My City - Brettspiel Review

My City – Legacy für Brettspiel Neulinge

My City Brettspiel CoverImmer diese Nachbarschaftsstreitigkeiten! Ich habe es langsam satt, immer wieder gerufen zu werden, um zu vermitteln. Dabei ist es doch recht simpel. Gebäude mit einer gelben Fassade müssen zwingend an Gebäude mit einer blauen Fassade gebaut werden. So war es schon immer und so wird es immer sein.

Auf dem Weg zu meinem Treffen kann ich aber schnell noch das neuste Schreiben des Bürgermeisters lesen. Wahrscheinlich wieder irgend so eine aufgeblähte Information. Hmm Moment mal, ab sofort sollen Gebäude mit einer gelben Fassade nur noch am Rande der Stadt gebaut werden und die inneren Viertel sollen nur den Gebäuden mit blauer Fassade vorbehalten sein? Okay, dann reißen wir einfach die Stadt ab und bauen alles neu auf.

Mit My City von Reiner Knizia ist ein Brettspiel erschienen, welches mal wieder den Städtebau in den Vordergrund rückt. Doch das Spiel ist ein wenig anders, denn ich habe das Spiel erst wirklich gespielt, wenn ich 24 Partien geschafft habe. Es handelt sich um ein Legacy-Spiel, also ein Spiel, bei dem sich der Spielplan und die Regeln im Laufe der einzelnen Partien verändern. Wie sich das erste Legacy-Brettspiel aus dem Hause KOSMOS dabei spielt und wie es im Vergleich zu anderen Legacy-Brettspielen ist? Dies wollen wir in unserem Test zum Brettspiel genauso beantworten, wie auch die Frage, wie das Brettspiel sich als mögliches Spiel des Jahres 2020 macht. Viel Spaß beim Lesen unserer Review zu My City – Deine Stadt wird einzigartig!

Ich baue mir eine Stadt

Am Anfang habe ich nicht viel. Ein Stück Land mit einem Fluss, ein Stück Wald und ein paar Berge. Hier soll nun also meine Stadt entstehen. So will es jedenfalls das Spiel My City von mir. Und da meine Stadt ja einzigartig sein soll, haben meine Mitspieler am Tisch genau die gleichen Startbedingungen wie ich. Soll ja keiner behaupten, es gäbe hier einen Startspieler-Vorteil. Neben meinem Tableau besitze ich auch noch einen Haufen Gebäude oder besser gesagt, jeder am Tisch besitzt wieder den gleichen Haufen Gebäude. Die Formen kommen einem natürlich sofort bekannt vor. Quadratisch, praktisch oder ein T-Stück zeichnen die Polyominos, also eine zusammenhängende Fläche aus Quadraten, aus. Somit gibt es wieder ein Spiel mit den bekannten Tetris-Formen. Auch Der Kartograph hatte schon diese Formen. Somit hat in diesem Jahr jede Spiel des Jahres Preiskategorie seinen Polyomino-Vertreter.

My City Brettspiel

Aber wieder zurück zu My City. Am Anfang einer jeden Runde wird eine Karte aufgedeckt, diese zeigt an, welches Gebäude man nun auf seinem Plan verbauen darf. Jedes Gebäude ist dabei einzigartig, allerdings nur im Zusammenspiel mit Farbe und Form. Insgesamt gibt es drei Farben und pro Farbe 8 Gebäude. Das aufgedeckte Gebäude platziere ich also nun auf meinem Plan, dabei muss es mit mindestens einer Kante an ein bestehendes Gebäude angrenzen. Ausnahme ist hier das erste Gebäude, das hat je nach Kapitel eine andere Regel für die Startposition. Kann oder will ich ein Gebäude nicht platzieren, so muss ich mit einem meiner Siegpunkte bezahlen, dazu habe ich schon vom Start weg erst einmal 10 Siegpunkte. Irgendwann ist der Kartenstapel mit den Gebäuden aufgebraucht und mit ihm auch mein Vorrat an Gebäuden, im Idealfall sollte mein Tableau jetzt sehr passend bepuzzelt sein.

Abschließend geht es an das Zusammenzählen der Punkte und wer die meisten Punkte hat, gewinnt die Partie. Das ist eigentlich das gesamte Spiel.

My City der Adventskalender

Das wäre für ein Spiel recht simpel und würde nicht unbedingt eine Nominierung zum Spiel des Jahres 2020 nach sich ziehen. Das Besondere ist der Legacy-Mechanismus. Das Spiel verändert sich dabei über die Anzahl von 24 Partien bzw. verändert sich nicht das Spiel an sich, aber euer Spieler-Tableau wird es tun. Dazu nutze ich in My City Aufkleber. Und ähnlich wie bei einem Adventskalender mit seinen 24 Türchen, hat jede Partie von My City etwas anderes zu bieten. Was genau das ist, verschweige ich an dieser Stelle, denn ich möchte hier niemanden spoilern. Soviel sei aber verraten: Das Grundprinzip des Puzzelns bleibt bis zur letzten Partie erhalten.

