„Alle Mann an Bord und die Kanonen besetzt. Die Schaluppe vor uns ist keine Herausforderung für uns. Bevor die wissen, was passiert ist, sind wir schon wieder auf dem Weg zu unserem Versteck. Moment mal Steuermann, warum richtest du deine Muskete auf mich und nicht auf den Feind? Das ist doch nicht etwa eine Meuterei? Ich hätte es wissen müssen. Piraten von anderen Kapitänen ausleihen, ist doch kein Zukunftsgeschäft für unsere freibeutende Branche.“
Piraten gehen in der Brettspiel-Szene ja schon irgendwie. Und Neuauflagen mit Piratenthema erst recht. Und nicht nur Feuerland Spiele kann mit Libertalia: Auf den Winden von Galecrest eine Neuauflage für ein Brettspiel rausbringen. Auch Queen Games hat mit Pirates den gleichen Weg beschritten und ein schon einmal veröffentlichtes Spiel einem Facelifting unterzogen, um es erneut auf den Markt zu bringen. Wie uns Pirates gefallen hat, könnt ihr in unserem Test zum Brettspiel vom Autor Stefan Dorra nachlesen.
Viel Spaß beim Lesen!
Pirates hat nichts mit Pirates zu tun
Klar, wenn ich Pirates höre, muss ich sofort an den Videospielklassiker von Sid Meier denken. Wo mein kleiner AMIGA 500 zu meinem Schiff wurde und ich durch die damals schier unendliche Weite der Karibik gesegelt bin. Und um hier gleich vorwegzugreifen: Auch wenn das Brettspiel Pirates von Queen Games den gleichen Namen träge und auch irgendwas mit Piraten zu tun hat, Hat es auf alle Fälle nichts mit dem Videospielklassiker zu tun.
Sehr wohl aber mit dem Brettspielklassiker Seeräuber, der im Jahre 2006 immerhin eine Nominierung zum Spiel des Jahres einheimsen konnte. Also wurde mit der Comicreihe Bonnie Lass nicht nur das Spiel optisch überholt, sondern auch die Regeln wurden noch einmal überarbeitet und angepasst.
Bevor ich allerdings meine Freibeuter-Karriere starten kann, muss ich erst einmal eine Mannschaft zusammenbekommen. Und das ist der eigentliche Kernmechanismus von Pirates. Denn alleine bekomme ich keine Mannschaft zusammen. Ich schicke meine Leute durch die Gegend, damit sie die Piraten von meinen Mitspielenden rekrutieren. Dargestellt ist das durch simple Holzscheiben und im Grunde baue ich entsprechend hohe Türmchen. Denn je wertvoller die Schiffe sind, desto mehr Piraten bzw. Scheiben braucht es, um ein solches Schiff zu entern.
Und so geht die Schieberei erst einmal los, ich versuche also, dass meine Piraten schön verteilt auf den Schiffen der anderen Mitspielenden mitfahren und ich dafür die billigen Piraten bekomme. Denn ist das Schiff oder die Beute erst einmal gestellt, kommt die Bezahlung und da zahlt es sich dann schon aus, wenn meine Piraten bei meinen Konkurrenten mitfahren. Andererseits kann ich aber auch nicht auf Schiffe gänzlich verzichten, denn diese bringen mir nicht nur Dukaten ein, sondern am Ende kann es auch noch ordentlich Punkte regnen, wenn ich denn genügend davon habe.
Das ist doch nicht etwa eine Meuterei?
Irgendwann muss ich allerdings auf Beutezug gehen. Die Frage ist nur, wann lassen meine Mitspielenden dies zu. Denn selbst wenn ich einen ansehnlichen Piraten-Holzscheiben-Turm mein eigenen nennen darf, muss ich diesen immer noch besitzen, wenn ich wieder am Zuge bin. Bis dahin kann er mir immer noch unter der Nase weggeschnappt werden. Und dann steh ich da. Oder aber einer meiner Mitspielenden entscheidet, dass es Zeit wäre für eine Meuterei. Wenn sich ein Pirat aus seinem oder ihrem Gefolge in meinem Turm befindet, wird dieser dann zum Kapitän befördert und schnappt sich das Schiff.
Das muss jetzt nicht das allerschlechteste sein, denn bei einer Meuterei bekommen alle beteiligten Piraten den doppelten Lohn ausgezahlt. Auch damit kann das Dukaten-Konto schön vor sich hinwachsen. Und wie zuvor erwähnt: Am Ende geht es eben nur um den schnöden Mammon bzw. die schnöden Dukaten.
