Es ist laut im Senat. Von den Rängen der Tintenfische sind laute Zwischenrufe zu hören. Der Vorschlag der Krabben, sich weiter in Richtung des Meeres der schwarzen Schlote auszudehnen, trifft auf heftige Gegenwehr. Während die niederen Senatsmitglieder sich dem Streit hingeben, lauschen die Edlen von ihren Plätzen oberhalb des Senats dem Treiben. Für sie ist es klar, dass da unten ist nur Show, Hinter den Kulissen haben sie bereits alles geklärt. Die ein oder andere Perle hat dabei auch ihren Besitzer gewechselt. Denn auch hier im Abyss dem Abgrund, geht es nur um Macht und das Erlangen der selbigen oder dem Beibehalten.
Moment mal, jetzt werden die ganz alten Kamellen hier herausgeholt? Abyss von Bruno Cathala und Charles Chevallier ist doch schon 2014 erschienen. Das ist natürlich vollkommen richtig. Aber Abyss wurde von Grimspire neu aufgelegt und ist nun auch wieder erhältlich. Denn obwohl das Brettspiel in den dunklen Tiefen durchaus eine Fangemeinde hat, ist diese in Deutschland scheinbar nicht vorhanden gewesen. Wir haben also einen Tauchschein gemacht und uns das alte neue Abyss zusammen mit der Erweiterung Levithan angeschaut. Ob sich der Tauchschein gelohnt hat, erfahrt ihr in der Review zum Brettspiel in den nassen Untiefen.
Viel Spaß beim Lesen!
Ein Tauchgang nach Abyss, der 2014 begann
Ja, das erste Mal ist mir Abyss auf der SPIEL 2014 über den Tisch gelaufen. Und es war eigentlich nicht das Brettspiel, was mich gereizt hat, sondern es waren die Cover. Abyss gab es damals in vier verschiedenen Covern. Schön in Groß und Bunt und ohne störende Verlagslogos oder Ähnliches. Und hey, damals war ich auch noch recht offen für die große breite Brettspielwelt. Pff, Mechanik Spiel oder was weiß ich, das Auge isst doch mit und das entscheidet, ob ein Spiel gekauft wird oder nicht.
Allerdings wurde Abyss nicht gekauft, das lag an einer ziemlich blöden Erstpartie. Ein Tisch war frei und wir spielten mit anderen Mitspielenden eine Runde bzw. versuchten eine Runde zu spielen. Doch so ziemlich zu Anfang, kurz nach der Erklärung, klingelte deren Telefon. Mit einem: „Wir müssen los und das Spiel ist ja eh nicht so dolle.“ ließ man uns kalt sitzen und haute ab. Danke!
Aber das führte dann eben auch dazu, dass Abyss nicht in meinen Besitz wechselte. Aber es ließ mich einfach nicht los, noch Jahre später wachte ich auf und ärgerte mich, dass ich Abyss nicht gekauft hatte und als ich mich dazu entschloss, das endlich zu machen, ihr erratet es schon, war das Brettspiel in den Tiefen nicht mehr zu haben.
Umso mehr freute es mich, dass Abyss bei Grimspire seinen zweiten Frühling bekommen hat. Also konnte ich nun doch meinen Brettspiel-Tisch wässern und abtauchen.
Unterwasser ist die Hölle los
Aber lohnte sich Abyss? Ein eindeutiges Jein kann ich hier vergeben. Doch bevor ich das erläutere, muss ich euch ganz kurz die Regeln des Spieles näherbringen. Wenn ich am Zug bin, decke ich eine Karte auf. Und dann ist auch schon meine linke Nachbarin oder mein Nachbar dran, denn dieser bzw. jeder kann entscheiden, ob er die aufgedeckte Karte nehmen möchte. Das geht reihum, bis ich wieder dran bin. Und dann kann ich entscheiden, ob ich die Karte nehmen möchte oder eben nicht und die nächste Karte aufdecke. Dann geht das Aussuchen und Anbieten wieder von vorne los.
