Es lag nichts Heldenhaftes darin, einen Angriff gegen eine Übermacht an Gegnern zu starten. Stundenlang war die Gruppe tief in die Katakomben von Falbhain vorgedrungen, immer weiter in die Dunkelheit hinein. Dort unten sollte es sein, das sagenhafte Artefakt. Doch nicht nur das Artefakt und die Heldengruppe befanden sich hier unten, auch Schrecken aus den dunklen Tiefen der Welt hatten die Katakomben zu ihrem Heim auserkoren. Und nun trafen diese Schrecken auf die Helden. Die Schrecken, entsprungen aus den Albträumen der Oberwelt, bildeten die letzte Barriere zwischen der Heldengruppe und dem Artefakt. Sollten sie all die Mühen jetzt sein lassen, so kurz vor dem Ziel? Mit einem tiefen Seufzen verkündete der Anführer der Gruppe seine Entscheidung…
Das war damals ein Paukenschlag in der Brettspiel-Blase als Fantasy Flight Games nicht nur Descent: Legenden der Finsternis vorgestellt hat, sondern auch die große Box und den damit verbundenen stolzen Preis. Dazu kamen dann auch noch die Grafiken für das mittlerweile dritte Descent Abenteuer und auch hier gingen die Meinungen sehr weit auseinander. Von „hässlich wie könnt ihr nur“, bis „Wow, Klasse“ war die gesamte Bandbreite an Meinungen vertreten.
Doch was hat Descent: Legenden der Finsternis unter dem schweren Brettspiel-Deckel zu bieten? Wir sind für euch durch die dunkelsten Dungeons gecrawlt und haben das mächtige Artefakt „DIE Descent: Legenden der Finsternis REVIEW RUNE“ geborgen.
Viel Spaß beim Lesen!
Descent: Legenden der Finsternis ist ein Brocken
Der Brettspiel-Karton von Descent: Legenden der Finsternis deutet es schon dezent an: Das neuste Decent ist kein Leichtgewicht. Immerhin ein ganzes Kallax-Fach musste ich opfern, um das Brettspiel unterzubringen. Aber dafür bekommt ihr auch einiges geboten. Neben den wirklich, wirklich, also ich meine, wirklich detaillierten Miniaturen bekommt ihr auch noch 3D-Gelände. Deswegen braucht es eben auch die riesige Box, denn der Großteil der Box geht durch die Notwendigkeit drauf, das 3D-Gelände unterzubringen.
Neben Bäumen, ein paar Treppen und allerhand Zeug, was man in einem Dungeon halt braucht, damit es dort schön heimelig ist, findet ihr auch noch ein großes Drachenskelett. Wozu das wohl gebraucht wird? Während die Miniaturen aus Plastik sind, ist das Gelände aus guter bodenständiger Pappe.
Natürlich gibt es auch alles, was ihr als Spieler braucht. Verschiedene Charaktere plus ihre Karten und Bögen, ein paar Würfel, um das Glück herauszufordern und wer hätte es gedacht, in FFG Manier sind es natürlich nicht genug Würfel für alle Abenteurer am Tisch.
Ach ja und wenn ihr auch noch Schaden und andere Sachen nachhalten wollt, gibt es auch noch genug Tokens, um genau dies zu gewährleisten. Erfreuliche Nachricht: Habt ihr alles ausgestanzt, dann ist die Box gleich mal 1 Kilo leichter.
Im Gegensatz zu dem Inhalt ist Descent: Legenden der Finsternis eher ein Leichtgewicht, wenn es um die Regeln geht.
Beziehungsweise erscheint es einem nicht so schwer, wenn man wie meine Wenigkeit schon andere Kampagnen-Brettspiele mit App wie zum Beispiel Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde gespielt hat. So ist es eben nichts Neues, wenn ich die dazugehörige App erst einmal installiere und diese dann den ganzen Verwaltungsaufwand für mich übernimmt. So muss ich mich nur noch um die paar Regeln kümmern, die ich eben brauche, um meinen Charakter zu spielen.
Für eine handvoll Regeln
Und da gibt es nicht viele. Wenn ich mit meinem Helden in der Heldenphase an der Reihe bin, wähle ich aus fünf möglichen Aktionen drei Aktionen aus, die ich dann ausführe, wobei ich immer eine Manöver-Aktion bzw. Bewegungsaktion habe. Ich kann aber auch kämpfen, wenn ich möchte und es Gegner gibt. Wenn ich lieber mit Gegenständen interagiere oder suchen möchte, muss ich die Erkunden-Aktion wählen. Oder ich nutze eine meiner charaktertypischen Spezial-Aktionen. Das alles ist recht überschaubar und Descent: Legenden der Finsternis unterscheidet sich hier auch nicht von anderen Brettspielen dieser Art.
