Villainous Brettspiel Review

Villainous – Schurken an die Macht

Villainous Brettspiel CoverDas Disney Brettspiel Villainous des Autorenteams Prospero Hall, das auf Deutsch bei Ravensburger erschienen ist, widmet sich den vergessenen Helden der bekannten Disney Klassiker. Hier stehen nicht diese geschniegelten und gebügelten sogenannten Guten im Vordergrund. Dieses lästige Geschmeiß drängt sich immer in den Vordergrund und versucht die gut ausgearbeiteten Pläne der wahren Lieblinge aller Disney-Fans zu zerstören: Schurken! Was wäre Robin Hood ohne den charismatischen Daumen lutschenden Prinz John? Wo wäre die Spannung in Dornröschen ohne die gekonnt ausgesprochenen Flüche von Malefiz? Und wer liebt nicht den beherzten Befehl der Herz Königin: „Ab mit Ihrem Kopf!„? Ihr seht schon, die Schurken sind die wahren Helden und werden nun endlich entsprechend gewürdigt.

Finstere Pläne – jeder Schurke nach seiner Fasson

In Villainous bekommt jeder Spieler seinen eigenen Schurken mit einem Schurken-Deck und einem Schicksals-Deck. Das Brettspiel ist dabei asymmetrisch in dem Sinne, dass jeder Schurke ein anderes Ziel hat, auf das er hinarbeitet und dieses mit seinem Deck mit anderen Mechaniken verfolgt. Als Leitfaden hat jeder Schurke ein eigenes kleines Heft, in dem die Besonderheiten des Decks und einiger Karten erklärt werden. Es dient als Strategieguide, damit der Spieler vor Beginn der Partie nicht im Dunkeln tappt. Daneben gibt es natürlich auch noch allgemeine Regeln, die für alle gelten.

Jeder Schurke hat sein eigenes Schurken-Tableau mit vier Orten, zwischen denen er sich mit seiner Figur hin und her bewegt und wo er dann bis zu vier Aktionen ausführen kann. Welche das sind, ist ebenfalls von Schurke zu Schurke unterschiedlich. Es gibt jedoch eine Übersicht, welche Aktionen im Spiel vorhanden sind, es muss nur nicht jede bei allen Schurken vorhanden sein. Die Verteilung auf die verschiedenen Orte des Tableaus ist ebenfalls bei jedem Schurken anders.

Villainous Herzkoenigin

Immer in Bewegung bleiben – und Action!

Zunächst gilt, wenn man am Zug ist, muss die eigene Figur an einen anderen Ort bewegt werden. Stehenbleiben ist nicht erlaubt (Es sei denn eine Karte sagt etwas anderes). Dort könnt ihr dann zum Beispiel Macht-Marker bekommen. Die benötigt ihr, um Karten von eurer Hand auszuspielen. Das könnt ihr aber ebenfalls nur dann tun, wenn ein Feld an eurem Ort das erlaubt. Die Karten eures Schurken-Stapels können ganz unterschiedlich sein. Es gibt Gegenstände, Sofort-Effekte und auch Handlanger. Denn was wäre ein richtiger Schurke ohne einen niederen Bediensteten, der ihm bei der Durchführung seiner finsteren Pläne behilflich ist?

Villainous SchicksalskartenHabt ihr den Eindruck, dass einer eurer Mitspieler gerade einen Lauf hat? Dann könnt ihr die Aktion nutzen, die es euch erlaubt, vom Schicksals-Deck eines anderen Schurken zwei Karten zu ziehen und eine davon an einem Ort auf dessen Tableau ausspielen. Hier kommen Spielverderber wie Peter Pan oder lästige Prinzen ins Spiel. Sie blockieren zum einen die Hälfte der Aktionen an dem Ort an dem sie liegen und haben häufig noch andere unbequeme Fähigkeiten, dies es schwerer machen, seine finsteren Pläne zu verfolgen.

Außerdem gibt es Aktionen, mit denen ihr eine eurer ausgespielten Karten von einem Ort zu einem anderen bewegen könnt. Ihr könnt zwar Karten dorthin spielen wo ihr möchtet, doch vielleicht braucht ihr irgendwo Verstärkung, weil ein besonders schwerer Held euch dort das Schurken-Leben schwer macht. Vielleicht liegen aber auch die Helden nicht dort, wo ihr sie am besten besiegen könnt. Dafür gibt es dann die Aktion Helden bewegen. Eure Handlanger können sich dann um die lästigen Helden kümmern, die eure Mitspieler euch in euer schönes Reich legen. Hierfür benötigt ihr dann die Aktion „Helden besiegen“.

Auf einigen zuvor ausgespielten Karten gibt es außerdem Fähigkeiten, die ihr mit der entsprechenden Aktion aktivieren könnt. Und schließlich habt ihr noch die Möglichkeit, Karten von eurer Hand abzuwerfen, falls ihr nur Schrott gezogen habt. Vielleicht seid ihr aber auch auf der Suche nach einer bestimmten Karte. Am Ende eures Zuges könnt ihr dann mit hoffentlich besseren Karten von eurem Nachziehstapel wieder auf vier auffüllen.

