Es war ein kalter Morgen in Paris, irgendwann im Winter 1903. Marie Curie stand wie so oft allein im zugigen Labor, der Atem bildete kleine Wolken in der Luft, und ihre Finger waren rot vor Kälte. Der Ofen funktionierte nur gelegentlich, und die Bleigefäße, in denen sie ihre Proben aufbewahrte, spendeten eher unheimliches Leuchten als Wärme. Pierre stolperte zur Tür herein – mit einem Brotlaib unter einem Arm und einem fleckigen Notizbuch unter dem anderen. „Frühstück oder Forschung zuerst?“, fragte er grinsend. Marie schaute ihn an, die Stirn gerunzelt. „Wenn ich dieses Gramm Radium nicht finde, können wir uns bald keins von beidem mehr leisten.“ Später am Abend, als beide bei einer Schale Suppe saßen, stellte Irène, ihre Tochter, ganz nebenbei fest: „Die Gläser im Regal leuchten wieder.“ Marie lächelte nur. Wissenschaft hatte ihren Preis – aber manchmal funkelte er wunderschön.
Ach ja, die Wissenschaft und ihre Wissenschaftler oder in diesem Falle ihre Wissenschaftlerinnen scheinen sich hervorragend für Brettspiel-Themen zu eignen. Wir waren mit Newton schon in Europa unterwegs, haben Auf den Wegen von Darwin Arten entdeckt und katalogisiert. Nun begeben wir uns Auf den Wegen von Marie Curie in die wunderbare Welt der Kernphysik. Dabei orientiert sich das Brettspiel stark an dem schon erwähnten Auf den Wegen von Darwin, was auch kein Wunder ist, steht ja auch der gleiche Verlag auf der Schachtel. Allerdings unterscheidet sich nicht nur der Autor – Florian Fay – sondern auch die Spielmechanik und das Spielerlebnis sind anders. Was Auf den Wegen von Marie Curie anders, besser oder schlechter macht, das erfahrt ihr in der Review zum Brettspiel.
Viel Spaß beim Lesen!
Marie Curie Entdeckerin der Radioaktivität
Okay, zugegeben, die Überschrift stimmt nicht ganz. So wirklich entdeckt hat Marie Curie die Radioaktivität nicht, sie gab dem unbekannten Kind nur einen Namen. Vielmehr hatte sie sich auf der Suche nach einem Thema den Becquerel-Strahlen angenommen und versucht, diesen auf den Grund zu gehen.
Wie wir heute wissen, hat sie dabei nicht nur neue Elemente entdeckt, sondern auch den Zusammenhang mit der radioaktiven Strahlung aufgedeckt. Für all diese Entdeckungen ist sie auch eine von fünf Personen, die zwei Nobelpreise bekommen haben und bis heute die einzige Frau, der dies gelungen ist. Was hat das mit dem Brettspiel zu tun? Eigentlich sehr viel. Wir spalten zwar keine Atome auf unserem Brettspieltisch, aber wir entdecken schon irgendwie überraschende neue Elemente.

Rein spieltechnisch gibt es nämlich in Auf den Wegen von Marie Curie einen Würfelturm und der macht seine Arbeit wirklich hervorragend. Ich schmeiße oben kleine farbige Holzwürfel rein und schau, was am Ende unten herauskommt. Einige Würfel können aufgehalten werden, andere Würfel aus früheren Runden sind der Meinung, diesmal wieder mit herauszukommen. Ein schönes und verspieltes Detail, das sich auch thematisch sehr stark in das Brettspiel einfügt. Pechblende oben rein und am Ende kommt unten Uran oder das noch seltenere Radium raus.
Würfel, Würfel und nochmals Würfel
Dabei sind diese Würfel die eigentliche Währung in dem Brettspiel, denn ich brauche sie, um damit Experimente abzuschließen oder um sogenannte Aktivitätskarten zu kaufen. Das klingt nicht nur überschaubar, das ist es auch. Die spielerische Komplexität ist bei dem Brettspiel eher simpel gehalten. Würfel in den Turm, Würfel auswählen, Aktionen machen und Aufräumen, mehr ist es nicht. Und auch die Anzahl der Aktionen ist nicht gerade überbordend, denn es sind die oben beschriebenen Experimente oder der Kauf der Aktivitätskarten. Wobei ich den Namen Aktivitätskarten nicht gut gewählt finde.
Hier steht Aktivität nämlich nicht dafür, dass ihr mehr Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung habt, sondern schlicht dafür, welche Aktivitäten ihr als Marie Curie im Leben durchgeführt habt, da jede Aktivitätskarte zu einer bestimmten Kategorie gehört. So wird hierdurch unter anderem ihr Wirken als Professorin abgebildet oder eben auch die Forschung im Labor. Spielerisch wandelt ihr mit den Aktivitätskarten entweder wieder eure Würfel um oder aber ihr bekommt Bonusse wie neue Experimente.