My City Regeln

Das Gute an My City ist nun, dass es keine Regelfülle gibt. So werden bekannte Legacy-Spiele wie Pandemic Legacy oder Charterstone immer komplexer je weiter sie voranschreiten. Und irgendwann hat man so viele Regeln und Aktionen zur Verfügung, dass schnell die Übersicht am Tisch verloren gehen kann. My City geht hier einen anderen und leichteren Weg. Das liegt natürlich auch am Zielpublikum und das sind Wenig-Spieler und Familien-Spieler. Ich habe niemals mehr als eine überschaubare Anzahl an Regeln, die ich beachten muss. Das heißt natürlich nicht, dass das Spiel bis zum Ende auf dem Niveau eines einfachen Plättchen-Legespiels bleibt. Aber der Weg zum anspruchsvolleren Spiel ist eben langsamer und einfacher. Und so passiert es in My City auch, dass eine neue Regel eingeführt wird und eine altbekannte abgeschafft wird, damit das Spiel einfach leichter und übersichtlicher bleibt als andere Legacy-Spiele.

Diesen Ansatz kann ich nur gutheißen. Denn so werden in meinen Augen auch nicht unbedingt Regeln eingeführt, die vielleicht nur ein oder zweimal in einer Kampagne zum Tragen kommen. Auch überfordert es mich nicht, wenn ich das Spiel nach einer Weile fortsetzen möchte. Gerade beim ersten Pandemic-Legacy hatte ich durch die längeren Pausen zwischen den Partien doch etwas gebraucht, bis ich die neuen Regeln alle wieder beisammen hatte und beherrschte.

My City Kartendeck

Das richtige Publikum

Wir hatten uns auf My City schon ein wenig gefreut. Als es uns in Nürnberg das erste Mal präsentiert wurde, beschrieb uns der KOSMOS Verlag auch gleich das Zielpublikum. Und während für uns alte Brettspiel-Veteranen Spiele mit Legacy-Mechanismus ein alter Hut sind, wissen viele Wenig- und Familienspieler mit damit nichts anzufangen. Also auch für uns das perfekte Spiel, um unserer großen Tochter diese Mechanik näher zu bringen. Und so starteten wir dann auch zu dritt, ein vierter Spieler hätte noch mit einsteigen können. Jeder Spieler hatte natürlich sein eigenes My City Tableau.

Doch recht schnell war für unser Kind die Luft raus. Das lag zum einen daran, dass das Spiel zu wenig Action geboten hat. Das friedliche vor sich hin puzzeln lag ihr einfach nicht. Auch wenn sie mal eine Partie verlor, war die Lust für den Tag weg und wir konnten nur hoffen, dass sie vielleicht am nächsten Tag wieder Lust hatte, weiter zu spielen. Erwähnte ich schon, dass sie voll in der Pubertät steckt? Tja, und so blieb uns nichts anderes übrig, als zu zweit weiter zu machen. Was an sich nicht schlecht war, denn so lernten wir eben zwei Seiten des Spiels kennen, einmal die dreier Variante und einmal das Spiel zu zweit.

So spielten wir Partie für Partie. Doch irgendwas fehlte einfach für uns. Zum einen war es die fehlende Story. Eine Story, die es bis jetzt in jedem Legacy-Spiel gab, das wir bis dahin gespielt hatten, gab es nicht wirklich. Egal wie gut oder schlecht die Story war, sie war auf alle Fälle da. In My City beschränkte sich die Story auf ein paar Sätze am Anfang der einzelnen 8 Kapitel. Das war für mich persönlich einfach zu wenig und so fühlte ich mich vom Spiel nicht wirklich eingefangen.

My City Spielteile

Und täglich grüßt das Murmeltier

Was mich nach einigen Partien auch störte, war dann einfach der immer wieder gleiche Spielablauf. Zwar spielt sich eine Partie recht fix und es gibt auch fast keine Downtime zwischen den einzelnen Runden (was der fehlenden Interaktion geschuldet ist), aber genau die schnelle Spielzeit sorgt eben dafür, dass wir recht schnell durch die Kapitel gekommen sind. Und das schlauchte uns natürlich. Hier ist aber vielleicht auch unser Verhalten Teil des Problems. Wie gesagt, wir haben das Spiel, nach dem Ausscheiden unserer Tochter an zwei Tagen durchgespielt und das war vielleicht zu viel My City auf einmal.

Hätten wir uns mehr Zeit zwischen den einzelnen Kapiteln gelassen, hätte die Monotonie im Spielablauf uns vielleicht nicht so viel ausgemacht. Aber das kann ich natürlich so nicht beurteilen, sondern eben nur vermuten.

Der andere Punkt, der mich bei My City stört, ist die Wertung. Sowohl die Wertung am Ende einer einzelnen Partie, als auch die Gesamtwertung. Da wir in My City ja gegen einander spielen und dies über 8 Kapitel mit je 3 Partien, muss es natürlich auch einen Aufhol-Mechanismus geben. Damit der Gewinner einer Partie nicht schon frühzeitig so weit in Führung geht, dass man ihn nicht mehr einholen kann.

