Schon wieder ein Mord in unserer eigentlich recht ruhigen Stadt. Wieder scheinen unheimliche Mächte am Werk. Zeugen lassen sich schwer finden und diejenigen, die ich ausfindig machen kann, verschlucken lieber ihre Zunge, als mit mir zu reden. Seltsame Zeichen tauchen überall auf und sind wie ein Puzzle, dessen Gesamtbild ich nicht kenne. Ich arbeite Tag und Nacht, bis ich vor Erschöpfung fast umfalle und meine Gedanken sich nur noch im Kreis drehen. Es ist bereits dunkel und ich sitze allein in meinem Büro in Arkham. Ich spüre, mir bleibt nur noch wenig Zeit...
Zugegeben: Ich habe nicht viel Erfahrung mit Solo-Spielen, allerdings hat mich bei Arkham Noir von Yves Tourigny das Thema so sehr gereizt, dass ich den Sprung gewagt und es doch bei mir auf den Spieltisch gebracht habe. In der kleinen Schachtel, die auf Deutsch bei Asmodee erschienen ist, befindet sich nichts weiter, als ein paar Karten. Es handelt sich um Fall 1: Die Hexenkult-Morde, in dem wir als Ermittler ein Gesamtbild erstellen müssen, das sich durch das Erspielen von Puzzlekarten ergibt. Das klingt erst mal einfacher, als es ist.
Mir hatte sich bisher nicht erschlossen, worin der Reiz am Solo-Spiel liegt. Bis vor kurzem haben es da höchstens mal ein paar kleine Puzzle-Spiele aus der Brains-Reihe und das ein oder andere Escape-Spiel geschafft, meine Aufmerksamkeit zu fesseln. Daher kann diese Rezension durchaus als eine aus der Sicht eines Solo-Spiel-Neulings angesehen werden. Da mir der Vergleich mit anderen Solo-Erlebnissen fehlt, muss ich dabei fest auf mein eigenes Spielerlebnis bauen. Und eines vorweg: Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein kann.
Thema, Thema und nochmal Thema
Das Thema war wie gesagt einer der Hauptgründe, die mich dazu bewogen haben, mich mit Arkham Noir zu beschäftigen. Als Inspiration werden drei Erzählungen von H.P. Lovecraft genannt: „Träume im Hexenhaus“ (1933), „Das Ding auf der Schwelle“ (1933) und „Das Unnennbare“ (1923). Von den Erzählungen selbst kommt eher wenig rüber. Das Thema des Körpertauschs und das Grauen, wenn ein Freund zu einem Fremden wird, weil ihm der Körper gestohlen wird, aus „Das Ding auf der Schwelle“, habe ich hier genauso wenig gespürt, wie den langsam in den Wahnsinn abdriftenden Verstand des Walter Gilman, der mit fremden Dimensionen und abscheulichen aber Mächtigen Wesenheiten nicht zurecht kommt, aus „Träume im Hexenhaus“. Insgesamt ist aber auch wenig Platz in Arkham Noir, um besonders viel Storytelling zu betreiben. Da sind hauptsächlich die Illustrationen auf den Karten, die verschiedene Charaktere, Begebenheiten oder Orte in einer Art Linolschnitt-Optik zeigen. Diese haben zwar die Namen aus den Erzählungen, aber ohne die Erzählungen selbst zu kennen, wird hier keine eigene Geschichte erzählt. Weiteren Flavortext gibt es nicht.
Das Regelheft gibt lediglich eine kurze Einführung, in der wir selbst als Detektiv mit Namen Howard Lovecraft mit Kenntnissen auf dem Gebiet des Okkulten vorgestellt werden. Kinder sind verschwunden, wie es wohl jedes Jahr um die Zeit vor der Walpurgis-Nacht in der Stadt Arkham geschieht. Wir sollen mysteriöse Morde an Studenten der Miskatonic Universität aufklären, die damit in Verbindung stehen und das bevor die Spur sich nach der Walpurgis-Nacht wieder verliert.
