Brettspiel Review: Vienna Connection

Vienna Connection – Undercover im Kalten Krieg

Vienna Connection Brettspiel Cover

„Abbruch! Abbruch!“ tönt es aus dem Funkgerät. „Wir sind aufgeflogen. Der KGB ist uns auf die Schliche gekommen.“ Die Mission, alles was jetzt zählt, ist die Mission. Schnell werden Akten und Papiere zusammengesucht und in die Spüle geworfen, wo schon ein kleines Feuer brennt. Die Arbeit von Wochen geht lodernd auf. Doch das ist alles unwichtig, die Informationen mit dem Codenamen Vienna Connection dürfen dem anderen Geheimdienst nicht in die Hände fallen.  

Detective war eines der überraschendsten und besten Spielerlebnisse, die ich jemals hatte. Auch die Erweiterung L.A. Crimes konnte mich wieder an den Brettspieltisch fesseln. Danach ging es aber leider mit der Serie immer weiter bergab und die Abenteuer konnten einfach nicht überzeugen.

Als dann Vienna Connection angekündigt wurde, schwang natürlich schon ein wenig Skepsis mit, aber das Setting mit Agenten und dem Kalten Krieg ließen mir bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen und so musste das Brettspiel bestellt werden. – Wobei es ja eigentlich nicht mehr viel mit einem klassischen Brettspiel zu tun hat – Nun haben wir die Vienna Connection Akte geschlossen und wollen euch natürlich unsere bzw. meine Eindrücke zu diesem Spiel gerne wiedergeben.

Viel Spaß beim Lesen!

Vienna Connection und der Kalte Krieg

Der Kalte Krieg ist für mich eines der spannendsten Kapitel der jüngeren Geschichte. Das liegt natürlich auch daran, dass er für mich in meinem Leben sehr präsent war. Die Mauer, die West-Berlin umgab, war nur 15 Minuten Weg entfernt. Ständig sah ich auf dem Heimweg von der Schule nicht nur die russischen Alliierten, sondern auch die britischen, amerikanischen und französischen Militärbeobachter, die in ihren Jeeps unterwegs waren. Damals ist man auch an den entsprechenden Botschaften beim Spazieren oft genug vorbeigegangen, in einer Zeit, in der Günther Jauch noch nicht am Heiligen See in Potsdam wohnte.

Vienna Connection Brettspiel

Dazu war es noch eine Zeit, wo ein leicht zu beeindruckender Junge durch das Fernsehen mit Agentenfilmen und Serien aufgewachsen ist. Nicht zu vergessen natürlich auch der normale Alltag, wenn der Nachbar von gegenüber sehr komische Fragen über meine Eltern gestellt hat. Mittlerweile weiß ich, dass dieser damals für die Stasi gearbeitet hat.

Nun konnte ich also genau diese Zeit noch einmal in Vienna Connection nacherleben. Endlich konnte ich Agent sein. Meinen Berufswunsch aus der Kindheit nacherleben, aber in einer sicheren Umgebung – meinem Brettspiel-Tisch. Und als ob dies noch nicht genug war, kam auch noch das geliebte Detective-System mit dazu. Das konnte ja nur gut gehen, oder?

Vienna Connection Brettspiel Akten

Vienna Connection ist wie Detective nur anders

Grundsätzlich unterscheidet sich Vienna Connection nicht von Detective. Wir werden auf einen Fall oder dieses Mal auf eine Mission losgelassen und versuchen uns durch einen Kartenstapel zu arbeiten. In diesem wird eine Spur zur nächsten und durch cleveres Auswählen sammeln wir immer mehr Erkenntnisse, die wir dann brauchen, um die Mission erfolgreich abzuschließen.

Inzwischen haben wir allerdings kein Zeitlimit, sondern ein Ankreuz-Limit. Zu jeder Mission gibt es einen kleinen Block, auf dem wir vermerken, wie viel Zeit wir benötigen bzw. wie auffällig wir im Laufe der Zeit werden. Je mehr ich als Agent rumschnüffele, desto mehr interessiert sich die Gegenseite für mich. Irgendwann bin ich zu auffällig und muss die Mission beenden und hoffe, dass ich bis dahin alle nötigen Spuren gesehen und die verdeckten Hinweise entschlüsselt habe. Ob ich das geschafft habe, erfahre ich dann wieder in einer Abschlussbesprechung in der entsprechenden App dazu.

