Verschmutztes Land und Ödnis so weit das Auge reicht. Wir haben unserem Planeten so einiges angetan. Doch jetzt wird es besser werden. Wir Stämme besiedeln das Land neu. Nutzen jedes bisschen Wasser, das wir finden können, reinigen die Ebene, pflanzen Wälder und errichten neue Siedlungen. Der Wind ist unser ständiger Begleiter und hilft uns dabei, diesmal den richtigen Weg einzuschlagen, im Einklang mit der Erde und den Elementen.
Der erhobene Zeigefinger und die Mahnung, so nicht mit unserer Natur und unserem Planeten umzugehen, ist bei vielen Spielen aktuell deutlich zu spüren. Tribes of the Wind hat diesen ebenfalls hochgereckt, es macht mir aber nichts aus. Schon das Cover mit den pinkfarbenen Elementen und dem Nausicaä-Feeling stimmte mich milde und meine Neugierde war geweckt. Ob uns das Spiel von Joachim Thôme, das bei HUCH! erschienen ist, im Sturm erobert hat, könnt ihr in unserer Review erfahren.
Viel Spaß beim Lesen!
Das Farbenspiel des Winds
Die ersten harten Fakten klingen dabei bislang nicht ganz so aufregend. Verschmutzung auf dem eigenen Tableau beseitigen, Plättchen legen, zur Siedlung ausbauen und damit dann noch irgendwelche Aufträge für Punkte erfüllen. So weit, so wenig innovativ. Doch das eigentliche Herzstück von Tribes of the Wind ist der Kartenhalter, in dem jede*r Spieler*in die Karten aufreiht. Die Mitspieler*innen sehen davon nur die Rückseiten mit den Farben.
Blau, Gelb, Rot, Grün oder doch ganz bunt?
Bei der Wahl, welche Karte ich denn nun spielen soll, fühle ich mich manchmal ein wenig wie das Fähnlein im Wind. Denn ob ich eine Karte spielen kann und sollte und welche das sein wird, hängt auch von meinen Mitspieler*innen ab. Jede meiner fünf Karten gehört zu einem von vier Kartentypen und hat eine Bedingung, unter welcher sie ausgespielt werden kann. Dabei kommt es häufig nicht auf meine eigenen Karten an, sondern auch auf die meiner beiden Nachbarn.
Hier ein kleines Beispiel (Es folgt ein kleiner … oder auch größerer … Einblick, was manchmal da in meinem Kopf vor sich geht): Eben wollte ich vielleicht noch zuversichtlich meine blaue Karte ausspielen, die mir Wasser bringt, wenn ich mehr blaue Karten als die beiden neben mir besitze. Jetzt hat mein linker Nachbar aber eine blaue Karte nachgezogen und ich habe nur noch mehr als mein rechter Nachbar. So bekäme ich jetzt weniger Wasser. Mein rechter Nachbar hat eine rote Karte nachgezogen. Das eröffnet mir mit meiner eigenen roten Karte bessere Möglichkeiten, um die allgegenwärtige Verschmutzung von meinem Tableau zu tilgen. Meine beiden Nachbarn und ich haben damit zusammen sieben rote Karten, was eine Menge Säuberung ermöglicht.
Ich könnte aber vielleicht auch einfach drei beliebige Karten spielen und damit einen meiner Tempel bauen und dann so auf fünf Karten aufziehen, sodass ich von jeder Farbe eine Karte habe und damit dann in der nächsten Runde vielleicht mit meiner grünen Karte ein Waldplättchen pflanzen. Schade, dass meine gelbe Karte verlangt, dass ich keine roten Karten auf der Hand habe. Aber so werde ich die vielleicht los. Die Windreiter kann ich mit dem Bonus vom Tempel bewegen, dann könnte ich in zwei Runden meine Siedlung auf dem neu gebauten Plättchen errichten. Puuuuuuh, erst mal frische Luft schnappen.
Das klingt jetzt komplizierter, als es eigentlich ist. Ich muss aber tatsächlich die Bedingungen meiner Karten gut im Auge behalten und im besten Fall schon eine Idee für meine weiteren Züge haben. Wenn man die Ikonografie erst mal verinnerlicht hat, ist Tribes of the Wind nämlich ein erfreulich schnelles Spiel. Für das Ausspielen der Karten braucht es dann in der Regel doch nur noch einen schnellen Check, ob die Bedingung für meinen geplanten Zug noch greift.
An Ende meines Zuges fülle ich wieder aus der Auslage auf fünf Handkarten auf, von denen ich allerdings nur die Farbe sehe, nicht die Bedingungen, die ich für das Ausspielen erfüllen muss. Und manchmal ist es gar nicht so einfach, eine ungeliebte Karte wieder loszuwerden.
Sturm im Wasserglas
Im Laufe der Partie kann ich zusätzlich noch durch das Aneinanderreihen von Siedlungsplättchen in der richtigen Farbreihenfolge meines Tableaus eine Karte mit Sonderfähigkeiten erhalten und eine zweite beim Erfüllen einer Bedingung, die je nach Spielfarbe unterschiedlich ist. Hier habe ich dann die freie Auswahl als vier Karten, von denen pro Partie aber eben nur maximal zwei freigeschaltet werden können.