Wie man einen Hexenkult-Mord aufklärt
Im Kartenstapel sind einige Karten enthalten, die als Markierungen auf dem Spieltisch dienen und angeben, welcher Bereich für welche Karten genutzt wird. Das ist recht praktisch und nach einigen Partien geht der Aufbau auch recht schnell von der Hand. Die Spielhilfen geben sowohl eine kompakte Übersicht des Spielzugs, als auch eine Übersicht über alle Effekte und die Verteilung der wichtigen Symbole auf den Beweis-Karten.
Ihr beginnt mit zwei Opfern, deren Tode ihr aufklären sollt. Euer Spiel-Ziel ist es, fünf unterschiedliche Beweis-Karten mit einem Puzzlesymbol in geschlossenen, also erfolgreich aufgeklärten, Mord-Fällen zu sammeln. In der Hinweisreihe liegen immer fünf Beweis-Karten aus, von denen die jeweils am weitesten links liegende Karte als nächstes genutzt werden muss. Ihr nehmt in eurem Zug also diese Karte und entscheidet, was ihr nun damit anstellt.
- Ihr habt die Möglichkeit, sie auf die Hand zu nehmen, auf der ihr zu Beginn einer Partie bereits drei Beweis-Karten habt. Da ihr aber ein Handkartenlimit von drei habt, geht das nicht, ohne eine Karte abzuwerfen. Im späteren Verlauf des Spiels kann das aber durchaus sinnvoll sein.
- Ihr könnt die Karte stattdessen auch einem der offenen Mord-Fälle zuordnen. Hierbei folgt ihr der Regel, dass das Symbol rechts auf der ausliegenden Karte zu einem der Symbole links auf der neu angelegten Karte passen muss. Ihr legt also nach dem Domino-Prinzip mit der Zeit eine Reihe an Hinweisen aus.
- Die neue Karte aus der Hinweisreihe könnt ihr auch abwerfen, um einen Fall zu schließen. Das könnt ihr aber nur dann tun, wenn ihr mindestens fünf verschiedene Beweis-Karten-Typen in einem Fall habt. Eine Puzzlekarte könnt ihr wiederum nur dann werten, wenn es auch ohne sie noch fünf verschiedene Typen sind, die Karte muss also zusätzlich vorhanden sein.
- Ihr könnt die neue Karte aus der Hinweisreihe auch einfach abwerfen und stattdessen eine Karte von eurer Hand an einen offenen Fall anlegen.
Das Abwerfen von Karten hat jedoch den Nachteil, dass ihr Karten mit einem Zeit-Symbol in einen gesonderten Bereich ablegen müsst. Sind hier mindestens fünf Karten, ist ein neues Mordopfer aufgefunden worden und ihr müsst eines vom Mordopfer-Stapel aufdecken. Könnt ihr das nicht, weil der Stapel leer ist, habt ihr verloren. Ein neues Mordopfer muss ebenfalls aufgedeckt werden, sobald ihr euren Nachziehstapel aufgebraucht habt und dadurch den Ablagestapel neu mischen müsst. Wieder lauert die Gefahr, das Spiel zu verlieren, wenn keine neue Opfer-Karte mehr vorhanden ist.
