Noch scheint die Sonne durch die große Fensteröffnung der Kirche und versetzt das Innere in Tageslicht. Sobald Francisco mit dem Glas zurück ist, können wir anfangen der Kirche endlich das zu geben, was sie braucht. Eine farbenfrohe Seele wird sie bekommen. Ich kann es schon vor mir sehen, wenn die Sonne am Morgen durch die Fenster ihr erstes Tageslicht schickt und das Kirchenschiff in die unterschiedlichen Farben und Schattierungen hüllt. Das wird eine Sagrada über die noch Generationen sprechen werden!
Ich denke also spiel ich
Um eine Kirche zu bauen, braucht es nicht viel. Eine Kirche irgendwo aufstellen und fertig ist die ganze Sache, doch mit was unterscheidet sich meine Kirche von den anderen? Natürlich durch die bunten Fenstergläser! Nun ist es sehr schwierig, in Deutschland einfach so eine Kirche zu bauen. Und ohne Kirche auch keine Fenster, könntet ihr denken, dem ist aber nicht so. Mit Sagrada aus dem Pegasus Verlag könnt ihr zumindest die Fensterkonstruktion übernehmen.
Zu diesem Zweck habt ihr Würfel in fünf verschiedenen Farben. Von diesen sucht ihr euch nach dem Würfeln zwei pro Runde aus und am Ende von Runde 10 sollte euer Fenster komplett sein. Fertig erklärt ist Sagrada. Leider gibt es noch ein kleines Detail, was euch dann doch zum Grübeln bringt: das Einsetzen der Würfel. Ihr könnt nicht einfach wild eure Würfel platzieren, denn zu Anfang des Spieles bekommt ihr eine Bauanleitung, diese hat auf ihren Feldern entweder gar nichts, Farbfelder oder in grau gehaltene Würfelaugen. Ihr ahnt es schon: Auf diese Felder darf ich nur die Würfel setzen, die auch zum Feld passen.
Es geht aber auch noch schwieriger, so darf ich neue Würfel nur angrenzend an schon gesetzte Würfel legen. Ausnahme ist hier der allererste Würfel, den packt ihr irgendwo an den Rand. Aber auch hier gibt es wieder eine Einschränkung: Sowohl vertikal als auch horizontal dürfen Farbe und Würfelaugen nicht mit dem benachbarten übereinstimmen.
Sagrada dreht auf
Und so ändert sich auch die Wahrnehmung, von einem „ach nur bunte Würfel einsetzen“, hin zum Grübelakt. Denn auch wenn ich genug Würfel zur Auswahl habe, ist nicht jeder Würfel auch platzierbar. Ich muss genau überlegen, welchen Würfel ich nehme, um mich nicht zu verbauen. So ist ein beliebter Fehler bei uns gewesen, einen Würfel zu nehmen, der augenscheinlich passte, um dann später festzustellen, dass das Pflichtfeld neben dran nicht mehr genutzt werden konnte. Allerdings steht der Tipp, genau das nicht zu tun auch deutlich in der Spielanleitung.
Das Spiel greift euch zusätzlich unter die Arme und bietet euch pro Partie drei zufällige Hilfsmittel an. Diese können euch zum Beispiel helfen, die Steine umzusetzen, die Würfelaugen oder die Zugreihenfolge bei der Würfelauswahl zu manipulieren.
Allerdings sind diese Helferchen eben eins, sie sind nämlich zufällig. Und deswegen können sie euch manchmal mehr bringen und sind ein andermal kaum zu gebrauchen. Und umsonst sind sie auch nicht. Wollt ihr sie nutzen, müsst ihr mit Glassteinen bezahlen. Diese bekommt ihr einmalig am Anfang der Partie, in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad eurer Bauanleitung. Je schwerer desto mehr Steine bekommt ihr.
Auf der Suche nach dem Thema
Sagrada ist ein abstraktes Spiel. Und genauso wie in Azul ist die Thematik bei abstrakten Spielen immer ein heikles Thema. Ihr lernt zwar nichts über das eigentliche Thema, den Bau von bunten Fenstern, aber nach einer Runde Azul könnt ihr auch noch kein Bad fliesen.
Wie in Seikatsu findet sich das Thema allerdings im gesamten Spielmaterial schön aufbereitet wieder. Eure Spielertableaus bestehen aus gotisch geformte Fenstern. Die Würfel sind extra durchscheinend, um eben zu glänzen. Das Schachtel-Cover ist knallbunt und kann sich schon im Laden gegen andere Spiele optisch gut abheben. Und auch die grafische Umsetzung orientiert sich dabei immer an den bunten Fenstern.