Eigentlich ziemlich langweilig, oder? Nicht ganz, denn entscheidet sich ein Mitspielender für eine Karte, bekomme ich eine Bezahlung und er oder sie ist dann auch raus aus dem „Karten-Aussuchen“ und so hab ich dann irgendwann entweder einen Haufen Münzen, ähem Perlen oder eben die volle Hoheit darüber, ob ich eine Karte nehme oder nicht. Und das gefällt mir schon bei Abyss, denn dieser Aussuch-Mechanismus ist ein reiner Push-Your-Luck Moment.
Nehme ich die rote dreier Karte oder kommt da noch eine bessere, die in meine Kartensammlung passt? Ja, ich liebe solche Spiele. Und Abyss hat hier aus meiner Sicht genau das richtige Quentchen an Glück und Strategie.
Nun kann ich aber nur eine Karte nehmen und was passiert mit den nicht genommenen Karten? Diese landen alle auf den ihnen zugewiesenen Plätzen. Und hier übernimmt dann die Strategie und das Glück wird zur Seite geschoben. Denn statt Karten aufzudecken, kann ich mich auch entscheiden, einfach alle Karten einer Farbe zu nehmen. Ja, es kann passieren, dass ich absichtlich den anderen Mitspielenden eine Karte nach der anderen aufdecken lasse, da ich eigentlich lieber den Stapel haben möchte. Ihr seht, ein wenig Glück brauche ich schon bei Abyss, aber auch das Gespür für den richtigen Augenblick.
Hört auf den Senat!
Ja, gut, inzwischen habe ich also einen Haufen Karten, aber was mache ich mit diesen? Natürlich punkten, wobei ich aber nicht alle Karten am Ende der Partie punkte, sondern immer nur die niedrigste einer Farbe bzw. einer Fraktion. Denn thematisch sammeln wir in Abyss verschiedene Unterwasser-Vertreter. Da gibt es die kriegerischen Krebse, die süßen Seepferchen usw. Offen gesagt, ist das Thema aber komplett austauschbar. Ich könnte das gleiche Spiel in einem Berg mit Zwergen ansiedeln und es würde absolut keinen spielerischen Unterschied machen. Aber die Illustrationen sehen trotzdem toll aus. Also Schwamm drüber.
Wo war ich? Ach ja, sammeln von Karten für den Senat. Da ich eben nur eine Karte punkten kann, macht es mehr Sinn, die Karten bzw. Senatsmitglieder während der Partie in Punkte umzuwandeln. Dazu kann ich Karten abgeben und mir damit Verbündete sichern, die sind nicht nur Punkte wert, sondern bringen auch nette Nebeneffekte mit. Und diese wiederum kann ich gegen Unterwasserorte eintauschen, die mir tatsächlich noch mehr Effekte und richtig viele Punkte einbringen.
Also zusammengefasst, ich rekrutiere Senatsmitglieder und tausche mich dann im Laufe der Partie immer weiter nach oben. Klar, das kann ich nicht immer machen und irgendwann ist auch Schluss, weil das Spielende ausgelöst wurde. Aber auch hier ist in Abyss eben mehr Strategie als Glück zu finden, denn die Anzahl der Verbündeten bestimmt eben auch das Spielende und so habe ich auch noch einen kleinen Wettlauf. Und auch hier wiederum hat Abyss über das gesamte Spiel gesehen, genau das richtige Momentum.
Dennoch ist dieses nicht ganz perfekt, denn der Glücksfaktor, gerade zum Ende hin, schlägt unheimlich stark zu Buche. Denn welche Verbündeten oder Orte mir zur Verfügung stehen, ist reines Glück. Das kann frustrierend sein und dessen muss ich mir bewusst sein.
