Review: Gloomhaven - Die Pranken des Löwen

Gloomhaven: Die Pranken des Löwen – Das kleine Gloomhaven zum Mitnehmen

Lang und staubig war der Weg. Und es liegt noch soviel Unbekanntes vor uns. Doch nicht heute! Heute geht es darum, die Füße hochzulegen und sich einen ordentlichen Humpen Bier zu bestellen. Dazu noch den leckeren Eintopf, für den das Gasthaus bekannt ist. Uns läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn wir an die wohlige Wärme des Gasthauses „Die Pranken des Löwen“ denken. Und da sind sie auch schon sichtbar: die tanzenden Lichter der großen Stadt Gloomhaven. Ein paar Kilometer noch, dann ist es geschafft. Vielleicht sollten wir uns auch noch ein Bad gönnen? Moment mal, sind das Ratzen-Augen, die da im Dunkeln aufblitzen?   

 

Es gibt ein Spiel, das in einigen Haushalten durchaus als stützendes Element genutzt wird. Die Rede ist von Gloomhaven. Ein großes Spiel, nicht nur durch seine Maße, sondern auch durch seine Fülle an Material und auch durch ein scheinbar epochales Regelwerk. Nun hat sich Cephalofair Games noch einmal seinem Brettspiel-Hit angenommen. Mit Gloomhaven: Die Pranken des Löwen, welches auf Deutsch durch Feuerland Spiele vertrieben wird, wollte Isaac Childres den großen Bruder verschlanken und die Einstiegshürde senken. Ob dies gelungen ist oder nicht, könnt ihr in meiner Review zu dem Brettspiel erfahren.

Viel Spaß beim Lesen!

Zurück nach Gloomhaven

Keine Frage, das beste Gloomhaven, was ich im Moment bekommen kann, ist Gloomhaven: Die Pranken des Löwen. Wer schon seinen Spaß mit Gloomhaven hatte, wird auch bei dem kleineren Vertreter gut aufgehoben sein, könnte man meinen. Denn Gloomhaven: Die Pranken des Löwen, im folgenden nur noch als die Pranken bezeichnet, hat viele kleine subtile und nicht so subtile Änderungen durchgemacht, ohne allerdings die Grundmechanik zu vernachlässigen.

Immer noch steht am Anfang eines jeden Szenarios ein Dungeon, der erkundet werden möchte. Zur Verfügung stehen unserer kleinen Abenteurerschar immer noch unterschiedliche Charaktere, die sich natürlich auch asymmetrisch spielen. Und wenn ich dran bin, muss ich immer noch zwei Karten ausspielen, die mir meine Aktionen vorgeben. Für den Veteranen ist dies nichts Neues und der Neuling wird sich auch schnell reinfuchsen in die simple Spielmechanik.

Das gesamte Spiel ist dann noch verpackt in eine überschaubare Anzahl von Komponenten, sodass das Spiel in ein genormtes Kallax-Fach passt, ohne den Platz für sich ganz alleine zu beanspruchen. Dazu gibt es noch ein Szenario-Buch, welches uns nicht nur mit nimmt in die erfundene Welt, sondern uns gleichzeitig das Spiel beibringt. Ein Tutorial, wie ich es in Videospielen schon lange finde, ist nun fester Bestandteil und ich kann gleich losspielen, ohne mich erst lange durch die Regeln zu quälen.

All das macht die Pranken, wie oben schon beschrieben, zum besten Gloomhaven, dass es im Moment auf den Markt gibt. Und wenn ich schon immer in die Welt von Gloomhaven reinschnuppern wollte, dann ist jetzt mit den Pranken, das perfekte Brettspiel dafür auf dem Markt. Preislich ist es nicht so hoch wie sein Vorgänger und wenn ich mich der kompletten Kampagne widme, muss ich nicht so viel Zeit investieren, wie das beim großen Bruder der Fall ist.

