Jaja, so ein eigenes Stückchen Land wäre schon was Feines. Eine kleine Farm mit allem was dazu gehört. Dann muss ich nicht mehr jeden Tag im kalten Fluss stehen und nach Gold suchen. Aber vielleicht sollte ich auch meine Zelte hier abbrechen und weiter flussaufwärts ziehen. Da soll es noch genug freies Land geben, auch wenn es noch gezähmt werden muss. Aber hier an der Frontier-Line ist das ja der Normalzustand. Ui, was glitzert denn da in meiner Pfanne, dass ist doch nicht etwa…
Days of Wonder sind eigentlich bekannt dafür, anspruchsvolle und originelle Brettspiele mit einer tollen grafischen Umsetzung anzubieten. Bei dem zuletzt erschienenen The River ist dies allerdings alles ein bisschen anders. Warum das so ist, klären wir in unserer Rezension zu dem gleichnamigen Spiel.
Follow the River
Ja, das Leben in Nordamerika ist nicht leicht. Zum einen müsst ihr Landschaften entdecken und euch dabei immer weiter flussaufwärts bewegen. Und als ob dies noch nicht genug ist, müsst bzw. solltet ihr auch noch Häuser bauen. Genau dies macht ihr in The River. Ehrlich, mehr ist es nicht.
The River ist ein klassisches Worker-Placement Brettspiel. Wenn ihr am Zug seid, setzt ihr einen eurer 4 bzw. 5 Arbeiter ein. Mit ihm könnt ihr Ressourcen sammeln, Häuser bauen, Landschaften erkunden oder Startspieler werden. Das klingt schon einmal sehr übersichtlich. Ressourcen braucht ihr, um Häuser zu bauen. Häuser wiederum bringen euch für das Ende Siegpunkte, wobei Häuser mit mehr Ressourcen euch auch mehr Siegpunkte bescheren. Und Ressourcen bekommt ihr über Landschaften, die diese mit der entsprechenden Aktion produzieren.
Eine Besonderheit ist, dass die Ressourcen Lehm, Stein, Holz und Truthahn – dieser gilt als Joker – nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen und ihr auch nur soviel lagern könnt, wie ihr Lagerhäuser zur Verfügung habt. Wobei Lagerhäuser sich auch auf den Landschaftsplättchen befinden, die auch die Ressourcen beherbergen.
Das Erkunden und Ablegen einer neuen Landschaft auf eurem Tableau kostet euch dabei nichts, einzig eine Aktion muss dafür ausgegeben werden. Neue Landschaften bringen euch dabei nicht nur neue Lagerhäuser und Ressourcen, sie bringen auch Siegpunkte bzw. leiten das Ende des Spieles ein. Denn habt ihr entweder 12 Landschaften auf eurem Tableau abgelegt oder je nach Spieleranzahl baut ihr euer 4. bzw. 5. Haus, ist auch schon Schluss. Danach gewinnt derjenige, der die meisten Siegpunkte hat.
Ruhestand für Arbeiter
Eine kleine Besonderheit gibt es noch bei The River. Je weiter ihr flussaufwärts kommt, desto weniger Arbeiter und damit verbunden Aktionen, stehen euch zu Verfügung. Sobald ihr bestimmte Stellen auf eurem Tableau mit Landschaften bedeckt, müsst ihr einen Arbeiter abgegeben. Dieser steht euch dann ab der nächsten Runde nicht mehr zur Verfügung. Also eigentlich ein umgedrehtes Prinzip, wie man es sonst aus anderen Brettspielen kennt, wo ihr im Laufe der Partie mehr Arbeiter bekommt, um mehr Aktionen zu machen und nicht weniger.
So kommt eine taktische Komponente ins Spiel. Wann ihr ein neues Landschaftsplättchen nehmt, muss also gut geplant werden. Zu früh und euch gehen wertvolle Aktionen flöten, zu spät und ihr habt den Anschluss verloren. Denn auf Grund der wenigen Aktionsmöglichkeiten ist The River auch ein Rennspiel. Jeder am Tisch baut eben entweder Häuser oder erkundet den Fluss mit neuen Landschaftsplättchen weiter. Ihr könnt gar keine anderen Strategien fahren und da das eben alle am Tisch machen, ist es unterm Strich eben ein „Wer bekommt die richtigen Häuser und Plättchen zur rechten Zeit?“.
Ein seichter River
Als Days of Wonder The River für die SPIEL 18 ankündigten, hatte ich kurz danach in unserem Artikel von dem Brettspiel geschwärmt. Gerade die Verknappung der Aktionen, je weiter das Spiel voranschreitet, hatte es mir angetan. Nachdem wir nun ein paar Mal das Spiel auf den Tisch hatten, zeichnet sich allerdings ein anderes Bild ab. Denn The River ist ein simples Worker-Placement-Brettspiel, nicht mehr und nicht weniger. Das ist per se erst einmal nicht schlecht. Nicht jedes Brettspiel muss mit neuen innovativen Mechanismen daherkommen und die Spieldauer erst einmal auf Minimum 3 Stunden setzen. The River geht hier einen komplett anderen Weg. Ich erkläre das Spiel innerhalb von 10 Minuten und 30 Minuten später ist die Partie auch schon vorbei. Somit bleibt Zeit für gleich noch eine Partie.
Doch leider ist dies für mich als Vielspieler zu kurz bzw. zu wenig. Ich will andere Strategien ausprobieren und schauen, ob sie funktionieren oder eben nicht. The River mit seinen engen Grenzen allerdings bietet hier keinen großen Spielraum. Und so hat sich nach einigen Partien sehr schnell herauskristallisiert, dass schnell viele Häuser bauen der lukrativste Weg ist, um an Siegpunkte zu kommen.