Auch wenn ich am liebsten Blau spiele und es für mich in manchen Spielen etwas schwierig ist, einer anderen Farbe zu nehmen, ist es bei Tribes of the Wind doch sehr lohnenswert, sich von seiner liebsten Spielerfarbe zu trennen und auch die übrigen Farben einmal auszuprobieren. Die unterschiedlichen Boni verändern die Spielerfahrung teilweise doch erheblich. Mit Blau bekomme ich hauptsächlich Boni, die sich auf das Wasser beziehen. Mit Rot kann ich aber viel besser meine Felder reinigen, was auch nicht zu verachten ist.
Wer Wind säht…
Neben dem Timing zum Ausspielen meiner Karten kommt es auch darauf an, wann ich meine Plättchen mit den Siedlungen baue und vor allem, wann ich sie dann mit meinen Windreitern umdrehe. Jedes Mal, wenn ich das tue, bekomme ich auch eine der Wertungskarten für das Spiel-Ende. Davon habe ich bereits zu Spielbeginn eine, mit der ich ein grobes Ziel habe, worauf ich mich fokussieren kann. Häufig geben diese Karten an, wo ich Siedlungen oder Tempel gebaut haben soll. Nehme ich früh weitere Karten, weiß ich also, was ich tun soll. Ich kann aber auch pokern, erst platzieren, spät umdrehen und hoffen, dass die Karte noch da liegt. Statt den Bonuspunkten für das Spielende kann ich auch den Einmal-Effekt der Karte nutzen und so einfach das Spiel etwas beschleunigen. Hat der/die erste Spieler*in nämlich das fünfte Bäumchen auf dem Tableau platziert, wird auch das Spielende eingeleitet. Tribes of the Wind ist also auch noch ein Wettrennen in der Kürze der Zeit einfach mehr zu schaffen, als die Mitspielenden am Tisch.
Jetzt zählen wir noch nach der praktischen Anleitung am unteren Rand des Spielertableaus unsere Punkte zusammen und ernten so, was wir da zusammengespielt haben. Schon ist wieder eine Partie Tribes of the Wind passé.
Fazit
Mir gefällt Tribs of the Wind ausgesprochen gut. Es überzeugt auf ganzer Linie und das fängt bei den wirklich sehr schönen und vor allem bunten Illustrationen von Vincent du Trait an und hört bei der sehr gelungenen Lösung des Nachbar-Problems für zwei Spieler noch lange nicht auf.
Jan und ich spielen sehr viel zu zweit und hier müssen wir auch einfach mal zugeben, dass viele Spiele erst zu dritt wirklich gut funktionieren. Sind wir zu zweit, fehlt uns für die meisten Bedingungen der Karten in Tribes of the Wind ja anscheinend ein essentieller zweiter Nachbar. Das wird aber sehr elegant dadurch gelöst, dass die Auslage in der Mitte einfach ebenfalls für uns beide als Nachbar zählt. Das bringt eine wirklich tolle taktische Komponente mit ins Spiel, denn immerhin bedienen wir uns hier beide und können so zumindest ein wenig steuern, was es da denn so gibt.
Auch Rennspiele (nicht im Sinne von Autorennen) haben es uns sehr angetan. Nicht umsonst ist Rajas of the Ganges eines unserer Lieblingsspiele. Ein Wettrennen, das bei genug Übung genauso schnell gespielt ist, wie Tribes of the Wind. Dabei ist es fast egal, ob wir zu zweit, zu dritt oder zu viert am Tisch sitzen. Auch in voller Besetzung hatten die Partien bei uns stets ein angenehm zügiges Tempo, bei dem man meist gerade dann wieder dran ist, wenn man beschlossen hat, was man jetzt tun wollte.
Selten kam es zu Situationen, aus denen man nicht so recht rauskam. Ich kann mich an eine Partie erinnern, in der ich einfach nicht an meine Sonderfähigkeiten herankam, weil die Plättchen in der Auslage nie die Farbe hatten, die ich für die richtige Reihenfolge gebraucht hätte. Das war etwas frustrierend und bei einem so knappen Spiel, in dem es fast auf jede Aktion ankommt, kann das schon mal das Zünglein an der Waage sein, wenn es um Sieg oder Niederlage geht.
Ich kann Tribes of the Wind ohne zu zögern weiterempfehlen. Es ist meiner Meinung nach eines der besten Spiele des Jahrgangs gewesen. Es steckt voller kleiner aber bedeutender und spannender Entscheidungen, mit denen wir uns gegen die Konkurrenz durchsetzen müssen. Bei uns hat es sich seinen Platz im Spieleregal erobert und wird wohl so schnell nicht ausziehen müssen.
Euer Rating zu Tribes of the Wind
Tribes of the Wind ist auf Deutsch bei HUCH! erschienen.
Für die Review stand uns ein selbst erworbenes Exemplar zur Verfügung.