Review: Das Tiefe Land

Das Tiefe Land – Schafe im Sturm

Das Tiefe Land Schachtel CoverDer Wind peitscht die Wellen unbarmherzig gegen den Deich. Ein paar Männer haben sich versammelt, um gemeinsam am Deich zu bauen. Er muss noch erhöht werden, wenn er der nächsten Sturmflut standhalten soll. Nur Bauer Karl ist nicht erschienen. Er kümmert sich lieber um seinen eigenen Kram. Zugegeben, seine Schafe sind die prächtigsten in der ganzen Gegend. Aber das wird ihm auch nichts nutzen, wenn die Flut kommt und ihm seine Viecher elendig ersaufen.

Flaches Land und Viehzucht? Wer dabei an ein Uwe Rosenberg Spiel denkt, liegt nur teilweise richtig. Das Tiefe Land handelt zwar von Schafzucht in Norddeutschland, ist allerdings das Erstlingswerk von Claudia und Ralf Partenheimer. Die beiden sind aber ihreszeichens Fans der Spiele von Uwe Rosenberg und der renommierte Autor stand bei der Entwicklung helfend zur Seite. Dabei rausgekommen ist ein typisches Rosenberg-Spiel mit ein paar interessanten neuen Mechaniken. Und eines gleich vorweg: Mir gefällt Das Tiefe Land ausgesprochen gut. Denn es hat trotz dem Grundgerüst aus Euro-Game eine sehr schöne Mechanik für Spielerinteraktion gefunden, die für mich thematisch hervorragend passt.

Ihr seid ein Schafe züchtender Bauer und das Land auf dem ihr eure Tiere weiden lasst, ist ständig von Sturmfluten bedroht. Der Bau des Deiches ist ganz klar Gemeinschaftssache, denn der hält das Wasser ab und kommt somit allen Bauern zu Gute. Aber Zeit und Ressourcen sind kostbar und so müsst ihr ständig abwägen, ob ihr euch eurem Hof und den Schafen widmet oder aber mit am Deich baut. Das ist das Grunddilemma, mit dem ihr euch bei Das Tiefe Land beschäftigt. Es ist auf Deutsch bei Feuerland Spiele erschienen und kann mit 2 bis 4 Spielern ab 12 Jahren gespielt werden. Je nach Spielerzahl braucht ihr für eine Partie ca. zwischen 50 bis 100 Minuten.

Euro-Game mit bekannten Mechaniken

Wenn wir das Tiefe Land neuen Spielern erklären, fangen wir zunächst bei bekannte Mechaniken an. Ihr habt drei Arbeiter, die ihr auf eurem Hoftableau verschiedenen Aktionen zuweisen könnt. Jeder Arbeiter hat eine Wertigkeit: Ihr habt einen mit dem Wert 2, einen mit dem Wert 3 und einen mit dem Wert 4. Diese Wertigkeit gibt für die meisten Aktionen an, wie oft ihr diese durchführen könnt. Das einfachste Beispiel ist das Ziehen von Ressourcen-Karten. Setzt ihr euren Zweier-Arbeiter ein, könnt ihr eben zwei Karten ziehen. Ziemlich selbsterklärend. Insgesamt gibt es drei verschiedene Ressourcen: Holz, Stein und Lehm. Die liegen in einer offenen Auslage von vier Karten und einem Nachziehstapel bereit, um von dort auf eure Hand zu wandern. Die Karten werden für fast alle der anderen Aktionen benötigt.

Eigener Herd ist Goldes Wert – Wie ihr euren Hof ausbaut

Das tiefe Land HoftableauSo könnt ihr auf eurem Hoftableau Gebäude errichten, die in der für alle verfügbaren Auslage liegen. Jedes Gebäude gibt es dabei nur einmal und benötigt zum Bauen nicht nur Rohstoffe, sondern auch einen Arbeiter mit einer bestimmten Wertigkeit. Grüne Anlagenplättchen könnt ihr dabei so viele auf eurem Hof haben, wie ihr möchtet. Richtige Gebäude aber maximal vier. So viele Häuschen stehen nämlich auf eurem zweiten Tableau, wo auch Zaunteile ausliegen, zu denen ich gleich komme. Alles was dort weggenommen wird, legt Boni frei, die in der Einkommensphase eingesammelt werden. Das können Karten sein oder auch Geld, a.k.a. Siegpunkte. Die Gebäude und Anlagen selbst helfen euch vor allem dabei, mehr Schafe auf eurem Hof unterzubringen, Aktionen effektiver durchzuführen oder durch diverse Mechanismen Zusatzpunkte für die Endwertung zu ergattern.

