Wenn alle mit anpacken, geht das Errichten der neuen Landhäuser schnell von der Hand. Da ein bisschen Holz und hier ein klein wenig Lehm und dann braucht es nur noch Glas für die Fenster und das Werk ist vollbracht. Moment, mal was soll ich jetzt mit dem Metall hier? Ich brauche doch Glas, sagte ich. Na gut, kein Problem, schafft das Metall nach dort drüben. Da bauen wir dann vielleicht die Fabrik. Wie da ist kein Platz zum Lagern? Und jetzt kommt auch noch das angeforderte Glas, das können wir aber im Moment nicht gebrauchen! Erst einmal muss das Metall von ihr weg, damit das Glas Platz hat und wir das kleine Landhaus fertig bauen können. Hier gibt es einfach nicht genug Platz, so wird das nichts!
Spiele in denen Städte aufgebaut werden, kommen in der Brettspiel-Szene immer gut an. Tiny Towns von Peter McPherson nimmt sich dieses Themas an und wir dürfen, dank des Original-Verlags AEG, wieder einmal Stadtplaner spielen. Doch irgendwie ist alles anders in dem Brettspiel. Alles ist enger und ziemlich kniffelig und puzzelig. Wir haben uns Tiny Towns, das auf Deutsch bei Pegasus Spiele herausgekommen ist, einmal genauer angeschaut. In unserer Review wollen wir euch erklären, warum das Setzen eines einzelnen Holzklötzchen am Anfang des Spiels, schon das Aus für euch bedeuten kann.
Wir bauen Tiny Towns
Der Titel ist Programm. Am Anfang habe ich nicht viel zur Verfügung, lediglich eine freie Wiese mit 4×4 Feldern. Und dort soll ich alle Gebäude errichten. Klar, das ist ja kein Problem für einen erfahrenen Vielspieler, der schon unzählige futuristische, römische und mittelalterliche Städte gebaut hat. Tja, 20 Minuten später zeigt sich allerdings, dass es doch schwierig sein kann. Denn noch nie musste ich in einem Spiel über Stadtbau, so viel im Voraus planen, wie bei Tiny Towns.
Dabei sind die Regeln recht simpel: Aus einem Deck an Rohstoff-Karten wird eine Karte gezogen und offen für alle ausgelegt. Nun nimmt sich jeder Mitspieler die entsprechende Ressource und platziert sie auf einem der 16 freien Felder seines kleinen Spiel-Tableaus. Habe ich dann Muster aus Rohstoffen für ein Gebäude zusammenbekommen, ersetze ich alle Rohstoffe durch das Gebäude, das ich auf einem der frei gewordenen Felder platziere. Wenn ich keine Rohstoffe mehr platzieren kann, ist das Spiel für mich aus und ich kann anfangen, die Punkte zu zählen. Das ist ganz grob umrissen, um was es in Tiny Towns geht. Eigentlich ist es nicht sonderlich schwer.
Der Blick ins Detail
Natürlich wäre ein bloßes Platzieren von Rohstoffen und anschließendes Umtauschen in Häuser noch keine wirklich tolle Errungenschaft für ein Brettspiel. Doch Tiny Towns geht hier einen leicht anderen Weg. Wie schon viele Spiele aus dem AEG Verlag in letzter Zeit, scheint man ein bewährtes Spielprinzip zu nehmen, um es dann noch einmal ein bißchen aufzupeppen. Bei Space Base war es Machi Koro und bei Custom Heroes war es das Stichspiel. Nun also wird das trockene Ressourcen-Getausche als Vorbild genommen. Denn ganz so einfach ist es eben nicht, meine winzige Stadt zu bauen.
Am Anfang werden aus einem Kartendeck fünf verschiedene Gebäude herausgesucht, jedes gehört dabei zu einer eigenen Art. Was ich immer zur Verfügung habe, sind die Landhäuser, irgendwo müssen meine kleinen Bewohner ja nun einmal übernachten. Doch nur Landhäuser bauen, bringt mir gar nichts, denn ein Landhaus ist erst einmal 0 Siegpunkte wert. Erst wenn es versorgt wird, bekomme ich dafür am Ende 3 Siegpunkte. Gut , dass es für die Versorgung der Häuser entsprechende andere Gebäude gibt. Ein Beispiel wäre hier der Bauernhof: Dieser versorgt aber nur 4 Landhäuser auf dem kleinen Spielplan. Hab ich also fünf Landhäuser, braucht es auch noch einen weiteren Bauernhof. Besser als der Bauernhof ist allerdings der Getreidespeicher, denn er versorgt doch glatt acht Landhäuser. Nachteil bei ihm ist aber, dass alle Landhäuser sich angrenzend zu ihm befinden müssen.
Welches er vier möglichen Versorgungsgebäude im Spiel ist, wird zu Beginn der Partie zufällig bestimmt. Somit geben die Gebäudearten schon vor, wie denn meine Stadt aussehen sollte. Das gilt auch für alle anderen Gebäudearten neben den Versorgungsgebäuden und so muss ich die Stadt jedes Mal anders aufbauen.
Die Sache mit dem Glück
Das ist die Puzzle-Komponente und die ließe sich recht problemlos und sehr trocken über die Mathematik lösen. Denn die einzelnen Gebäudetypen sind die bekannten Tetris-Formen, die es jetzt schon das ein oder andere Mal in ein Brettspiel geschafft haben. Dass es aber nicht so einfach ist, liegt in der Natur der Dinge. Ein Würfel sorgt bei den Siedlern von Catan von Anfang an dafür, dass es ein kleines nicht zu berechnendes Element gibt. Bei Tiny Towns sind es die Rohstoff-Karten. Das Deck mit den Karten wird dabei immer wieder gemischt, sobald es leer ist. Allerdings ist das ja noch nicht Zufall genug.
