand uns ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.
Hmmm… Das Cover und der Look uhhäää. Gar nicht meins.
Aber nachdem es hier so hoch gelobt wird, überlege ich mir ernsthaft das zuzulegen. Von der pragmatischen Seite gesehen ist ein kleines aber doch in die Tiefe gehendes Spiel das richtige für den Urlaubskoffer, oder auch mal für zwischendurch. 7wonders Duell und auch der Kartograph als Beispiel stehen bei meiner Frau und mir hoch im Kurs. Also könnte das Rajas-Würfel Ding auch gute Chancen haben.
Augen zu und durch… einen Sprung in den Ganges wagen…
Und übrigens:
Wieder mal eine tolle, aufschlussreiche und neugierig machende rezension. Vielen Dank 🙂
Hier vielleicht noch der Tipp. Auf Yucata.de kann man vorher durchaus mal eine Probepartie spielen, wenn man sich noch nicht ganz sicher ist.