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12 mal Zug um Zug
Okay, ich falle gleich mit der Tür ins Haus. Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens ist einfach genial und hat mich gleich von Anfang an begeistert. Immerhin spielen wir Zug um Zug und das, weil es ja ein Legacy-Spiel ist, gleich 12 Mal am Stück. Und dabei verändern sich nicht nur die Regeln oder es kommen neue dazu. Es passiert auch was auf dem Spielplan. Sticker werden geklebt, Karten unwiederbringlich zerstört oder eben andere Legacy-Elemente kommen zum Zuge. Welche genau, das will ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
Es ist kein großes Geheimnis, dass sich natürlich an dem Grundprinzip zu einem Zug um Zug nichts ändert. Wie immer habe ich Tickets auf der Hand, die es gilt zu erfüllen, damit ich Punkte bzw. im Falle von Legenden des Westens eben Dollar bekomme. Um dies zu erreichen, kann ich, wenn ich dran bin, entweder Wagenkarten nachziehen oder eben auch ausspielen, um so die Strecken zwischen den einzelnen Städten für mich zu beanspruchen. Nach und nach wächst mein Zugnetz, sodass ich die Städte auf den Tickets irgendwann hoffentlich verbunden habe.
Ihr seht, soweit ist dies bekannt. Am Grundkonzept ändert sich auch nichts über 12 Partien hinweg. Und hier kommt schon mein erstes kleines Achtung: Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens erfindet das Rad eben nicht neu. Das heißt, wenn ihr mit Zug um Zug einfach nichts anfangen könnt – Und diese Spielenden da draußen gibt es – wird aus meiner Sicht Zug um Zug in der Legacy Variante auch nicht seine volles Potential entfalten können.
Erweiterung um Erweiterung
Mein Kollege Udo Bartsch hat in seiner Kritik1https://rezensionen-fuer-millionen.blogspot.com/2024/03/zug-um-zug-legacy-legenden-des-westens.html, darauf verwiesen, dass das Spiel Partie um Partie eine Mini-Erweiterung bekommt. Und das sehe ich auch so. Da das Prinzip ja immer gleich bleibt, wird die Spannung beim Spielen durch diese Erweiterungen getrieben. Ich sehe dies für meinen Fall nicht als Mini-Erweiterungen an, sondern sogar als normale Erweiterungen. Eigentlich sind es nämlich 12 Zug um Zug Map-Collections, die ihr euch da auf den Brettspieltisch holt. Hier hat jede einzelne (Mini) Erweiterung in der Legacy-Variante deutlich mehr Substanz, als so manche Map-Collection, die in meinem Regal steht.
Natürlich ist das Bestandteil und Faszination zugleich am Spielen von Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens. Welche Schachtel mache ich auf als Nächstes auf, welches Element wird dem Spiel hinzugefügt und welche Erweiterung kommt nun auf den Spielplan. Und das haben die Autoren wirklich hervorragend hinbekommen. Jede Erweiterung passt perfekt in das Spielerlebnis, ohne das große Ganze zu beeinträchtigen.
Jeder für sich
Im Gegensatz zu den Pandemic-Legacy-Spielen arbeiten wir nicht gemeinsam daran, Nordamerika mit unseren Eisenbahnen zu erschließen. Jeder ist sein eigener Eisenbahn-Baron bzw. seine eigene Eisenbahn-Baronin. Am Ende geht es nur um den schnöden Mammon und darum, wer das wertvollste Eisenbahnunternehmen sein oder ihr Eigen nennt.
Und der Weg dahin ist natürlich gespickt mit einem Haufen Emotionen, die wir aber schon von Zug um Zug kennen. Da wird gebangt, ob die Strecke, die ich für mein Ticket brauche, noch eine Runde frei bleibt. Oder ich ärgere mich einfach, weil meine Konkurrenz mir genau die Strecke vor der Nase wegschnappt oder schlimmer noch, ich einfach nicht die Karten bekomme, um meine Strecke effizient zu planen und zu bauen. Oder einfach die innerliche Freude, wenn ich zwei Joker-Loks am Stück vom Nachziehstapel ziehe. Dem bekennenden Zug um Zug Fan kommt das ja alles bekannt vor. Und wer damit nichts anfangen kann, ich verwies bereits darauf, wird das auch nicht in Legenden des Westens zu schätzen wissen.
Jedenfalls kommt für mich bei Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens noch eine emotionale Ebene obendrauf und diese kommt durch die (Mini-)Erweiterungen. Gerade beim ersten Mal spielen, wenn ich bisher nicht weiß, was da kommt. Bin ich eben noch mehr angespannt und teilweise schaffen es einige Elemente, diesen Spannungsbogen aufs Äußerste zu straffen. Für die, die es schon gespielt haben: Ich sage nur Florida bzw. Kalifornien.
