Review Welcome Blue Cocker

Welcome to… – Roll and Write ohne Würfel

Welcome to CoverJedes Haus hier in Boardgameville hat einen Garten, in dem die Kinder spielen können und wo große Bäume wachsen. In deren Schatten ist die Hängematte aufgespannt, auf der ihr entspannt liegen könnt und die neusten Rock’n Roll Hits im Transistorradio hören könnt. Vielleicht ist ein Baum sogar so gewachsen, dass ein Baumhaus auch noch seinen Platz findet. Und wer weiß, vielleicht spielt der kleine Jimmy dort mit seinen Freunden eines dieser neumodischen Brettspiele wie Monopoly oder Risiko. Komisch nur, dass keine Würfel zu hören sind! Vielleicht solltet ihr mal nachschauen? Tatsächlich! Jimmy spielt mit seinen Freunden ein Brettspiel! Doch Moment mal, es ist  gar kein Brettspiel, sondern ein Würfelspiel und noch schlimmer: Es ist ein Würfelspiel ohne Würfel! Klein-Jimmy versucht sich doch glatt als Stadtplaner, um  in Welcome die perfekte Siedlung zu gestalten. Wo bekommt die Jugend von heute bloß solche Brettspiele her?

Wer schon immer der Meinung gewesen ist, dass ein kleiner, erfolgreicher Stadtplaner in ihm schlummert, der kann dies nun bei Welcome von Blue Cocker Games beweisen. Das Brettspiel, das eigentlich kein Brettspiel ist, bringt frischen Wind in die Reihen der Roll ’n Write Spiele. Welchen genau, zeigen wir euch in diesem Review.

Welcome – ein Würfelspiel ohne Würfel

Welcome KartenBevor ich angefangen habe diese Review zu schreiben, musste ich mein kleines Köpfchen schon ganz schön anstrengen. Denn Welcome ist anders, als andere Spiele, bei denen gewürfelt und dann etwas aufgeschrieben wird. Aber dann ist es doch nicht wirklich anders. Das liegt daran, dass ich nicht einmal weiß, was das Spiel genau ist. Ist es überhaupt ein Brettspiel? Oder ist es ein Würfelspiel wie Ganz schön clever, nur ohne Würfel? Oder ist es ein Kartenspiel? Die Antwort ist ja und nein.

Okay was ein Brettspiel ist und ob Welcome dazu gehört oder nicht, würde hier wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Also schauen wir uns einmal die anderen Fragen an.Wenn man über ein Würfelspiel spricht fällt den meisten wahrscheinlich Yahtzee/Kniffel ein. Und natürlich weiß man, dass man zum Spielen Würfel und einen Wertungsblock braucht. Im englischen Sprachgebrauch hat sich deswegen auch der Begriff Roll ’n Write für diese Art von Spielen durchgesetzt und auch Welcome nutzt zumindest den Wertungsblock. Nur braucht es eben keine Würfel. Den Zufall steuert ihr hier mit Karten, also doch eher ein Kartenspiel? Aber auch das ist nicht ganz korrekt, da die Karten ja eigentlich nur verschiedene Zahlen während des Spieles darstellen.

Ich glaube für diese Art von Brettspielen müsste man erst noch die Kategorie Flip ’n Write erfinden. Und in dieser Kategorie wäre Welcome im Moment auf alle Fälle der Platzhirsch.

Umgezogen nach Brettspiel-Town

Welcome BoxSchwer ist Welcome nicht wirklich: In jeder Runde werden drei Karten aufgedeckt und dadurch werden drei Zahlen sichtbar. Diese Zahlen stehen einfach für Hausnummern, die ihr in aufsteigender Reihenfolge auf eurem Block eintragen müsst. Dabei müssen die Hausnummern nicht immer an eine bestehende Hausnummer anschließen. Gut, die Hausnummern alleine sind noch nicht das Besondere am Spiel. Es ist die Kombination aus Hausnummer und Rückseite der vorherigen Karte, denn auf ihr sind unterschiedliche Symbole abgebildet, die für unterschiedliche Aktionen stehen.