Diese Prozedur, also Stapeln bzw. Anheuern, Entern oder Meutern, wiederholen wir so lange, bis es keine Schiffe oder Orte mehr gibt, die wir uns unter den Nagel reißen können. Dann wird mittels Mehrheitenwertungen noch geschaut, wer die meisten Schätze sichern konnte und dann die meisten Dukaten gezählt und damit ermittelt, wer der oder die ruchloseste Pirat oder Piratin ist.
Bei den Regeln gepatzt
In den Spielrunden bei denen Pirates auf den Tisch gekommen ist, hatten wir schon alle unseren Spaß. Wobei das natürlich durch das Brettspiel gefördert wurde. Das Setzen der Piraten-Scheiben, das Wegschnappen der Mannschaften unter der Nase des Anderen und auch die Angst davor, ob ich denn doch nicht zum Meutereiopfer werde. Das alles erzeugt die angenehme Atmosphäre, die ich mir von einem schönen Spieleabend erhoffe. Und da passt Pirates aus meiner Sicht sehr gut hinein. Am Anfang einfach mal ein lockeres Spielchen, bevor man zu den dicken Brocken wechselt. Dabei kann ich auch noch gut quatschen und der eigentliche Sieg oder die verheerende Niederlage ist nicht ganz so wichtig. Der spielende Weg macht den Spaß aus bei Pirates.
Aber da muss ich erst einmal hinkommen. Und hier muss ich sagen, hat Pirates aus meiner Sicht versagt. Im Vergleich zu seinem Vorgänger wurde das Spiel zwar straffer gestaltet und die Spannungskurve wurde deutlich erhöht. Aber bis ich das Spiel richtig verstanden hatte, dauerte es durchaus. Und auch Freunden und Bekannten, denen ich das Regelheft in die Hand gedrückt habe, wussten am Anfang nicht genau, was das Spiel eigentlich von Ihnen wollte und wie sie das Spiel spielen sollte. Gerade der Aufbau der Entermannschaft war hier der Flaschenhals.
Ich hätte mir eine deutlich bessere Regelstruktur gewünscht. Zwar steht alles in den Regeln drin, aber ein Beispiel, wie ein solcher Zug denn aussehen könnte, wäre aus meiner Sicht viel hilfreicher gewesen, als das Beispiel, welche Stapel gebildet werden können und dass ein Stapel nicht höher als neun Piraten sein darf. Klar, nach den ersten Runden war allen klar, wie das Spiel funktioniert. Aber gerade, weil es die zweite Version eines Spieles ist, hätte man hier noch mehr Wert drauflegen sollen.
Auch wurde aus meiner Sicht die Wertung am Ende unnötig verkompliziert. Mit Hilfe einer Tabelle, die sich nur in der Anleitung befindet. Muss ich schauen, wie viele Spieler mitgespielt haben und wie deren Verhältnis zwischen den entsprechenden gesammelten Symbolen aussieht, eine Neuerung, die es beim Vorgänger Seeräuber nicht gab. Dadurch wurde leider die Lockerheit, die wir während der Partie erlebten, hinweggespült und durch ein stupides Excel-Logik-Gefühl ersetzt.
Ahoi, Pirates
Im Endeffekt bleibt von Pirates ein gemischtes Gefühl zurück. Einerseits sind da die spaßigen Runden, die ich hatte. Andererseits ist da aber auch die kleine Stimme im Hinterkopf, die sich fragt, wäre der Spaß der gleiche gewesen, wenn ich eben nicht zur Seite gestanden hätte? So konnte ich manche Regelfrage schnell und unkompliziert erklären. Das Regelheft musste meinen Mitspielenden nicht zur Seite stehen und hätte somit vielleicht mehr Fragen aufgeworfen, als es beantwortet hätte.
Aber das kann ich leider nicht beantworten. Ich kann für mich nur die Frage beantworten: Bin ich wieder dabei, wenn Pirates auf den Tisch kommt? Na klar, mit den richtigen Spielenden am Tisch auf alle Fälle. Die es einem eben nicht übel nehmen, wenn ich ihnen ihre Entermannschaft mal kurzzeitig für nen Beutezug ausleihe.
Euer Rating zu Pirates
Pirates ist bei Queen Games erschienen.
Für die Review stand uns ein kostenfreies Review-Exemplar zur Verfügung.