Punkt 22:00 lässt Ben die Bombe platzen: Nachdem wir anderen versucht haben, den Sieg von Tim zu verhindern und uns innerlich auf eine neue Runde vorbereiten, verkündet Ben seine letzte Siegbedingung und lässt uns Anderen alt aussehen. Ben ist der Gewinner und das obwohl er die ganze Zeit beteuert hat, nicht der Feind zu sein. Tja, das war meine erste Partie Twilight Imperium und es hat mich in seinen Bann gezogen. Dabei ist es weniger das Spiel mit seiner Mechanik, was mich überzeugt hat, sondern es ist das, was außerhalb des Spielfeldes passiert. Die Abkommen, die geschlossen und gebrochen wurden, die Erklärungen die gegeben wurden, warum man seine Streitmacht jetzt einsetzen musste, um das System zu befreien. Der sicher geglaubte Sieg verhindert durch diese eine verdammte Karte, gespielt im richtigen Moment.
Twilight Imperium ist das große 4X Spiel von Fantasy Flight Games, in dem ihr versucht, durch das Erreichen von Siegpunkten, den galaktischen Thron zu erobern. Dazu hebt ihr Flotten und Infanterie aus, um euren Gegner auf die Pelle zu rücken. Oder ihr versucht im Technologie-Rennen die Nase vorn zu haben, um als Abschreckung eine mächtige Kampfstation euer Eigen zu nennen. Mittlerweile ist die vierte Edition auf den Markt gekommen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Schwächen seiner Vorgängers auszumerzen, um euch ein intensiveres Spielerlebnis zu bieten.
Twilight Imperium: das soziale Ereignis
Mich überraschte Twilight Imperium mit einem recht zugänglichen Einstieg für Anfänger. Die Regeln waren nach der ersten Runde einigermaßen verstanden. Klar fragte ich immer wieder mal nach, aber das ist bei einem solch großen Spiel auch nicht verwunderlich. Was einen Einsteiger aber überfordert, ist die taktische Tiefe. So nahm ich die falschen Strategiekarten, weil sie cool klangen, die waren aber zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich gut. Ich plante meine Züge eher aus dem Bauch heraus und ohne große taktische Überlegungen. Aber das war mir egal. Ich bin gar nicht mit der Erwartungshaltung rangegangen, als Sieger aus der Runde hervorzugehen. Umso erstaunlicher, dass ich trotzdem in der letzten Runde, auch den Sieg hätte erringen können – zumindest theoretisch. Praktisch wäre mein Mini-Imperium vorher zu Klump gehauen worden.
Ich durfte sogar bis zum Schluss mitspielen, denn so selbstverständlich ist das nicht. Irgendwo hatte ich mal aufgeschnappt, dass selbst beim kompletten Verlust aller Einheiten ich immer noch meine Heimatwelt habe, in der ich dann wieder versuchen kann, mein Imperium aufzubauen. Doch dem ist nicht so. Seid ihr vernichtet, seid ihr raus. Als ich das realisierte, wurde mir ganz anders, denn ich hatte nur noch ein System und war der Gnade meiner Mitspieler ausgesetzt. So überlebte ich von Runde zu Runde. Meine Strategie ab dem Zeitpunkt war: Bloß nicht auffallen und keine Bedrohung darstellen für die anderen Mitspieler und Siegpunkte in der allgemeinen Hektik des Rundenendes unauffällig werten.
Absolut richtig sind die Aussagen über die Spiellänge. Insgesamt neun Stunden dauerte die Partie mit neun Runden. Ihr könnt also mit einer Stunde pro Runde rechnen. Das klingt nach langer Downtime. Und das ist es auch. Aber die Downtime kann nicht schöner sein: Wenn ihr den anderen Mitspieler zuschaut oder euch selbst angeregt über alles mögliche unterhaltet, vergeht die Zeit trotzdem wie im Flug. Das klappt natürlich nur in einer sehr kommunikativen Gruppe. Ich weiß nicht, ob Twilight Imperium eine positive Grundstimmung in mir erzeugt hätte, wenn jeder nur so vor sich hin gespielt hätte und die soziale Komponente gefehlt hätte.
So ist Twilight Imperium aus meiner Sicht weniger ein klassisches Brettspiel, sondern eher ein soziales Ereignis. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste lange Partie. Ob ich da dann aber noch Welpenschutz genieße, bezweifle ich allerdings.
Im Moment ist Twilight Imperium nur auf Englisch verfügbar, allerdings ist eine deutsche Version seitens Asmodee schon angekündigt.