Die vielleicht wichtigste ist die Zaun Aktion, denn mit dieser unterteilt ihr die Straße in einzelne Parzellen verschiedener Größen. Diese braucht ihr wiederum, um unterschiedlich Punkten zu können.

Weiterhin können Parks angelegt werden oder das aktuelle Haus kann einen Swimmingpool bekommen, wenn dieser denn auf dem Wertungsblock vorhanden ist. Oder ihr gebt den städtischen Bauarbeitern einen Job, was dazu führt, dass ihr eine Hausnummer bis zu zwei Werte auf- oder abwerten könnt. Eine andere Aktion besteht darin, den Wert der Grundstücke zu steigern, so dass ihr am Ende von Welcome hier besonders hoch punkten könnt. All diese Aktionen geben euch irgendwie Punkte. Einige sind relativ einfach, wie zum Beispiel bei den Bäumen andere sind sehr schwer zu erreichen, wie bei den Swimmingpools, wo ihr auch eine gehörige Portion Glück braucht, damit genau die Kombination aus Hausnummer und Pool kommt, die ihr braucht.

Punkt um Punkt zum Meister-Architekt

Es kann aber auch passieren, dass euch Punkte abgezogen werden. Zum Beispiel gibt es eine Aktion, womit ihr eine Hausnummer mit einem Buchstaben versehen könnt. Habt ihr also falsch geplant und müsstet an eine 9 eine 10 anlegen, diese 10 ist aber schon vergeben, könnt ihr so zum Beispiel eine 9A eintragen, um doch noch ein Haus bauen zu können. Oder ihr könnt eine Nummer gar nicht mehr eintragen, auch dann müsst ihr in klassischer Roll’n Write Manier einen Fehlwurf oder besser gesagt einen Fehlzug verzeichnen. Das gibt euch dann natürlich zum Ende hin wieder Negativpunkte.

Natürlich endet auch Welcome irgendwann. Entweder eure Siedlung ist voll und ihr könnt keine weiteren Hausnummer eintragen, ihr habt drei Fehlzüge eingetragenoOder ihr habt alle der drei zufälligen Aufträge erfüllt. Für jeden Auftrag bekommt ihr natürlich Siegpunkte, wobei der erste Spieler, der einen Auftrag erfüllt, natürlich mehr Punkte bekommt als alle anderen. Bei den Aufträgen geht es im normalen Spiel darum, bestimmte Parzellen-Konstellationen zu erreichen. Wer dann unterm Schlussstrich die meisten Punkt hat gewinnt.Welcome Zettel

In der Ruhe liegt die Kraft

Spielt ihr Welcome, wird das eine ruhige Zeit, denn wirklich große Interaktion zwischen den Spielern gibt es nicht. Die Karten werden gezogen jeder Spieler streicht, schreibt oder kritzelt auf seinem Block das gewünschte an und dann werden schon die neuen Karten aufgedeckt. Bis auf gelegentliches „Fertig?“ hört ihr eigentlich nichts während des Spielens. Damit ist Welcome perfekt für all diejenigen geeignet, die intolerante Brettspiel-Nachbarn haben. Spaß beiseite: Einer der größten Kritikpunkte ist wirklich die fehlende Interaktion. Wenn ihr zu dritt spielt, kann jeder von euch genau eine Karte umdrehen, aber das war es auch schon.

Und leider kommt es durch diese fehlende Interaktion öfter einmal dazu, dass ihr vor euch hinmalt und gar nicht mitbekommt, was eure anderen Mitspieler eigentlich machen. So passiert es öfter einmal, dass ein Spieler überraschenderweise das Spiel beendet, ohne dass ihr es mitbekommen habt.

Das ist allerdings nicht Genre unüblich. Auch bei einem Noch mal seid ihr die größte Zeit über eher schweigsam unterwegs.

Ziehen wir ein

Das Faszinierende an Welcome ist die Abwechslung. Jede Partie ist durch den Karten-Mechanismus anders. Es kann durchaus passieren, dass ihr diesen einen Swimmingpool, den ihr unbedingt bei Hausnummer 11 bauen wollt, einfach nicht bekommt. Und auch die Abschätzung am Anfang bringen bereits wichtige Entscheidungen mit sich. Wo fange ich mit der Nummerierung an? Bekomme ich alle Karten, die ich wirklich brauche oder passiert es, dass in einer Runde genau die drei Hausnummern aufgedeckt werden, die ich alle brauche? Welche davon bringt mir mehr? Auf welche kann ich verzichten?