Allerdings offenbart sich hier auch eine der großen Schwächen von Sagrada gegenüber Azul. Während der Gewinner des Spiel des Jahres 2018 auch für Leute mit Farbsehschwächen spielbar ist, ist dies bei Sagrada nicht der Fall. Zum Glück ist es durch den Spielmechanismus nicht ganz so entscheiden. Habt ihr Mitspieler mit Farbschwäche könnt ihr ja immer noch mit diesen reden oder ihre Frage nach den Farben beantworten. Allerdings hätte es nicht geschadet, die Würfel vielleicht auch noch mit einer eindeutigen Symbolik zu versehen.
Sagrada oder Azul
Irgendwann kommt es unweigerlich zu der Frage, welches der beiden Spiele das bessere abstrakte Spiel ist. Ich sage natürlich gleich Sagrada. Was zu einem gewissen Teil auch daran liegt, dass Azul mich einfach nicht überzeugt hat. Trotzdem kann ich verstehen, warum viele für Azul schwärmen und warum es den Spiel des Jahres Preis gewonnen hat. Aber im direkten Vergleich spielt sich Sagrada für mich einfach schöner. Und das liegt an der Abwechslung.
Das fängt schon bei den Bauplänen an, denn in jeder Partie hab ich einen anderen Plan. Ich kann selber entscheiden ob ich einen leichteren oder schweren Plan ausfüllen möchte. Dazu kommt das Ziehen der Würfel. Ja, auch bei Azul werden die Fliesen zufällig gezogen. Aber bei Sagrada werden danach die Würfel noch geworfen und unterscheiden sich so in der Augenzahl. Auch finde ich, dass es sich schneller spielt, da ihr ja nur bestimmte Würfel nehmen könnt.
Und zu guter Letzt ist Sagrada einfach thematischer in der Gestaltung des Spiels und dessen Komponenten. Sei es die UV-Spot Lackierung auf der Box, die besseren Spielertableaus oder eben einfach die Illustrationen. Auch bei Plan B scheint man sich dies gedacht zu haben, denn anders ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass die Fortsetzung Azul Stained Glass auch das Thema von Sagrada aufgreift. Wie sagte schon eine chinesische Weisheit? „Wer große Meister kopiert, erweist ihnen Ehre.“
Das klingt ja nach dem perfekten Spiel. Nun könnt ihr euch fragen, warum Sagrada nicht den Spiel des Jahres Preis gewonnen hat? Weil es einen kleinen aber dennoch großen spielerischen Nachteil hat.
Klirr
Es ist leider der geheime Auftrag den ihr am Anfang bekommt, dieser bestimmt, welche Würfelfarbe euch Bonuspunkte einbringt. Da jeder eine andere Farbe bekommt, könntet ihr jetzt glauben, dass dies ja einigermaßen fair ist. Allerdings ist hier der Zufall, den ich an andere Stelle durchaus positiv bewerte, sehr hinderlich. Denn mit der Endwertung bekommt ihr für jeden eurer Würfel, der in der Farbe eurem geheimen Auftrag entspricht, noch einmal Punkte in Höhe seiner Augenzahl. Hier kann es einfach passieren, dass ich nicht so viele hohe Augen auf meinem Tableau einsetzen konnte, weil sie schlicht nicht gewürfelt wurden.
Kleines Rechenbeispiel: Ich habe als Bonus die Farbe rot und konnte drei Würfel mit jeweils einer zwei, drei und einer eins auf meinem Tableau platzieren. Drei Plätze also belegt und dabei nur insgesamt sechs Punkte erspielt. Mein Gegenüber hat als Farbe blau und hat nur einen Würfel platziert mit einer sechs, das heißt er hat mit weniger Aufwand mehr Punkte gemacht und jeder weitere blaue Würfel, selbst wenn er nur eine eins hat bringt ihm mehr Punkte ein.
Dadurch überlasse ich einen Großteil meiner Punkte die ich erspiele eben dem Zufall. Hier hätten die Designer vielleicht einen anderen Weg wählen können.
Das mindert natürlich für mich nicht den Spielspaß, denn den hab ich ja beim Einsetzen der Würfel und der Knobelei, welcher Würfel jetzt am Besten ist für meinen Zug. Aber Spielspaß ist eben eins und einfach nur per Zufall vergebene Punkte ist etwas anderes. Das macht Sagrada nicht unbedingt zu einem schlechten Spiel, aber ihr solltet euch über eben genau diesen Punkt bewusst sein, dass die Stärke des Zufalls gegenüber Azul auch die Achilles Ferse von Sagrada ist.
Euer Rating zu Sagrada
Sagrada ist auf deutsch erschienen beim Pegasus Verlag.