Ein Zug um Zug und doch unterschiedliche Reisen
Bei Pandemic-Legacy war der Weg schon ein wenig vorgegeben und wir wurden im Laufe einer Partie immer so geführt, dass wir den Anschluss nicht verlieren. Zug um Zug: Legenden des Westens ist hier losgelöster. Zwar starten wir alle im Osten des Landes in den Neuengland-Staaten, wo auch damals die ersten Zuglinien der USA ihre Geburtsstunden hatten.2https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Eisenbahn_in_Nordamerika#1826%E2%80%931860_Die_Anf%C3%A4nge Doch je nach Lust und Laune können sich hier die Wege schon trennen.
Wir zum Beispiel hatten uns entschieden, als Erstes in Richtung Florida zu gehen, um dort die Eisenbahn-Strecken zu erschließen. Wobei das natürlich nicht wirklich wir waren, sondern der Gewinner einer einzelnen Partie. Andere Gruppen haben Florida aber erst später im Verlauf der Kampagne angebunden.
Dadurch ergeben sich allerdings auch zwei Probleme. Zum einen muss Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens genau diese Erweiterungs-Situation umsetzen, wie ich sie beschrieben habe, denn nur dadurch kann jede Partie funktionieren, weil sie für sich alleine funktionieren muss. Das andere und vielleicht größte Problem von Zug um Zug ist, dass die Story hinter dem Spiel sehr, sehr dünn ist.
Konnte Pandemic noch mit einer packenden Story punkten, die sich über Stellen hinweg wie ein Thriller anfühlte, gibt es nichts Vergleichbares bei Zug um Zug. Es gibt zwar eine Story, diese ist aber recht mechanisch und hat keine wirkliche Tiefe. Bei Zug um Zug liegt der Story-Fokus eben immer genau auf der Partie, die ihr gerade spielt. Da es ja auch zeitlich immer wieder innerhalb der Partie um Jahre springt, macht dies auch Sinn. So erlebt ihr, wie schon erwähnt, den Aufschwung der Eisenbahn in den Oststaaten und irgendwann kommt natürlich auch der Goldrausch als dominierendes Thema in einer Partie vor. Im Grunde ist die Story bei Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens der geschichtliche Rahmen Nordamerikas.
Verpasste Chance oder der einfache Weg
Leider wird diese Geschichte nur als Beiwerk verstanden. Das passt natürlich zum einen in das recht lockere Spielprinzip von Zug um Zug. Aber es wird leider nicht großartig auf die Geschichte der Eisenbahn eingegangen. Vielmehr macht man es sich einfach und schreibt einen kurzen Disclaimer in die Regeln, dass man sich bewusst ist, dass das nicht so war, aber was soll man machen.
Hier hätte ich mir mehr gewünscht. Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens ist ein sehr hochpreisiges Brettspiel und da wäre es aus meiner Sicht durchaus möglich gewesen, wenn man noch einmal ein entsprechendes Booklet beigefügt hätte, das diese Zeit einfach noch einmal genauer und kritischer betrachtet hätte. Die Historie wird hier eindeutig dem Spielspaß geopfert. Zug um Zug macht den Anschein, durch Illustrationen und Ereignisse historisch zu sein, vergisst dabei aber die Historie. Der Umgang mit den Natives wird genauso unter den Teppich gekehrt wie auch die Massen an chinesischen Arbeitern, die maßgeblich zum Erfolg der Eisenbahn beitrugen. 3https://americanhistory.si.edu/explore/stories/TRR4https://web.stanford.edu/group/chineserailroad/cgi-bin/website/
Mehr ist besser
Noch ein Wort zu der Spieleranzahl möchte ich hier verlieren. Zwar kann ich Zug um Zug: Legenden des Westens schon ab zwei Personen spielen. Doch auch hier gilt, wie in vielen Legacy Spielen, mehr ist durchaus besser. Zum einen ist hier der happige Preis, dieser wird bei mehr Leuten pro Partie natürlich deutlich relativiert. Andererseits ist hier aber auch das wirkliche Erleben. Es macht einfach mehr Spaß, wenn man eine der verschlossenen Schachteln mit mehr Spielenden am Tisch öffnet.