Vienna Connection Brettspiel Karten

Da Vienna Connection allerdings im Kalten Krieg spielt, ist das mit dem bekannten Internet aus Detective auch so eine Sache. Zwar braucht auch Vienna Connection eine App, aber Berichte und Querverweise finde ich eben nicht im Computer, sondern in einem dicken Aktenordner. Bei Vienna Connection stapeln sich im wahrsten Sinne des Wortes im Laufe des Spieles die Aktenberge auf unserem Brettspiel-Tisch. Eine wahre Freude für jeden wahren Papierkrieger!

Nach vier hoffentlich erfolgreichen Missionen ist das Agenten-Abenteuer dann allerdings auch schon wieder vorbei und wir müssen wieder in unsere alte vertraute Welt zurückkehren.

Ich mag Vienna Connection, aber…

Vienna Connection ist für mich eine klare Weiterentwicklung vom Detective-System und kommt im Moment für mich auf Platz drei nach Detective und L.A Crimes. – Und ja, da schwingt ein großes Aber mit.

Aber trotzdem hat das System seine Schwächen. So cool es für mich eben war, in die Welt der Agenten und Intrigen abzutauchen, so sehr konnte ich auch Jasmins Unbehagen beobachten, wenn wir spielten. Denn neben den normalen Namen, die mir während der Partie um die Ohren gehauen werden, kommen eben noch die ganzen Decknamen hinzu. Und als ob das nicht schon schwer genug ist, sind diese Decknamen eben nicht alle eindeutig. Klar, der CIA verwendet andere Namen als der KGB.

Vienna Connection Brettspiel Aktenmappe

So etwas gehört eben auch in diese Welt und ich hatte damit keine Probleme zu wissen, wer mit Seemann gemeint ist und wenn in einem Funkspruch von einem Eishaus gesprochen wurde, was dies bedeutet. Aber trotzdem musste ich oft genug meine Frau davon überzeugen, dass zwei Decknamen exakt die gleiche Person meinten, nur eben aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Das ist jetzt natürlich nicht ein Mangel am System, sondern eher eine thematische Geschmackssache. Ein Mangel ist dann allerdings die Übersetzung. Bei einem Spiel, wo es auf Namen und genaue kleine Details ankommt, muss die Lokalisierung einfach stimmen. Und da muss ich sagen, wurde bei Vienna Connection keine gute Arbeit geleistet. So wurden zum Beispiel Eigennamen übersetzt, aus Cathrine Miller wurde dann mal eben eine Katrin Müller. Datumswerte, die ja vielleicht wichtig sein könnten, wurden im gleichen Dokument im amerikanischen System mm/dd und im europäischen dd/mm bunt gemischt. So etwas darf aus meiner Sicht nicht passieren. Gut dass es in der entsprechenden App eine Errata gibt, blöd nur, dass die offensichtlichen Fehler immer noch drin sind.

Vienna Connection Brettspiel Spuren

So etwas zerstört natürlich die Immersion, wenn ich denn genau über solche Dinge stolpere und mir schon beim Lesen bewusst wird, dass kann so nicht stimmen, das muss eigentlich ein Fehler sein, der durch die Übersetzung kommt. Für mich stellt sich hier die Frage, was mache ich daraus? Werde ich in Zukunft auf die lokalisierten Detective-Systeme verzichten? Für mich ist das durchaus eine gute Alternative, aber vielleicht nicht für andere Spielende.

Wir haben doch keine Zeit… doch!

Am meisten allerdings hat mich eine kleine Aufweichung des Detective-Systemes gestört. Einer der wichtigsten Grundpfeiler bei Detective war die Tatsache, dass ich während einer Partie genau überlegen musste, welcher Spur ich folgen sollte. Ich konnte einfach nicht alles sehen und natürlich ist es frustrierend, wenn kostbare Zeit ausgegeben wird und sich am Ende herausstellt, dass die Spur schon lange kalt ist. Aber dieses Entscheidungsdilemma ist für mich einer der wichtigsten Aspekte in Detective.