My City Kapitel

Wer nun gewinnt, bekommt einen Malus und wer verliert, bekommt einen kleinen Bonus, mit dem er in der nächsten Partie etwas mehr Punkte bekommen kann. So weit so gut, allerdings klappt dieser Mechanismus erst ab 3 Spielern, denn hier gewinnt jeder Mal und auch jeder verliert mal. Doch der Kniff liegt im Zweitplatzierten, dieser bekommt eben auch einen Bonus. Ganz anders ist es eben, wenn ich My City zu zweit spiele. Denn hier bekommt der Sieger einfach mehr als der Verlierer, dieser geht in den meisten Fällen leer aus. Er bekommt zwar seinen Bonus, dieser reicht in den meisten Fällen aber nicht aus, den Führenden einzuholen.

Oder aber der Verlierer bekommt einen so starken Bonus, dass er in den letzten Partien ohne Probleme die Führung übernehmen kann. Und dies war dann auch bei uns der Fall. Das Spiel war in den ersten 2/3 recht unfair gegenüber meiner Frau, welche beachtlich zurücklag. Mit Beginn des letzten Kapitels und somit der letzten drei Partien war für mich dann aber schon klar, dass ich dieses Spiel nicht mehr gewinnen kann, auch wenn ich bis dahin recht gut führte. Denn zum Schluss kam ein spieltechnisches Element ins Spiel, was einfach schlecht skalierte. So konnte ich schon bevor wir die erste Partie aus Kapitel 8 spielten, meiner Frau zu ihrem Sieg gratulieren. Weil diese nun einfach durch diesen Mechanismus ein Mehr an Punkte generieren konnte, dem ich nichts gegenüberstellen konnte. Sie wurde einfach durch den Verlierer-Bonus in den Kapiteln zuvor zu sehr unterstützt.

So kam es im Spiel niemals zu dem Punkt, dass wir vielleicht ein spannendes Kopf an Kopf Rennen hatten und jeder am Tisch am Ende einer Partie immer wieder frustriert war. Ausnahme waren hier die Partien, die wir zu dritt gespielt hatten. Hier gab es den Wechsel der Führungsposition immer wieder.

My City Spiel des Jahres 2020

My City braucht die richtigen Spieler

Oft genug betone ich ja, dass es für jedes Spiel die richtige Gruppe braucht. My City geht hier noch einen weiteren Schritt, es braucht nicht nur die richtige Gruppe, es braucht auch die richtigen Spieler. Meine Frau, ich und auch andere bekannte Vielspieler aus unserem Umkreis gehören einfach nicht dazu. Die beschriebene Monotonie im Ablauf, der unfaire Aufhol-Mechanismus und die dünne Story hatte ich ja schon genannt. Das ist für den Vielspieler in mir zu wenig. Vielleicht entfaltet das Spiel unter Wenig- und Familienspielern seine volle Stärke. Aber leider kann ich dies nicht beurteilen, da fehlen mir einfach die Erfahrungswerte.

Ich verstehe auch, warum es von der Spiel des Jahres Jury nominiert wurde. Die Einfachheit und die sanfte Lernkurve sollten für Wenigspieler kein Problem sein. Dazu die überschaubare Anzahl an Regeln, die es einfach machen, das Spiel auch nach längerer Zeit auf den Tisch zu bringen ohne großes Regelstudium. Hier haben wir uns natürlich auch Gedanken gemacht. Für eine Familie, die immer wieder mal ein kleines Stück Spiel und Stadt erkundet, kann My City der richtige Einstieg in die Legacy-Brettspiel-Welt sein. Das Aufreißen eines neuen Umschlages kann dann hier genauso aufregend sein, wie das erste Mal, wenn ein Aufkleber auf den Spielplan geklebt wird. Hier werden die Familienspieler Neuland betreten. Vielleicht hilft die Nominierung, dass auch andere Verlage sich vermehrt den Legacy-Spielen widmen und das ganz große Ding noch kommen wird. So hätten wir Vielspieler auch einen Nutzen von der Spiel des Jahres Nominierung.

Wer irgendwann das Spiel durch hat oder abbricht, kann seinen Spielplan einfach umdrehen und das sogenannte ewige Spiel spielen. Hier wird nichts verändert oder kommt irgendwas hinzu. Ich spiele einfach nur My City, in dem Karten aufgedeckt werden und die entsprechenden Gebäudeteile auf meinem Tableau verteilt werden.


Euer Rating zu My City


My City ist bei KOSMOS erschienen.

My City (2020)
Spieler:
2 - 4
Dauer:
30 Min
Alter:
10+
BGG Rating:
7.7
Verlag:
Kosmos
BGG:

Für die Review stand uns ein kostenfreies Review-Exemplar zur Verfügung.


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