Aber…

Dem ein oder anderen scheint es vielleicht schon aufgefallen zu sein, im oberen Abschnitt schwingt unterschwellig ein großes Aber mit. Denn für mich fühlt sich alles so gleich an und Sachen, die ich im Gloomhaven noch gelobt habe, sind in den Pranken mittlerweile nichts Neues. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass bei den Pranken an den richtigen Stellen geschraubt wurde. Da ist zum einen das Szenario-Buch, in dem sich alle Abenteuer abspielen. Ich muss nicht mehr umständlich irgendwelche Platten zusammensuchen und zeitaufwendig aufbauen. Aufklappen, Gegner und Schätze platzieren und schon kann der Spaß losgehen. Eine aus meiner Sicht große und gute Verbesserung gegenüber dem eigentlichen Gloomhaven.

Oder auch schon das erwähnte Tutorial mit eigens dafür abgestimmten Karten. Ich muss nicht erst einmal alle Regeln lernen, sondern die Regeln werden mir stückchenweise beigebracht. Und das dann auch sehr vorbildlich mit eigenen Kartensätzen. Zum Beispiel gibt es auf jeder Karte eine Standardaktion für den Angriff und für die Bewegung, in den ersten Szenarien sind diese noch nicht auf den Karten vorhanden, weil das Spiel mir diese Aktionen und damit verbundenen Regeln erst zu einem späteren Zeitpunkt beibringt. Ein total tolles Konzept finde ich, weil dann nicht nur einer am Tisch die Last des Regellernens aufbringen muss, sondern ich das gleich als Gruppe erlerne.

Die überschaubare Anzahl an Szenarien und die damit verbundene Zeit, die ich in das Spiel stecken muss, werten das Brettspiel natürlich auch auf.

Aber in Summe ist das für meinen Geschmack einfach zu wenig. Hier hätte der Original-Verlag Cephalofair Games durchaus mehr machen können. Denn die Schwächen, die in den Pranken präsent sind, sind auch schon im großen Bruder vorhanden. Und so wunderte es mich auch nicht, dass kurz nach Erscheinen der Pranken in den sozialen Medien erste Hausregeln ihre Runde machten.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Was mich am meisten stört, an den Pranken, ist einfach das monotone Design der Missionen. Konnte ich es in Gloomhaven noch verzeihen, finde ich es mittlerweile sehr langweilig und damit verbunden auch sehr langatmig. Von den 25 Szenarien oder Missionen folgen 80% dem Schema rein in den Dungeon und alle Monster plätten oder rein in den Dungeon und Objekt xy zerstören, natürlich muss ich auch hier vorher bzw. nachher alle Monster plätten, die sich mir in den Weg stellen. Das ist für mich auf Dauer einfach zu wenig. Gerade wenn ich in meine spielerische Vergangenheit schaue und Spiele wie Imperial Assault oder Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde mir das Gefühl geben, wirklich eine Geschichte erlebt zu haben und nicht nur eine Ansammlung der immer gleichen Missionen.

In diesem Zusammenhang fehlt mir auch der Fehlschlag, schaffe ich eine Mission in den Pranken nicht? Naja, dann mache ich sie eben noch mal. Keine Konsequenzen oder Ähnliches. Warum kann eine Mission nicht scheitern und man macht dann weiter im Text? Wenn ich es nicht schaffe, den Oberbösewicht außer Gefecht zu setzen, dann kommt dieser eben in verbesserter Version irgendwann wieder. Mir fehlt hier einfach eine dynamischere Erzählstruktur. Dadurch fühlt sich das Spiel doch sehr mechanisch und sehr repetitiv an.

Auch ist der Erzählstrang in Summe recht konstant, ob ich nach einem Szenario rechts lang gehe oder links, macht auf lange Sicht keinen Unterschied. Am Ende des Weges lande ich immer genau bei Szenario x. Manchmal kam es mir vor, als ob ein Rollenspiel-Spielleiter unbedingt sein Abenteuer anbringen wollte, ohne auf die Wünsche der Spieler einzugehen.