Vienna Connection Brettspiel Missionen

Auch in Vienna Connection habe ich den großen Kartenstapel und eine Spur führt zur nächsten. Statt allerdings Zeit zu verbrauchen, kommen uns andere Geheimdienste irgendwann auf die Spur. Dazu kreuze ich, wie schon beschrieben, nachdem ich eine Karte aufgedeckt habe, die entsprechende Anzahl an Kästchen auf meinem Mission-Bogen ab. Schlussendlich unterscheidet sich dieses System nicht wirklich von der Zeitmechanik in Detective.

Das große Aber ist allerdings, dass wir kein Entscheidungsdilemma hatten. In jeder Mission hatten wir reichlich Zeit bzw. Kreuze, um wirklich alles Relevante zu sehen. Wir haben uns sogar noch Karten angeschaut, weil wir einfach die Kreuze über hatten. Allerdings wussten wir im Vorfeld schon, was die Karte uns offenbaren könnte. Erst während der vierten Mission und da dann auch erst im letzten Viertel, kam ein Element, dass ein wenig wieder die alten Gefühle und Ängste etwas zu verpassen, geweckt hat. Schade, das hätte ich gerne öfter gesehen. Es hätte ja auch thematisch wunderbar gepasst, wenn andere Geheimdienste auch gegen uns arbeiten.

Ich verstehe natürlich, dass sich hier der Kritik gestellt wurde, dass man bei Detective nicht alles gesehen hatte und man vielleicht etwas mehr Zeit gebraucht hätte. Aber ganz ehrlich? Mir hat diese Neuerung einfach nicht gefallen.

Vienna Connection Brettspiel Kalter Krieg

Wahrscheinlich durch diese Entwicklung ist auch ein anderes Element auf der Strecke geblieben. Das die Fälle untereinander eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Zwar ist das große Ganze durchaus vorhanden. Aber unser Abschneiden in einem Fall hat nichts mit zukünftigen Fällen zu tun. Es gibt zwar kleinere spieltechnische Verwicklungen, aber die sind wirklich begrenzt und führen nicht zu dem gleichen Erlebnis, wie es eben im großen Vorgänger der Fall war.

Aber auch abseits der großen Mechanismen hat Vienna Connection viele andere kleinere Baustellen, die das System bzw. das Spiel nicht sauber und rund erscheinen lassen. Und trotzdem habe ich die Stunden geliebt, in denen ich Agent spielen durfte.

Die gespaltene Persönlichkeit Vienna Connection

So fällt es mir allerdings auch sehr schwer, Vienna Connection einzuordnen. Während ich Detective eigentlich uneingeschränkt empfehlen konnte. Muss ich bei Vienna Connection der Empfehlung noch sehr viele Ausnahmen hinzufügen.

Dazu zählen nicht nur die angesprochenen Punkte: Thema, Lokalisierung und redaktionelle Fehler. Ich muss auch durchaus klar festhalten, wen das Detective System schon damals nicht überzeugte, der wird wahrscheinlich auch keinen Spaß haben, sich in die Vienna Connection zu stürzen.

Vienna Connection Brettspiel Missionsbögen

Was bleibt also vom Tage übrig? Für mich war es auf alle Fälle ein Riesenspaß. Ich würde sofort noch ein solches Agenten-Abenteuer erleben wollen. Ich verstehe allerdings auch, wenn andere Spielende nach Vienna Connection dem Detective System den Rücken kehren, weil es dann doch zu viele Fehler mit sich bringt. Auf alle Fälle ist Vienna Connection nicht das Spiel, welches das Detective System gut repräsentiert.

So bleibt mir nur abzuwarten, auf das nächste Spiel, was vielleicht die nächste uneingeschränkte Empfehlung bekommen wird. Und wer weiß, vielleicht ist es ja Dune: House Secrets oder auch Batman: Everybody Lies, die noch auf ihren Einsatz auf dem Brettspiel-Tisch warten.


Euer Rating zu Vienna Connection


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Vienna Connection ist bei Pegasus Spiele erschienen

Vienna Connection (2021)
Spieler:
1 - 5
Dauer:
120 - 180 Min
Alter:
16+
BGG Rating:
7.29
Verlag:
Pegasus Spiele, Portal Games
BGG:

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