Die einzige Strategie die genauso stark ist, ist der Versuch so schnell wie möglich Landschaften zu erkunden. Aber auch hier errichtet man nebenbei Häuser, denn ich kann eben nur maximal 2 Landschaften pro Runde auf meinem Tableau ablegen. Doch die Landschaftsstrategie braucht viel Glück, denn nur mit den richtigen Landschaften kann ich auch punkten. Wenn diese nicht erscheinen, schaue ich in die Röhre oder ich schaue zu, wie meine Frau ein Haus nach dem anderen baut und mich förmlich abhängt. Für Vielspieler wie uns ist es also eher ein Wettrennen, bei dem dem anderen in die Parade gefahren wird.
Anders sieht dies allerdings bei Neueinsteigern aus. Hier konnte ich beobachten, dass The River genau das richtige Maß an Komplexität anbietet. Es sind nicht zu viele Aktionen, damit neue Spieler sich verzetteln, es sind aber auch nicht so wenige, dass mein Handeln keine Konsequenzen hat. Wann platziere ich meinen Arbeiter wo, ist für uns als Vielspieler ein übliches Dilemma. Neulinge müssen dies erst einmal lernen, gerade weil die Aktionen begrenzt sind.
Ein Trend?
Somit bildet The River zusammen mit Zug um Zug: New York eigentlich ein Gespann. Beide sind im gleichen Jahr erschienen und sprechen eindeutig Einsteiger und Wenig-Spieler an. Beide Brettspiele sind soweit heruntergebrochen, dass alles unnötige und komplizierte über Bord gegangen ist. Das muss nicht schlecht sein und auch bei The River empfinde ich das Brettspiel als durchaus solide. Es hat aus meiner Sicht keine Macken. Einzig die Aktion den Startspieler zu wechseln, empfinde ich als zu schwach. Als Vielspieler bin ich es gewohnt, dass ich noch eine Kompensation dafür bekomme, wenn ich den Startspieler Token an mich reiße. Das passiert bei The River nicht. Andererseits verstehe ich auch, dass diese Aktion genauso minimalistisch ist, wie der Rest des Spieles. Denn für den Einsteiger bleibt es genau eine Aktion: Ich bekomme den Startspieler und das ist überschaubar.
Mir persönlich ist der Glücksanteil für ein Worker-Placement-Brettspiel zu hoch. Wenn ich unbedingt ein Grasland-Plättchen brauche und es wird nur eines gezogen, muss ich auch noch Glück haben, dass kein anderer Mitspieler auch auf dieses Plättchen spekuliert und es mir vor der Nase wegschnappt. Auch die zur Verfügung stehenden Häuser sind glücksabhängig. Hat mein Mitspieler sich auf Stein als Ressource spezialisiert und werden nur Häuser aufgedeckt, die genau diese Ressource als Hauptbestandteil haben, sieht es für mich auch schlecht aus.
Was ich mir persönlich gewünscht hätte, wären vielleicht durch gebaute Häuser zusätzliche Boni oder Sonderaktionen als extra Modul oder Variante. Klar, für den Einsteiger ist das wieder ein Zuviel an Komplexität, aber als Variante für den Vielspieler wäre es durchaus praktikabel gewesen. Und dies ist ja auch kein neues Feature, sondern wird von vielen anderen Brettspielen schon so gehandhabt. Rückblickend auf den aktuellen Jahrgang wären hier zum Beispiel Solenia oder auch Die Tavernen im Tiefen Thal genannt.
Natürlich ist die Qualität der Komponenten wieder auf gewohnt hohem Niveau, wie ich es von Days of Wonder kenne. Alle Bestandteile des Spieles passen auch nach dem Auspöppeln wunderbar in das Inlay. Die Regeln sind klar und strukturiert geschrieben, so dass ich schnell in das Spiel finde. Nur eine kleine Sache ist mir aufgefallen: In den Regeln werden zwar die Bonuspunkte beschrieben und welche ihr in einer 2er Partie benutzt, ob ihr diese extra Markierten Punkte auch in einer 3er oder 4er Partie benutzt, war uns zu Anfang nicht sofort klar.
Was ich allerdings vermisse, ist ein Punkteblock. Der liegt diesmal Days of Wonder untypisch nicht dabei.
Allerdings einen dicken Punkt Abzug bekommt The River bei seinem Design speziell für Leute mit Farbschwäche. Besitzt ihr eine Rotblindheit oder eine Grünblindheit sind die Landschaften schlicht nicht unterscheidbar. Warum hier keine Symbole eingesetzt werden oder die Illustration nicht eindeutiger und somit unterscheidbarer ist, erschließt sich mir nicht. Genau das führte bei einer Partie dazu, dass ein Mitspieler deswegen eine Handvoll Punkte verloren hat.
Unterm Strich ist The River ein schneller Zeitvertreib für den Vielspieler, hat für mich aber nicht genug strategische Möglichkeiten, um mich auf lange Zeit am Tisch zu halten. Ich behalte das Brettspiel dennoch in meiner Sammlung, um für Einsteiger gewappnet zu sein. Denn wer keine großartige Ahnung hat von Worker-Placement, bekommt mit The River einen soliden Einstieg.
Euer Rating zu The River
The River ist erschienen bei Asmodee.
Für die Review stand uns ein kostenloses Rezenzionsexemplar zur Verfügung.