Der große Unterschied ist die letzte Aktion. Die Bereitschaftsaktion macht Descent: Legenden der Finsternis zu einem puzzeligen Dungeon-Crawler. Im Laufe einer Partie sammle ich nämlich Stresstoken und andere Statuseffekte, die darf ich auf meinen Karten lagern, statt den Schaden von meiner Gesundheit abzuziehen. Aber irgendwann ist auch die beste Karte an ihrem Limit und kann nichts mehr lagern. Was, ihr ahnt es schon, einfach schlecht ist, weil es mich in meiner Spielweise auf kurz oder lang beeinträchtigt oder mich schlicht handlungs- und kampfunfähig macht.
Genau dafür gibt es aber die eine kleine, feine Regel der Bereitschaftsaktion.
Kärtlein drehe dich
Durch das Drehen der Karte, erhalte ich nicht nur andere Aktionsmöglichkeiten für meinen Charakter, ich darf auch alle Tokens, die sich bis zu diesem Zeitpunkt auf meiner Karte angehäuft haben, wieder abwerfen. Somit muss ich bei Descent: Legenden der Finsternis genau dies meistern! Wann drehe ich die Karte um? – ist die entscheidende Frage, die ich mir stellen muss, während ich spiele. Klar, ich kann diese Frage auch sein lassen, aber dann werde ich eben nur wie in jedem anderen Dungeon-Crawler stupide die Würfel werfen und hoffen, dass die Würfel mir hold sind.
Allerdings muss ich hier auch sagen, ohne meine Karten wird mir über kurz oder lang die Luft ausgehen. Egal, ob es der Schaden ist, den ich einstecken muss oder weil es einfach die Masse an Gegnern ist, die sich mir dann entgegenstellen. Das Kennen der Karten und das damit verbundene Management muss deswegen klappen.
Natürlich werde ich nicht gleich ins kalte Wasser geschmissen, sondern das Spiel bzw. die App nimmt mich an die Hand und bringt mir am Anfang überschaubar das Spiel näher, bis mir das Kartenmanagement so ins Blut übergangen ist, dass ich nach 16 Partien ein wahrer Karten-Jongleur geworden bin.
Aber genug über die Regeln gesprochen. Wie war es denn, wenn man nach 16 Partien als strahlender Held, die Welt Terrinoth gerettet hat? (Jedenfalls glauben wir das.)
Descent: Legenden der Finsternis macht vieles richtig
Gleich von Anfang an fiel mir auf, dass Descent: Legenden der Finsternis keine Revolution, sondern eher eine Evolution ist. Vieles kam mir dann doch bekannt vor und konnte ich auch schon in anderen Kampagnen-Spielen von Fantasy Flight Games beobachten. Natürlich fällt dies am ehesten bei der App auf, diese gleicht der Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde schon sehr stark. Als Software-Entwickler ist mir klar, das ist der gleiche Unterbau, man hat es eben nur für Descent: Legenden der Finsternis angepasst, mit neuen Grafiken und so.
Aber dennoch ist Descent: Legenden der Finsternis weit genug weiterentwickelt worden, um nicht nur ein Abklatsch eines schon vorhandenen Spieles zu sein, nur mit anderer Grafik. Und dieser Punkt überraschte mich selbst am meisten. Als das Brettspiel auf den Markt kam, war mein erster Eindruck, dass es eigentlich nur ein angepasstes Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde ist. Aber so ist das eben mit den schnellen Meinungen, die schnell aus der Hüfte geschossen kommen. Nur, wenn man ein Brettspiel selbst spielt, kann man es auch wirklich beurteilen.
Während bei meinem geliebten Herr der Ringe der Fokus wirklich sehr stark auf der Erkundung und Reise liegt, konzentriert sich Descent: Legenden der Finsternis auf seinen Ursprung als Dungeon-Crawler. Als Gruppe stürzen wir uns mit jedem Abenteuer in einen unbekannten Dungeon und stellen uns in der Regel der Flut an Gegnern. Oder doch nicht?
Descent ist mehr als nur ein purer Dungeon-Crawler
Natürlich, das Grundgerüst bleibt gleich. Rein in den Dungeon und hoffentlich heil wieder rauskommen. Das Element, das mich in den Bann zog, war das Abenteuer an sich. Denn hier kommen auch noch Rollenspiel-Aspekte hinzu und das nicht nur, weil ich meinen Charakter im Laufe der Zeit levele. Es ist auch die Geschichte, die im Hintergrund abläuft. Und hier zeigt Fantasy Flight Games wieder, was sie als Verlag können, wenn es um das Erleben von Abenteuern geht. Nicht nur die Kampagne, die wir spielen, hat uns mit Spannung gefesselt. Es war auch der Umgang mit der App und den zur Verfügung stehenden Geländeteilen.