Anleitung zum Schurkisch-Sein

Villainous HookDas war schon alles an Grundregeln, die jeder Mitspieler kennen muss. Euer eigener Schurke hat dann noch spezielle Fähigkeiten, die aber in eurem Bösewicht-Handbuch genau beschrieben sind. So fehlt Ursula, bekannt aus Ariel, zum Beispiel die Fähigkeit, Helden zu besiegen. Allerdings kann sie diese mit einem Vertrag binden. Wenn der Held anschließend an einen bestimmten Ort bewegt wird, gilt er als besiegt und Ursula kann den Helden einfach ablegen.

Sobald einer der Schurken seine Siegbedingung erfüllt hat (bei manchen muss diese noch eine weitere Runde gehalten werden), Endet die Partie. Der oberböseste Oberschurke in allen Märchenreichen wurde gefunden.

Wo Licht ist, ist auch Schatten – Der Glücksfaktor

Wie in jedem guten Disney Film gibt es bei Villainous Aspekte, die wirklich toll umgesetzt sind. Allerdings gibt es auch Schattenseiten, die man nicht unerwähnt lassen sollte. Fangen wir mit den negativen Seiten an, dann können wir uns zum Ende hin steigern. Bereits bei der ersten Partie ist uns ein Problem aufgefallen, das sich in den weiteren Spielen wiederholt bestätigt hat. Viele Schurken sind auf bestimmte Karten in ihrem Deck angewiesen, um ihre Ziele erfüllen zu können. In besagter Erstpartie spielte Jan Hook, der die Karte von Neverland finden muss, um den vierten Ort auf seinem Tableau freischalten zu können. Jan hatte Glück und hatte diese für ihn so wichtige Karte bereits in seiner Starthand. Ich habe die Herzkönigin gespielt, die an jedem der vier Orte auf ihrem Tableau ein Krockettor stehen haben muss. Hierfür benötigt sie Kartenwächter. Als Jan schließlich gewonnen hatte, hatte ich erst drei von diesen Karten überhaupt gezogen. Als ich nach der Partie meinen Kartenstapel durchgesehen hatte, musste ich feststellen, dass die anderen fünf Karten erst am Ende des Stapels gekommen wären. Hier war also Pech am Werk, das man auch durch das Abwerfen und Nachziehen von Karten manchmal einfach nicht verhindern kann. Ähnliche Situationen hatten wir immer wieder.

Villainous Spielziel

Wir borgen von denen, die zu viel besitzen

Ursula und Dschafar haben dieses Problem ebenfalls. Sie müssen genau eine bestimmte Karten in ihrem Deck finden, um gewinnen zu können. Prinz John ist das genaue Gegenteil. Sein Sieg ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, denn er soll eine bestimmte Anzahl an Machtchips besitzen. Das Problem hier: Er kann auch nicht durch Glück schneller gewinnen, da die Zahl an Machtchips, die er pro Runde bekommen kann begrenzt ist. Auf dem lukrativsten Feld bekommt er drei Machtchips. Da er sich bewegen muss kann er dieses nur jede zweite Runde nutzen. Die anderen Felder können von Mitspielern durch das Ausspielen von Schicksalskarten blockiert werden. Aus ein bis zwei Machtchips können dann auch schon mal null werden. Um die Orte wieder frei zu bekommen, muss Prinz John Karten ausspielen, die ihn wiederum Machtchips kosten. Trotzdem ist es absehbar, wie lange es dauert, bis die kritische Anzahl von 20 Machtchips erreicht ist. Prinz John ist zwar ein sehr einfach zu spielender Charakter, wenn man zielstrebig auf seinen Sieg hin arbeitet, ist er aber auch recht langweilig zu spielen.

Das Schicksal ist blind – oder kurzsichtig

Die Wahrscheinlichkeit auf einen Sieg hängt also bei Villainous nicht an der richtigen Strategie. Dafür gibt es ja besagten Strategieguide, der wirklich hilfreich ist. Knapp und übersichtlich zusammengefasst steht dort wirklich alles Wichtige drin, was man wissen muss, wenn man einen neuen Helden spielt. Allerdings liest man in der Regel als neuer Spieler nur den Guide seines eigenen Schurken. Gerade in Partien mit vielen neuen Spielern ist man sehr auf sein eigenes Tableau fixiert und hat kaum im Blick, was die Mitspieler gerade so treiben. Das ist jedoch ziemlich wichtig, damit zur richtigen Zeit mittels Schicksalskarten beim richtigen Spieler interveniert werden kann. Man muss wissen, wer wie weit ist, um einschätzen zu können, ob ein Spieler etwas gebremst werden muss. Auch hier hat sich herausgestellt, dass Prinz John ab einem bestimmten Zeitpunkt ein sehr beliebtes Ziel ist, denn es ist ganz leicht zu erkennen, wenn sich die Machtchips bei ihm türmen. Bei Dschafar (den ich bisher noch nicht selbst gespielt habe, aber schon einige Male als Gegenspieler hatte) finde ich es für Anfänger schwer, das zu erkennen. Welche Schicksalskarten gezogen werden, bringt ebenfalls wieder das Glück mit ins Spiel. Wir hatten durchaus einige Partien, wo mehrmals keine der gezogenen Karten legal am Tableau des anderen Schurken angelegt werden konnte. Das freut dessen Spieler zwar, frustriert jedoch die anderen.