An die Experimente fertig los
Braucht ihr die Experimente? Ein klares Ja, denn mit dem Erfüllen der Experimente werden spieltechnische Effekte ausgelöst. Ihr könnt dadurch mehr Würfel nach dem Werfen in euren Vorrat nehmen oder aber auch mehr Würfel mit in die nächste Runde nehmen. Am Anfang ist dieser Wert bei beiden Möglichkeiten nur auf drei Würfel beschränkt. Und klar, ihr könnt es euch schon denken, mehr Würfel/ Ressourcen gibt euch am Ende des Tages mehr Möglichkeiten, an Punkte zu kommen.
Und an diese Punkte zu kommen, ist echt harte Arbeit. Mit neunPunkten spiele ich bei dem Brettspiel schon um den Sieg oder nicht. Einen Punkt zu bekommen oder nicht zu bekommen, kann schon entscheiden, ob ich gewinne oder nicht. Und ist bis hierher das Spiel eher seicht, überschaubar und leicht planbar, ist das Zünglein an der Waage eher der Zufall als das spielerische Geschick meiner Wenigkeit.
Natürlich, das bringt auch Vorteile für alle Spieler und Spielerinnen da draußen, die der Meinung sind, immer zu verlieren. Auf den Wegen von Marie Curie bzw. die Zufallselemente geben euch wirklich die Chance, dass auch ihr ein Spiel gewinnen könnt.

Die Sache mit dem Zufall in Auf den Wegen von Marie Curie
Der Zufall wartet beim Spielen an jeder möglichen Ecke und eigentlich gibt es keine Aktion, die nicht durch den Zufall beeinflusst ist. Klar, das Offensichtlichste ist natürlich der Würfelturm, keine Frage. Aber da hört es nicht auf: Schon bei den Startaufträgen, die ich bekomme, kann sich entscheiden, ob ich um den Sieg spiele oder nicht. Denn diese sind in ihrer Schwierigkeit nicht ausbalanciert.
Kleines Beispiel: Es gibt einen Auftrag, bei dem ich einfach 4 Bücher bzw. Thesen sammeln muss. Diesen Auftrag mache ich einfach im Vorbeigehen, ein bisschen Aufpassen hier und da und zack schon ist der Auftrag erfüllt. Im krassen Gegensatz dazu gibt es einen Auftrag, bei dem ich eine bestimmte Anzahl an Aktivitätskarten sammeln muss, aber ob diese Karten überhaupt im Spielverlauf kommen, kann ich im Vorfeld nicht sagen.
Wir hatten Partien, da war das kein Problem den Auftrag zu erfüllen, wir hatten aber auch Partien, da konnte unsere Mitspielerin das einfach nicht erfüllen, weil die Karten nicht kamen. Oder ich habe nicht die Würfel, um mir diese Karten zu kaufen. Reiner Zufall. Und hier geht mir dann mal ganz schnell ein Punkt verloren und das tut dann schon heftig weh.
Und so zieht sich dies durch das gesamte Spiel. Bekomme ich am Anfang ein Experiment, was ich ohne Probleme erfüllen kann oder eines, was mit den teuersten Ressourcen erst erfüllbar ist, wofür es aber ein paar Runden braucht, bis ich diese zusammenbekommen habe. Gerade am Anfang ist das dann schon spielentscheidend, ob ich eben einen Würfel mehr nehmen kann oder nicht. Das macht es einfach frustrierend. Da hilft es auch nicht, dass die gesamte Verarbeitung des Spieles wieder einmal hervorragend ist, wie wir es schon bei Auf den Wegen von Darwin gesehen haben. Von den Regeln bis zum eigenständigen Anhang über das Leben von Marie Curie absolut top. Aber spielerisch ist es eben nicht top.

Darwin oder Curie
Bedingt durch die Aufmachung, was vom Verlag ja auch beabsichtigt ist, muss sich hier Auf den Wegen von Marie Curie aber auch mit dem Vorgänger Auf den Wegen von Darwin vergleichen. Und da ist es leider so, dass Darwin hier einfach die bessere Wahl ist. Auch wenn ich die beiden Brettspiele in ihrer Spielmechanik in keinerlei Weise vergleichen kann, fühlt sich Darwin dennoch runder an, obwohl es auch hier natürlich Zufallskomponenten gibt. Aber diese kann ich durch gutes Taktieren zu meinen Gunsten beeinflussen.
Bei Marie Curie bin ich eigentlich dem Spiel vollkommen ausgeliefert. Auch freue ich mich bei Darwin einfach mehr, wenn ich hier die Partie mit einem oder zwei Punkten Vorsprung gewinne, denn in der Regel spielt man hier so um die 30-40 Punkte, so dass ein Punkt nicht eine solche Gewichtung hat wie bei Marie Curie. Hier ist es am Ende dann eher Resignation, wenn der eine Punkt fehlt. Zu oft habe ich das Gefühl, dass es einfach so ist, wie es ist, ohne dass ich wirklich spielerisch einen Fehler gemacht habe, den ich in einer weiteren Partie ausbessern könnte.
Im Gegenteil, eine neue Partie bedeutet alles auf Anfang und mal schauen, ob der Zufall auf meiner Seite ist. Auch schleicht sich bei Auf den Wegen von Marie Curie während der ersten Partie das Gefühl ein, dass ich eigentlich schon alles gesehen habe. Und spätestens mit der zweiten Partie werde ich in diesem Gefühl bestätigt, das Spiel bleibt so flach, wie es sich schon mit der ersten Partie angefühlt hat. Und während Auf den Wegen von Darwin einen festen Platz in unserer Spieletreff-Kiste hat, ist die spielerische Halbwertszeit von Auf den Wegen von Marie Curie fast schon vergleichbar mit der Halbwertszeit von Jod 131, das sind nur acht Tage.
Euer Rating zu Auf den Wegen von Marie Curie
Auf den Wegen von Marie Curie ist bei Asmodee erschienen.
[bgg_id id=408770 bgglink=true]Für die Review stand uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung.