Geordnetes Chaos

Die weiteren Dinge, die mich stören, finden sich eher in Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die man hätte beheben können. Da ist zum Beispiel das Ausspielen der Karten. Pro Runde werden immer genau zwei Karten ausgespielt, kann ich dies nicht mehr tun, muss ich eine Rast einlegen, wo ich mich von einer Karte permanent, für den Rest des Szenarios trennen muss. Die ausgespielten Karten haben immer eine obere und eine untere Aktion, wobei sich dies ganz grob so klassifizieren lässt, dass die obere Aktion eher offensive Taktiken unterstützt und die unteren Aktionen eher der Bewegung, dem Heilen oder dem Plündern von Schätzen gedacht sind. Das spiegelt sich auch wider in den beiden Standardaktionen, einem Angriff im oberen Bereich und einer Bewegung im unteren Bereich.

Und genauso kann ich sie auch nur benutzen, habe ich mit meiner oberen Aktion schon einen Angriff genutzt, war es dies für diesen Zug. Auch wenn ich mich nicht mehr bewegen möchte, kann ich dies tun, ich kann leider die untere Aktion nicht nutzen, um eben noch einen weiteren Angriff durchführen zu können. Warum? Rein spielerisch haue ich also auf den Gegner und nutze die Zeit der unteren Aktion, um mir in der Nase zu bohren und abzuwarten, dass mich der Gegner angreifen darf, anstatt noch einmal anzugreifen?

Das ergibt für mich keinen Sinn. Auch hier schaue ich wieder auf Imperial Assault und Herr der Ringe, hier kann ich meine zwei Aktionen pro Runde nutzen wie ich möchte. Warum nicht zweimal angreifen oder warum auch nicht zweimal laufen dürfen? Es hätte das Spielgefühl dynamischer gemacht und ich hätte nicht immer das Gefühl, dass das Spiel mich in seinen engen Grenzen halten will.

Planen, Planen und noch einmal Planen

Und dieses Gefühl zieht sich dann eben auch durch eine Partie. Jeder von uns hat nur ca. 10 Karten zur Verfügung, rein rechnerisch muss ich also das Szenario nach spätestens x Runden beendet haben, da mir sonst die Karten ausgehen. Dann bin ich erschöpft, sind alle Spielercharaktere erschöpft, ist das Szenario auch noch verloren und ich muss wieder von vorne beginnen. Allerdings wird die maximale Runden-Anzahl auch noch durch die Mechanik selbst begrenzt, denn es gibt Karten, die ich nur einmal ausspielen kann pro Szenario und limitieren damit natürlich auch meine mögliche Anzahl an Runden.

Und so startet dann auch der Euro-Game-Anteil in dem Spiel. Welche Karten spiele ich wann aus? Wie stehen die Gegner, schaffe ich es mit der Standardbewegung einen zu erreichen, um dann mit der besonders starken Angriffsaktion diesen zu besiegen? Und was ist das Ziel des Szenarios? Sollte ich also eher schnell Raum gewinnen und mich dann später, um die Gegner zu kümmern, aber habe ich dann noch die Karten, die ich brauche?

Hier unterscheidet sich der Dungeon-Crawler sehr erheblich von anderen Spielen des Genres. Steht und fällt in anderen Spielen alles mit dem Würfelglück bzw. dem Karten-Zieh-Glück, kann ich bei den Pranken mehr planen, mehr optimieren, als dies bei anderen Spielen der Fall ist. Leider fühlt es sich dadurch für mich wieder sehr mechanisch an und meistens habe ich nach dem Auswählen der Karten eher das Gefühl, nicht den optimalen Zug gemacht zu haben. Ganz so wie es eben bei einem klassischen Euro-Game der Fall ist.

Gloomhaven: Die Pranken des Löwen: Ich möchte dich mögen

Ihr seht, ich habe durchaus meine Probleme mit den Pranken. Und da gibt es noch einige andere, kleinere Sachen, die mich stören. Warum gibt es immer noch diese fummeligen Monsterschuber, auf die man die Wunden und Marker legen soll, dies aber nur Sinn macht, wenn nicht mehr als zwei Monster auf dem Spielbrett sind.