Und wenn es dann zum Ende des Spieles geht, kommt auch die Angst. Werden noch die Karten kommen, die ich brauche. Werden sie auch die Aktionen mit sich bringen, die sinnvoll für mich sind? Ähnlich wie sich eure Siedlung während der Partie entwickelt, entwickelt sich eben auch die Spannung und das gefällt mir persönlich sehr.

Auch die Illustrationen sind absolut stimmig und versetzen euch in die Zeit der 50er/ 60er, als die Vorstädte in den USA boomten. Auf den Karten gibt es auch nach mehrmaligen Spielen, immer wieder was Neues zu entdecken. Hier hat Anna Heidsieck eine wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Wer sich Welcome vielleicht noch zu legen möchte, dem sei auch der alternative Spielzettel ans Herz gelegt. Dieser kann ganz einfach bei Blue Cocker heruntergeladen werden und spricht speziell die Nerds unter uns an.

Für uns wäre Welcome fast das Pleasantville unter den Roll’n Writes geworden, gäbe es nicht einen dummen Fehler. Ein Fehler der sich speziell an die deutsche Version richtet: Das Regelheft ist wirklich sehr schlecht umgesetzt. Die Formulierungen sind nicht immer gut gewählt und teilweise wirken die Erklärungen etwas holperig bis hin zur Unverständlichkeit. Zum Glück gibt es allerdings genug bebilderte Beispiele, an denen ihr manche Unklarheit ausräumen könnt.

Dazu kommt noch, dass eine komplette Regel einfach fehlt, die schon spielentscheidend sein kann. Wer kein Problem mit der englischen Anleitung hat, sollte vielleicht bevorzugt zu dieser greifen.Welcome Illustrationen

Welcome in unserer Brettspielsammlung

Welcome BrettspielAuch wenn die Regeln einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen haben, so hat sich Welcome einen Platz in unserem Spielerherzen gesichert. Und so ist das Spiel eine echte Alternative zu den klassischen Roll’n Writes geworden, auch wenn das haptische Erlebnis des Würfelwerfens fehlt. Dazu kommt noch, dass sich Welcome gefühlt schneller spielt als die Würfelkonkurrenz. Natürlich liegt dies an der eigentlich nicht vorhanden Downtime, da ihr ja immer zur gleichen Zeit spielt.

Mein persönlich größtes Manko an Welcome ist die Tatsache, dass es ähnlich, wie Roll for the Galaxy, immer genau dann aufhört wenn es am Schönsten ist.


Euer Rating zu Welcome


Welcome ist auf deutsch bei Blue Cocker Games erschienen.

Welcome To... (2018)
Spieler:
1 - 100
Dauer:
25 Min
Alter:
10+
BGG Rating:
7.56
Verlag:
Blue Cocker Games
BGG:

Für die Review wurde uns ein Rezensionsexemplar von Blue Cocker Games zur Verfügung gestellt.


2 Kommentare

    1. Hi Daniela,

      „The first player who completes a goal can
      choose to reshuffle the 81 Construction
      cards and deal three new stacks of cards as
      in game setup.“ – Das ist die Original Regel, die es im deutschen Regelwerk nicht gibt. Ob man diese nun anwendet oder nicht ist komplett einem selbst überlassen. Wir haben Welcome To.. sowohl mit neumischen nach Auftragserfüllung gespielt als auch ohne.
      Beim Neumischen ändert sich halt wieder die Chance an eine Nummer zu kommen, die eigentlich schon raus war und die ich doch noch gebraucht hätte.

      Wir konnten in Essen einen Blick auf die Erweiterungen werfen und sagen wir mal so, man kann sie sich anschaffen, braucht sie aber nicht. Uns konnten sie nicht so stark überzeigen, so das wir sie nicht mitgenommen haben. Interessanter ist da eher Welcome To Las Vegas. welches im Februar erscheinen soll. Das gibt dem Flip & Write noch einmal mehr Tiefe.

      Viele Grüße
      Jan

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