Abyss braucht Unterstützung
Allerdings ist das alles kein Problem für mich, denn so spielt sich eben Abyss. Und das ist auch nicht das „ein“ in Jein, es ist der Unterwasserkampf. Denn beim Aufdecken der Karten kann es passieren, dass ich mich einem Unterwasserkampf stellen muss. Das klingt jetzt spannender, als es in Wirklichkeit ist. Ich kann mich entscheiden, ob ich diesen absolvieren möchte oder nicht. Ich gewinne diesen auf alle Fälle, es ist eben nur die Sache, ob ich vielleicht einen Kampf aussetze, um dann eine höhere Belohnung zu bekommen. Oder diese für die anderen am Tisch vorbereite, damit diese dann in ihrem Zug die bessere Belohnung einheimsen können.
Letztendlich ist das sehr langweilig und wirkt irgendwie draufgesetzt. Scheinbar so als ob im letzten Augenblick noch ein Redakteur noch wollte, dass da ja irgendwas mit Kampf reinmuss. Und ganz ehrlich, in all den Partien war uns dieser Kampf so etwas von egal, dass wir den eigentlich links liegen gelassen haben.
Aber, wir sind nicht die Einzigen, denen das aufgefallen ist. Und so wurde die Erweiterung Leviathan auf den Markt gebracht. Auch diese ist bei Grimspire erhältlich. Ja, Abyss braucht diese Erweiterung, denn nun ist der Kampf etwas strategischer und bringt auch eine Glückskomponente rein, die es im Grundspiel einfach nicht gab. Denn nun gewinne ich nicht einfach jeden Kampf, sondern ich muss kämpfen. Bedeutet, ich würfele und kann mit meinen Karten das Ergebnis verbessern. Oder ich versuche mein Glück und entscheide mich nicht zu kämpfen. Erhöhe damit allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass beim nächsten Mal doch gekämpft werden muss.
Gewinne ich einen Kampf, warten nun nicht nur Perlen auf mich, sondern auch attraktive Belohnungen. Und verliere ich einen Kampf, gibt es böse Wunden aka Minuspunkte.
Mit der Erweiterung Leviathan wird Abyss zu einem richtig guten und in sich stimmigen Spiel. Ja, auch durch die Erweiterung bleibt das Thema immer noch genauso kommutativ, wie schon oben beschrieben. Aber durch diese Erweiterung wird Abyss eben zu einem Ja und nicht zu einem Jein.
Auftauchen aus dem Abyss
Ihr seht, ganz so einfach ist es also nicht mit diesem Abyss. Ohne Erweiterung würde ich es nur bedingt empfehlen und ja, man merkt dem Spiel dann auch die Jahre an. Allerdings mit Erweiterung ist es einfach schön, sich in den Abgrund zu begeben. Am besten sogar, wenn ihr mindestens drei Leute am Tisch sitzen, habt. Wobei auch hier wieder gilt, durch die Erweiterung gewinnt das Spiel auch nochmals in der zweier Besetzung. Denn im Grundspiel ist das Spiel zu zweit nicht sonderlich spannend.
Ich bin für meinen Teil froh, dass ich Abyss von meiner Liste streichen konnte. Auch, weil ich seitdem nun keine schlaflosen Nächte mehr habe.
Puh, noch einmal Glück gehabt.
Und so werde ich auch in Zukunft nicht ablehnen, wenn eine Partie Abyss ansteht. Allerdings nur, wenn auch die Erweiterung Leviathan mit auf Unterwasser-Fahrt geht.
Achja, einen kleinen Nachtrag noch. Ihr könnte Abyss auch auf BGA spielen, allerdings würde ich dies nur in Echtzeit machen und nicht zugbasiert. Denn dadurch, dass beim Kartenaufdecken der oder die andere entscheiden kann, ob die Karte genommen wird oder nicht. Kann sich solch eine Partie schon arg lang hinziehen oder besser gesagt ziemlich langweilig sein! Abyss kann in einer solchen Konstellation keine seiner einzigen Stärken ausspielen.
Euer Rating zu Abyss
Abyss ist bei Grimspire erschienen.
Für die Review stand uns ein kostenloses Exemplar und BGA zur Verfügung.