Grundrechenarten für Schafzüchter: Schaf + Schaf = Schaf

Apropos Schafe: Von den wolligen Kameraden habt ihr zu Beginn der Partie bereits zwei schön eingezäunt auf der Weide stehen. Nun vermehren sich Schafe allerdings in regelmäßigen Abständen. Pro zwei Schafe auf dem eigenen Tableau kommt ein weiteres Schaf hinzu. Einfach so. Allerdings kann jedes Weidequadrat auf eurem Hof nur ein einzelnes Schaf beherbergen und das auch nur, wenn das Tierchen nicht weglaufen kann und innerhalb eines durchgehenden Zaunes untergebracht ist. Vermehren sich eure Schafe und ihr habt keinen Platz für die neuen Tiere, bekommt ihr eben keine.

Abhilfe schaffen hier Zäune. Den vorhandenen Zaun auf eurem Spielplan erweitert und versetzt ihr mit der Zaunbau-Aktion. Für jeden Aktionspunkt, den euer Arbeiter mitbringt, könnt ihr entweder ein Zaunteil versetzen oder ein neues vom Einkommenstableau nehmen. Neue Zaunteile müsst ihr dabei mir Ressourcenkarten von der Hand bezahlen, die bei mehreren neuen Zaunteilen alle von der gleichen Art sein müssen.

Und natürlich gibt es auch noch eine Aktion, mit der ihr Schafe kaufen und verkaufen könnt. Dafür gibt es ein Tableau mit dem allgemeinen Schafmarkt. Hier liegen bereits ein paar Schafe aus, falls ihr welche erweben möchtet. Sowohl beim Kaufen als auch beim Verkaufen könnt ihr immer nur auf die Schafe einer Reihe zurückgreifen bzw. die freien Plätze einer Reihe mit euren Schafen auffüllen.

Ein Deich für alle und alle für den Deich

So weit zum normalen Euro-Game. Nachdem dieser Teil geklärt ist, kommen wir zum interessanteren Aspekt vom Das Tiefe Land. Die letzte Aktion auf eurem Hoftableau ist der Deichbau. Hier könnt ihr so viele gleiche Ressourcen zum Deich beisteuern, wie es der Wertigkeit eures eingesetzten Arbeiters entspricht. Je nach Spielerzahl werden zwischen vier und sieben gleiche Ressourcen für die Fertigstellung eines Deichteils benötigt. Für jede beigesteuerte Ressource rückt ihr auf der Deichbauleiste ein Feld vor. Und ab hier geht es los mit der viel gelobten Interaktion: Nun müsst ihr einen anderen Spieler einladen, ebenfalls am Deich zu bauen und zwar mit maximal so vielen Ressourcen, wie ihr eingesetzt habt. Als Belohnung rückt ihr ein weiteres Feld auf der Deichbauleiste vor. Euer Mitspieler darf aber ebenfalls pro Ressource ein Feld vorrücken, falls er sich dazu entscheidet, eurer Einladung zu folgen. Will ich denn überhaupt, dass mein Mitspieler ebenfalls bauen kann? Wähle ich zur Sicherheit lieber einen Spieler, der keine oder nur wenige Karten auf der Hand hat, damit ich meinen Abstand zu den anderen Spielern auf der Deichbauleiste ausbauen kann? Ist mein Ziel, dass der Deich hält oder ist es vielleicht eher in meinem Interesse, dass der Deich bricht?

Hält der Deich im Tiefen Land?