Andererseits ist es das Zug um Zug Spielprinzip. Auch hier gilt, mehr ist besser. Es gibt zwar die entsprechenden Streckeneinschränkungen in den Regeln, aber ich habe es oft schon in zweier Partien erlebt, dass die Tickets so gleichmäßig aufgeteilt werden, dass eine Person im Norden ihre Strecken gebaut hat und die andere im Süden und man sich nicht annähernd in die Quere gekommen ist. Zwar gibt es einen Mechanismus in der Legacy Variante, der dieses Verhalten unterbindet, aber der greift erst in späteren Partien und nicht am Anfang.
Erst ab der dritten Person kann Zug um Zug hier seine vollen emotionalen Stärken ausspielen, die ich schon oben angesprochen habe. Klar, bei vier und fünf wird das Spiel natürlich unberechenbarer, aber eben auch dynamischer und viel fordernder als in reinen zweier Partien.
Damit will ich natürlich nicht sagen, dass das zu zweit keinen Spaß macht und natürlich verstehe ich auch die Problematik, dass es für einige einfacher ist solch ein Spiel in einer kleinen Besetzung zu spielen, als eben in einer größeren, die noch einmal eine logistische Komponente obendrauf setzt.
Wir brauchen Platz
Und diese Komponente darf ich nicht außer Acht lassen. In den ersten Partien ist Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens noch recht überschaubar auf dem Tisch. Doch am Ende ist das Spiel ein echtes Monster, was den Platz auf dem Spieltisch angeht. Kein Zug um Zug hat in der letzten Partie mehr Züge zum Verbauen als Legenden des Westens.
Dies zeigt sich natürlich auch in der Spieldauer. Sind die ersten Partien noch schnell runtergespielt, braucht es für die letzten dann schon ein bis zwei Stunden pro Partie. Und das auch nur, wenn ich den Spielplan einfach nur erweitere; zwar kann ich alles wieder in der Schachtel verstauen, um das bis zur nächsten Partie zu lagern. Aber dann frisst der Aufbau auch schon wieder Zeit.
Ich hatte das Glück, dass wir Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens in einem Rutsch durchgespielt haben und wir deswegen diesen Aufwand nicht hatten. Trotzdem war es eine durchaus anstrengende Kampagne, die aber trotzdem in jeder Partie überzeugen konnte.
Endhaltestelle
Insgesamt wurde ich nicht enttäuscht von Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens. Zwar bin ich mit dem Endergebnis unserer Partie nicht zufrieden, ich wurde nur Dritter. Dennoch war das Ergebnis sehr knapp. Und der Unterschied zwischen der Gewinnerin Jasmin und mir als Drittplatzierten, war weniger als ein halbes Prozent.
Positiv an dieser Stelle ist, dass ich auch noch weitere Kampagne spielen könnte, denn die Entwickler haben das Ende des Spieles so gestaltet, dass ich nicht mit dem Wissen aus einer früheren Kampagne keinen echten Vorteil für das große Finale erhalte. Natürlich wüsste ich, was die einzelnen Pakete und Spielplanteile mit sich bringen. Aber hier punktet die Legacy Variante auch wieder mit ihren Zug-um-Zug-Mechaniken. Denn um so zu spielen, wie ich es zuvor gemacht habe, bräuchte ich ja die gleichen Tickets und Wagenkarten. Ganz ehrlich, schon eine normale Partie Zug um Zug gleicht nicht der vorherigen, bei der Legacy Variante kommen hier einfach noch mehr Variablen ins Spiel, die das Spiel dynamisch ändern.
Und was bleibt am Ende übrig? Ihr habt euer eigenes Zug um Zug Nordamerika. Doch hier muss ich gestehen, wie so oft bei Legacy Spielen. Mit dem „fertigen“ Spiel spielen wir eh nicht mehr. Und bei Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens noch weniger. Denn es ist in meinen Augen hier zu groß und ich greife dann lieber zu meinem Liebling Zug um Zug Europa oder Zug um Zug Japan. Die sind schneller gespielt und brauchen auch keinen großen Platz auf dem Tisch und sind dadurch auch etwas einsteigerfreundlicher.
Für mich war Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens ein großer Spaß und ich denke sehr positiv an die Spielerfahrung zurück, gerade weil es auch ein richtiges Event war. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja auch wie bei Pandemic noch weitere Zug um Zug Ableger. Wie wäre es denn zum Beispiel mit Zug um Zug: Aufbruch in Europa oder Zug um Zug: Entferntes Asien? Ich würde auf alle Fälle dafür sofort wieder ein Ticket lösen!
Euer Rating zu Zug um Zug: Legenden des Westens
Zug um Zug: Legenden des Westens ist bei Asmodee erschienen.
Für die Review stand uns ein selbst erworbenes Exemplar zur Verfügung.