Villainous Prinz John

Warum Villainous Erwartungen nicht erfüllt

Frustration ist hier ein gutes Stichwort und ich denke, das hat auch viel mit der Erwartungshaltung als Spieler zu tun. Brettspiele mit Disney-Lizenz haben keinen sonderlich herausragenden Ruf in der Brettspielszene. Wir besitzen in unserer Sammlung ein Tinkerbell-Quartett, mehrere Spiele mit Frozen Thema und ein Rapunzel Neu Verföhnt Spiel, das wir seit bestimmt fünf Jahren haben, bisher aber lediglich ein halbes Mal gespielt haben. Disney bedeutet in den meisten Fällen ein bekanntes Spielkonzept zu nehmen und das Film-Thema einfach drüber zu stülpen.

Bei Villainous ist das nicht der Fall. Hier haben die Leute von Prospero Hall wirklich tolle Arbeit geleistet. Es ist ein eigenständiges Spiel mit eigenen Schwächen, aber auch mit Stärken. Zum einen ist das die absolut liebevolle Umsetzung des Disney-Themas und die düstere und stimmungsvolle Gestaltung jeder einzelnen Komponente (ausgenommen ist hier nur das Plastikteil für den Kessel der Machtchips). Jeder Schurke mit all seinen eigenen Karten, die eigene Illustrationen haben und wirklich tolle Kartenrücken passend zum Schurken, zu dem sie gehören. Auch die übrigen Komponenten einschließlich der leicht abstrakt gestalteten, massiven Plastikfiguren tragen zum stimmungsvollen Gesamteindruck bei.

Um aber zur Frustration zurückzukommen: Man muss diese aushalten können, wenn man Villainous spielt. Die möglicherweise Erwartung eines seichten und einfachen Kinderspiels wird hier in keinster Weise bestätigt. Aber es ist auch kein Spiel, bei der man allein durch Kenntnis der richtigen Strategie gewinnen kann. Im dümmsten Fall wirft man Runde um Runde Karten ab, um neue zu ziehen und damit schnell durchs eigenen Deck zu kommen und diese eine Karte zu finden, die man braucht, um selbst vorwärts zu kommen. Dieser hohen Glücksfaktor und der damit verbundenen Frust sollte einen nicht stören, wenn ihr erwägt, das Brettspiel ins eigene Regal einziehen zu lassen.

Villainous Schurken

Disney at it’s best – warum ich Villainous trotzdem mag

Wahre Disney Fans wie mich stört das natürlich überhaupt nicht. Im Hintergrund die Musik zu den bekannten Filmen anmachen und selbst ganz tief in die Welt des Lieblingsschurken eintauchen, das bietet Villainous. Dabei muss ich mich nicht schämen, ein vermeintliches Kinderspiel im Schrank zu haben, denn die gesamte Aufmachung zielt auf den erwachsenen Disney-Fan ab, der sich an diese großartigen Filme seiner Kindheit erinnert fühlt.

Ein enormer Vorteil ist auch, dass jeder Schurke sein eigenes kleines, in sich geschlossene Universum ist. Durch das Schicksalsdeck mit eigenen Gegenspielern, die thematisch zum Schurken passen, kommen sich die verschiedenen Decks nicht in die Quere. Das sorgt zwar für geringes Maß an Interaktion, bei uns hat es aber auch dazu geführt, dass alle Spieler sich mit ihrem eigenen Schurken identifizieren konnten. Es wurde emotional im Tisch, es wurde diskutiert und es wurden Beschuldigungen angebracht.

Wir hatten eine schöne Zeit, wenn Villainous bei uns auf dem Tisch lag. Disney-Fans macht dieses Spiel bereits durch seine bloße Existenz glücklich. Das solide Spiel, dem man anmerkt, dass sich jemand bei der Entwicklung Gedanken um thematisch passende Mechaniken und Ziele für die einzelnen Schurken gemacht hat, setzt dann nochmal einen oben drauf. Ich persönlich bin froh, Villainous in meinem Spielschrank zu haben und werde bestimmt noch ein paar Partien spielen. Wie erwähnt wartet Dschafar noch darauf, dass ich ihn mir mal zur Brust nehme. Und noch einen Vorteil haben die in sich abgeschlossenen Schurkendecks: Es ist viel Raum für Erweiterungen mit neuen Schurken.


Euer Rating zu Villainous


Villainous ist bei Ravensburger erschienen.
Copyright: © Disney www.disney.com

Disney Villainous (2018)
Spieler:
2 - 6
Dauer:
50 Min
Alter:
10+
BGG Rating:
6.99
Verlag:
Ravensburger
BGG:
Für die Rezension stand uns ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung.

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