Dreimal pro Partie wird überprüft, ob der Deich hält. In den Spielphasen vor der Überprüfung werden nach und nach drei der Flutkarten aufgedeckt, wodurch Flutmarker in Form von Wellen am Strand ausgelegt werden. Habt ihr genügend Deichteile fertiggestellt und der Deich reicht weiter und höher als die Wellen, hält euer Deich. Alle bis auf den Spieler, der auf der Deichbauleiste am weitesten hinten liegt, bekommen als Belohnung Geld in Abhängigkeit davon, wieviel Abstand sie zum letzten Spieler haben.

Ander sieht es aus, wenn der Deich bricht, wenn also nicht genügend Deichteile ausliegen und das Wasser weiter oder höher reicht. Derjenige Spieler, dessen Marker auf der Deichbauleiste am weitesten vorne liegt, hat nun trotzdem nichts zu befürchten. Alle anderen Spieler erhalten nun sogenannte Deichbruchmarker in Abhängigkeit davon, wie viel Abstand sie zum Führenden auf der Deichbauleiste haben. Wer am weitesten hinten liegt, bekommt am meisten Marker in seinen Vorrat. Grundsätzlichen machen diese Marker aber erst mal nichts.

Abgerechnet wird am Schluss – Wer ist denn nun der Beste Schaf-Deich-Bauer?

Nach jeder Hochwasserphase, in der der Deich geprüft wurde, verändert sich der Wert von Schafen und Deichpunkten, die beide in die Endwertung einfließen. Hält der Deich, wird das Bauen am Deich weniger Punkte wert. Der Wert von Schafen hingegen steigt. Gut für diejenigen, die sich nicht mit so etwas Profanem wie dem Bau am Deich abgegeben haben und lieber den eigenen Hof ausgebaut haben. Bricht der Deich jedoch werden Schafe weniger Wert. Dann wird es am Ende lukrativer, wenn ihr viel am Deich gebaut habt. Dieses Verschieben des Markers für die Punktewertung findet insgesamt drei mal statt. Bei der letzten Sturmflut entscheidet sich außerdem, ob die Deichbruchmarker aktiviert werden oder abgelegt werden können. Hält hier der Deich, haben Deichbauverweigerer nochmal Glück gehabt. Bricht der Deich jedoch, muss pro Deichbruchmarker ein Schaf abgegeben werden. Das tut in der Punktewertung dann richtig weh. Zu den Punkten für Schafe und Deichbau kommen nur noch Punkte durch Gebäude hinzu. Wer dann am meisten Punkte vorzuweisen hat, ist der beste Deichbauer bei Das Tiefe Land.Das Tiefe Land Wertung

Fazit ohne schaaaafe Kritik

Mir haben alle Partien von Das Tiefe Land viel Freude bereitet. Die Spielerinteraktion ist nicht nur triviales Beiwerk, sondern hat Auswirkungen auf die Punktewertung und somit auf alle Spieler. Die Entscheidung, welchen Spieler man fragt, mitzubauen und die Entscheidung, ob man selbst eine solche Einladung annimmt, ist zum Teil sehr strategisch. Hier sind keine Alleingänge möglich. Wenn sich ein Spieler beim Deichbau absetzt kann er in der Regel aber nicht alleine dafür sorgen, dass der Deich hält. Davon würde dann aber er alleine am meisten profitieren und zumindest in der letzten Runde sollte es auch für den fanatischsten Schafzüchter von Interesse sein, dass der Deich hält, damit seine Schafe nicht absaufen.

Das richtige Maß an Interaktion

Auch fällt bei Das Tiefe Land trotz oder gerade wegen der Interaktion ein nerviger Punkt weg, den viele Worker-Placement-Spiele haben: Da das Einsetzen meiner Arbeiter auf meinem eigenen Tableau stattfindet, kann mir niemand meine Aktion wegnehmen. Es kann höchstens sein, dass ich mal etwas umplanen muss, weil jemand anderes das Gebäude gebaut hat, das ich eigentlich wollte. Oder das mit Holz begonnene Deichteil wurde bereits von einem andern Spieler fertiggestellt und jetzt kann erst mal nur mit Steinen weitergebaut werden. Der Nervfaktor hält sich hier angenehm in Grenzen. Das Spannende interaktive Element ist eindeutig der Deichbau.