Außerdem bietet Arkham Noir noch diverse Karteneffekte positiver und negativer Natur, die beim Anlegen einer Hinweis-Karte an einen offenen Fall eintreten. Sie lassen euch Karten tauschen, aufnehmen oder ablegen und somit die Reihenfolge der verfügbaren Karten hoffentlich zu euren Gunsten manipulieren. Auch müssen bei zu vielen Karten in einem Fall sogenannte Stabilitätsproben durchgeführt werden. Hier geht ihr das Risiko ein, Karten im Stabilitätsbereich anzusammeln. Sind hier mindestens fünf Karten vorhanden, habt ihr ebenfalls verloren, da eure geistige Gesundheit durch die Beschäftigung mit dem Okkulten in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Eine schmaler Grad zwischen Wahnsinn und Triumph
Wie auch in vielen kooperativen Spielen gibt es auch bei Arkham Noir viele Möglichkeiten, wie ihr verlieren könnt, aber nur eine Bedingung, um zu gewinnen. Ich puzzle und rätsele wirklich gerne vor mich hin und da das Thema trotz stimmiger Illustrationen so wenig hervortritt, musste ich mich bald auf das vor mir liegende Puzzle konzentrieren. Denn Arkham Noir ist nichts anderes, als ein Rätsel, das einen vor die Aufgabe stellt, die zur Verfügung stehenden Karten so effizient wie möglich zu nutzen, um die geforderten Kombinationen von Symbolen zu bekommen. Das ist eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Allerdings ist der Schwierigkeitsgrad durchaus anpassbar. So kann man die Anzahl der im Opfer-Stapel liegenden Karten erhöhen, um es sich etwas einfacher zu machen. Je weniger dort ausliegen, desto schwieriger ist die Aufgabe.
Ein Bekannter meinte zu mir, er habe es gleich beim ersten Mal auf der Messe ohne Probleme gelöst. Er hatte aber auch mit 6 Opferkarten gespielt, so dass man relativ leicht auf seine 5 Puzzlesymbole kommt, da man eine Karte als Puffer hat, um diese bei einem leeren Nachziehstapel noch anlegen zu können. Bereits auf Standard ist das nicht mehr möglich und man muss seine Herangehensweise stärker anpassen. Der Stabilitätsbereich wird wichtiger, um vielleicht zwei Puzzlekarten in einer Opferreihe sammeln zu können. Das ist schwieriger, da manche Symbole seltener vorkommen und man damit mindestens sieben ausliegende Karten benötigt. Gerade dieser Anspruch macht aber auch den Reiz des Spiels aus. Ich kann nicht einfach so anlegen, was gerade passt. Ich muss planen und im Idealfall mitrechnen, welche Karten noch im Spiel sind. Der Zufallsfaktor durch die Reihenfolge der Karten erzeugt dabei immer wieder andere Voraussetzungen, auch wenn der Kartenstapel selbst immer der selbe ist. Siege werden seltener und somit zu einer Leistung, zu der man sich selbst gratulieren kann. Genauso schnell kann einen aber auch die Verzweiflung packen, wenn diese eine Karte die man bräuchte, um den letzten Fall abzuschließen, einfach nicht zu bekommen ist.
Den Spaß am Solo-Spiel geweckt?
Alles in Allem reicht mir das Puzzle-Spiel alleine als Anreiz aber nicht aus, um anhaltenden Spielspaß allein am Tisch zu bieten. Es ist ein schönes kleines Spiel für Zwischendurch, das es aber nicht schafft, eine Langzeitmotivation zu bieten. Gut gefallen hat mir jedoch die grafische Umsetzung vom Autor Yves Tourigny stammt und der mit seinen Schwarz-Weiß-Linolium-Schnitten einen sehr eigenen Stil für das Spiel kreiert hat und damit einiges an Atmosphäre herausholt, die dem Spiel ansonsten komplett gefehlt hätte.
Die weiteren Teile der Reihe sind auf Englisch bereits erschienen. Ob mich der zweite Fall Called Forth By Thunder noch einmal alleine an den Spieltisch locken kann? Da bin ich mir wirklich noch nicht sicher. Es sollen ein paar neue Mechaniken hinzukommen und selbst wenn es nur ein paar Abende Unterhaltung bietet, so ist es lediglich eine kleine Schachtel, die weder viel Platz im Brettspielregal einnimmt, noch ein großes Loch ins Brettspiel-Budget reißt.
Das Spiel Arkham Noir ist bei Asmodee erschienen.
Für die Review wurde uns ein Rezensionsexemplar von Asmodee zur Verfügung gestellt.