Da es sich nicht nur um flache Teile handelt, kommt die dritte Dimension dazu und die wurde auch spielerisch eingefangen. Hier punktet ein Descent: Legenden der Finsternis, irgendwie fühlt sich jedes Abenteuer anders an. Ganz im Gegensatz zum Beispiel zu einem Gloomhaven, wo sich eine gewisse Monotonie im Design wiederfindet.
Und was würde ich gerne noch genauer darauf eingehen, möchte aber auf der anderen Seite natürlich nicht spoilern. Na ja, ein kleiner Spoiler geht! Ihr erkundet im Laufe des Spieles einen Turm und geht dabei „physikalisch“ von Ebene zu Ebene, dank dem 3D-Gelände. Und so gibt es einige Elemente und Abenteuer, die mir immer noch in Erinnerung bleiben, obwohl die Partie schon ein wenig zurückliegt.
Das Haar in der Suppe
Leider ist nicht alles ganz so positiv, wie es hätte sein können. Wieder einmal ist es die App, die schwächelt. So fehlt einfach eine vollständige Vertonung der App. Am Anfang war ich noch ganz aufgeregt, als die App die Geschichte vorlas. Doch bis auf ein paar Texte war es das auch schon, dabei gibt es viel zu erzählen. Die gesamte Beziehung zwischen den Charakteren baut sich über Zwischensequenzen auf, die dann eben vorgelesen werden sollten.
Nun war das an unserem Tisch kein großes Problem, denn ich liebe es ja, Charaktere mit stimmlichem Leben zu versehen. Aber eine von sich schon implementierte Sprachausgabe wäre genial gewesen. Besonders irritierend, dass es einige Passagen gibt, die dann wiederum vertönt sind. Hier warte ich sehnsüchtig darauf, dass man bei FFG bzw. Asmodee, endlich das Potential erkennt, das eine vollständig vertönte Umsetzung, die Immersion noch weiter vorantreiben würde.
… so etwas darf nicht passieren!
Tja, und der andere schwache Punkt, ist leider die App an sich. Diese lief in unserer Partie nicht immer stabil. Sporadisch stürzte diese ab, was jetzt nicht so schlimm war, denn es geschah in der Regel, bevor die App ihre Züge machte. Einfach die App noch einmal gestartet und es ging ohne Probleme weiter.
Außer in der letzten Mission und ausgerechnet beim Endkampf, gab die App komplett den Geist auf. Nichts ging mehr, ein Neustart brachte auch nichts. Scheinbar war der Speicherstand irgendwie defekt. Hier mussten wir tatsächlich die Partie komplett unterbrechen, erst durch meine IT-Kenntnisse gelang es mir den Speicherstand wieder einigermaßen geradezubiegen, sodass wir zwar ein zwei Runden verloren hatten, aber eben nicht die gesamte Mission wiederholen mussten.
Nun sind wir bei uns ja technisch versiert und ich weiß auch, dass Software eben Fehler haben kann, aber trotzdem trübte das einfach das Finale. Und der heroische Abschluss der gesamten Kampagne verlor sehr viel an seiner Dramatik. Denn mit reparierter Datei am nächsten Tag war es eben nicht mehr dasselbe wie einen Abend zuvor.
Dabei war der Fehler recht simple, die App wollte weitere Gegner in den Kampf schicken, allerdings waren alle Gegner schon auf dem Spielbrett, das führte zum Absturz der App. So etwas darf einfach nicht passieren! Was wäre gewesen, wenn eine unbedarfte Gruppe, die das erste Mal ein Spiel mit App-Unterstützung nutzt, dieses Desaster erlebt hätte?
Descent: Legenden der Finsternis begeistert
Klar, dass mit der App hätte besser laufen können, aber für mich bleibt Descent: Legenden der Finsternis ein packendes Kampagnen-Brettspiel, dass ich gerne gespielt habe. Das größte Problem ist eigentlich nur, dass es jetzt eben vorbei ist und ich warten muss, bis Descent Akt II: Der Krieg des Verräters erscheint. Eines steht für mich fest, ich möchte wieder in den Abgrund steigen und mich der Finsternis stellen.
Und das nicht nur, weil Descent: Legender der Finsternis mit einem klassischen Cliffhanger endete. Sondern, weil unsere Spielgruppe einfach eine richtig gute und spannende Zeit hatte.
Euer Rating zu Descent: Legenden der Finsternis
Descent: Legenden der Finsternis ist auf Deutsch beim Asmodee erschienen.