Grafische Elemente sorgen für Klarheit

Angenehm ist auch der Phasenanzeiger an der Seite des zentralen Spielplans. Hier sieht man auf einen Blick, welche Phase aktuell ist und welche noch kommen. Zusammen mit der Spielerhilfe-Karte kann man hier sehr schön ablesen, was wann passiert. Zu bemängeln ist allerdings die Ikonographie auf den Gebäuden. Die ist auf komplexeren Plättchen manchmal nicht sehr eindeutig. Abhilfe schafft hier allerdings die obligatorische Gebäude-Übersicht, die auf einem extra Bogen dem Spiel beiliegt und so einfach hin und her gegeben werden kann, wenn sich jemand über die Funktion eines Plättchens informieren möchte.

Das Tiefe Land - Schafe und DeichbauFür uns am Besten zu dritt

Mir hat Das Tiefe Land zu dritt am Besten gefallen. Hier hat man die richtige Mischung aus Interaktion und der Deichbau erfordert nicht zu viele und nicht zu wenige Ressourcen pro Deichteil. Im Spiel zu zweit ist ein Deichabschnitt auch alleine fertigstellbar. Statt meinen Mitspieler zu fragen, kann ich eine Münze zahlen und stattdessen Ressourcenkarten aufdecken, um den Deichbau noch weiter voranzutreiben. Ich habe zwar trotzdem die Wahl, meinen Mitpieler zu fragen, allerdings finde ich die Entscheidung zwischen zwei oder drei Mitspielern doch spannender. Zu viert wiederum braucht es für ein Deichteil schon sieben Ressourcen, wodurch in unseren Partien in den meisten Fällen der Abschnitt nicht in einem Rutsch fertig gebaut werden konnte. Das kann aber vielleicht auch daran liegen, dass gewissen Mitspieler, die ebenfalls auf diesem Blog schreiben, immer noch nicht begriffen haben, dass Schafzucht nur dann so wirklich lohnt, wenn die lieben Tierchen nicht während der Sturmflut jämmerlich ertrinken müssen.

Das Auge spielt mit: Tolle thematische Illustrationen

Auch optisch kann mich Andrea Boekhoff überzeugen. Sie ist für die Illustrationen bei Das Tiefe Land verantwortlich und dem einen oder anderen vielleicht von Cottage Garden, Indian Summer oder Spring Meadows ein Begriff. Sie hat hier nicht nur ein tolles und stimmungsvolles Cover gestaltet, auch das zentrale Spielbrett mit dem stürmischen Meer, dem Strand und den Weiden mit Schafen sind wunderschön und mit einem Blick fürs Detail illustriet. Das setzt sich auch auf dem eigenen Hoftableau fort, das eine sonnige und eine regnerische Seite hat. Spielerisch hat das keine (bzw. nur marginale) Auswirkungen, macht aber optisch einiges her. Die Bäume, Büsche und Teiche auf den Tableaus sind außerdem nicht nur hübsches Beiwerk, sondern finden sich in einigen Gebäudewertungen wieder. Tolle Arbeit und ich persönlich würde mich über weitere von Andrea Boekhoff illustrierte Brettspiele freuen.

Das Tiefe Land – Absolute Empfehlung!

Wir können euch Das Tiefe Land nur wärmstens ans Herz legen. Wenn die Herbststürme demnächst losgehen und der Wind ums Haus pfeift, passt das thematisch hervorragend zum Spiel. Bei uns kommt es auf jeden Fall noch häufiger auf den Tisch.


Euer Rating zu Das Tiefe Land


Lowlands (2018)
Spieler:
2 - 4
Dauer:
50 - 100 Min
Alter:
12+
BGG Rating:
7.4
Verlag:
Feuerland Spiele
BGG:

Für die Rezension stand uns ein preisreduziertes Rezensionsexemplar zur Verfügung.


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