Warum gibt es ein Inlay, dass nur zu 80% funktioniert? Ich kann zwar meine Karten und Charaktere gut unterbringen, aber die Monster in ihren Zip-Beuteln fliegen trotzdem durch die Packung. Warum wird am Anfang nicht vorgeschlagen, welche Charaktere sich besonders gut eignen zum Start, was sind ihre Stärken und was sind ihr Schwächen, wie spiele ich sie am besten? Wieso gibt es auf schwierigem Gelände keine Begrenzungen für die Felder, obwohl sie laut BGG und Isaac spieltechnisch vorhanden ist?

Warum muss ich immer noch Kisten und Münzen während meines Zuges looten, obwohl alle Gegner am Ende besiegt sind und es sogar wortwörtlich im Epilog drin steht? „Nachdem ihr die elenden Kreaturen besiegt habt, nehmt ihr euch Zeit jeden Winkel ihres Baus zu durchsuchen.“ Natürlich kann ich sie nicht looten, weil es mechanisch nicht passt, auch wenn es erzählerisch und spielerisch keinen Sinn ergibt. Und da ist es wieder das Problem, das sich aus meiner Sicht durch die Pranken zieht: Mechanik vor Spielgefühl.

Wie gesagt Gloomhaven: Die Pranken des Löwen macht vieles richtig, aber ich habe teilweise eben das Gefühl, dass man beim Verlag nicht konsequent genug war und der Fokus bei der Entwicklung sehr stark auf dem Tutorial und dem Szenario-Buch lag. Und so schaue ich eher etwas zwiegespalten auf Gloomhaven: Die Pranken des Löwen. Einerseits möchte das Spiel gut finden und es macht mir auch Spaß, wenn ich es spiele und ein Szenario nach dem anderen abschließe. Gleichzeitig schaue ich aber auf andere Vertreter dieses Genres und sehe, wie viel Potential hier verschenkt wurde.

Vergangenheit und Zukunft

Viele Spieler in unserer kleinen Brettspiel-Blase stellen sich mit Gloomhaven: Die Pranken des Löwen immer wieder die Frage, ob sie durch dieses Spiel, dem großen Gloomhaven erneut eine Chance geben. Oder es steht die Frage im Raum, wie wird erst Frosthaven ausschauen? Für mich ist die Entscheidung recht einfach, die Pranken werden mich nicht unbedingt zurück zum Vorgänger bringen. Denn die Probleme, die ich mit den Pranken habe, bleiben ja auf alle Fälle bestehen. Es wird ja sogar noch verschlimmert, weil ich auf das Szenario-Buch verzichten und ich wieder alles mühsam aufbauen muss.

Und genau diese geniale Neuerung schmeißt Cephalofair Games bei Frosthaven auch wieder über Bord. Denn anstatt die Szenarien und Pläne wieder in ein eigenes Buch zu packen, um so den Aufbau zu minimieren. Greift man wieder zu den großen Platten und dem langwierigen Aufbau. Dabei hätte man mit dem Szenario-Buch ja auch die Möglichkeit gehabt, auf jeder Seite einen stimmig gestalteten Plan anbieten zu können.

Und so bleibe ich bei meiner Grundhaltung, die ich schon hatte, als ich über den Kickstarter zu Frosthaven berichtete. Allerdings ist sie mittlerweile etwas ins Negativere abgerutscht.

Das alles klingt jetzt natürlich sehr negativ, muss es aber nicht. Ich hatte meinen Spaß beim Spielen und ich mag die Verbesserungen. Aber da geht einfach mehr! Und wenn ihr Gloomhaven noch nicht gespielt habt und dem Spiel eine Chance geben wollt und es ausprobieren wollt, dann empfehle ich euch mit Gloomhaven: Die Pranken des Löwen zu starten.


Euer Rating zu Gloomhaven: Die Pranken des Löwen


Frosthaven lege ich mir...

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Gloomhaven: Die Pranken des Löwen ist auf Deutsch bei Feuerland erschienen.

Gloomhaven: Jaws of the Lion (2020)
Spieler:
1 - 4
Dauer:
30 - 120 Min
Alter:
14+
BGG Rating:
8.51
Verlag:
Feuerland Spiele, Cephalofair Games
BGG:

Für die Review stand uns ein kostenreduziertes Rezensionsexemplar zur Verfügung.

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