Denn irgendwann muss ja der Rohstoff kommen, den ich brauche, also kann ich hier auch mathematisch rangehen. Dem ist aber nicht so, denn nach dem Mischen werden vom Kartenstapel fünf Karten entfernt und ungesehen zur Seite gelegt. Und schon wird die ganze Sache glücksabhängiger. Sind denn jetzt noch genug Ziegel-Karten in dem Kartenstapel, damit ich meine Häuser bauen kann, wie ich es mir ausgemalt habe? Und wann kommen diese? Denn ihr wisst ja, der Platz ist beschränkt und so müssen die richtigen Ressourcen auch zur richtigen Zeit kommen. Hab ich hier einmal Pech beim Ziehen der Rohstoffe, kann das eine dumme Verkettung auslösen. Ich kann das Gebäude nicht bauen, was ich bauen wollte. Und das führt dazu, dass der Platz nicht freigegeben wird usw, usw.
Damit es nicht ganz so unfair ist, gibt es alle drei Runden einen kleinen Bonus. Hier darf ich mir meinen Rohstoff auswählen. Damit bekomme ich ein bisschen Kontrolle über den Zufall zurück. Allerdings hilft mir das nicht immer weiter, gerade zum Ende hin, wenn der Platz immer enger wird.
Tiny Towns gemeinsam alleine
So puzzeln wir alle vor uns hin und bauen unsere Städte immer weiter aus. Doch ein Wir ist es eigentlich nicht. Jeder baut eben alleine vor sich hin. Und das ist auch schon einer der Kritikpunkte an Tiny Towns. Eine Spieler-Interaktion findet nicht statt. Ob mein Gegenüber sein Haus baut oder nicht, entscheidet sich nur durch die Karten und das eigene planerische Geschick. Genaugenommen kann ich das Spiel sogar kaputt machen. Ich muss nur die Rohstoffe so platzieren, wie mein Gegenüber. Wenn alle am Tisch ihren Nachbarn nachahmen, bekommen auch alle die gleichen Punkte. Natürlich mache ich das nicht bewusst. Ich weiß ja, dass ich ein besserer Stadtplaner bin, als meine Mitspieler. Und da ich den Durchblick habe, mache ich doch mein eigenes Ding.
Ein weiterer Punkt, der mir bei Tiny Towns nicht gefallen hat, ist der strenge Geruch der Komponenten. Unser Exemplar hat auch nach einigen Partien immer noch einen sehr starken, stechenden Geruch nach Chemie. Es erinnert mich hier stark an Victorian Masterminds, wo wir das Spiel auch erst einmal auslüften mussten. Doch das Abwaschen mit Geschirrspülmittel, was bei Victorian Masterminds den Geruch gelindert hat, funktioniert bei den Holzteilen von Tiny Towns leider nicht.
Auch die Anzahl der Rohstoffe und Spielelemente kann schon einmal schnell an seine Grenzen geraten. Es gibt 24 Landhäuser. Spielt ihr Tiny Towns nur zu viert und es kommt der oben genannte Getreidespeicher ins Spiel, bräuchte es eigentlich 32 Landhäuser, wenn alle Mitspieler all ihre Häuser geschickt genug platzieren. So mussten wir auch schon in einigen Partien auf entsprechenden Ersatz zurückgreifen.
Auch das Fehlen eines Markers oder mehrerer Marker für die Anzeige der aktuellen Runde hätte nicht geschadet. Gerade am Anfang kamen wir recht oft durcheinander, was die Anzahl der Runden angeht. Da wir ja jede dritte Runde unsere Rohstoffe selber aussuchen dürfen, wäre ein Hilfsmittel dafür recht praktisch gewesen. So behelfen wir uns nun damit, dass wir die Karten je nach Runde um 90 Grad versetzt auf den Ablagestapel legen. Klappt zwar, ist aber nicht wirklich das Optimum.
Die guten Orte in Tiny Towns
Tiny Towns ist aber wegen der genannten Punkte bei Weitem kein schlechtes Spiel. Ganz im Gegenteil: Das Puzzeln und Platzieren der Rohstoffe macht mir richtig viel Spaß. Dazu kommt auch noch die Glückskomponente. Wie weit zocke ich um die Punkte? Denn eins habe ich schon sehr schnell festgestellt: Baue ich auf Nummer sicher, werde ich nie um den Sieg spielen. Ich muss etwas riskieren. Wer allerdings etwas riskiert, kann auch etwas verlieren. So sind extreme Punkte bei Tiny Towns durchaus Gegenstand des Spiels. Einmal gewinne ich mit großem Abstand und das andere Mal verliere ich und bin dann froh, gerade so 0 Siegpunkte nach Hause gebracht zu haben.
Sehr oft entscheidet sich das Gewinnen und Verlieren schon in der ersten Runde, denn ich muss genau aufpassen. Oft genug habe ich schon einen Rohstoff am Anfang einer Partie einfach so gesetzt, ohne groß nachzudenken. Das führte dann nur dazu, dass ich mich zwei bis drei Runden später selbst verfluchte. Denn erst dann hatte ich realisiert, dass der unbedarfte gesetzte Rohstoff mir eine Lücke auf dem Tableau bescheren wird, welche ich im Laufe des Spiels einfach nicht mehr schließen kann. Aber genau das gehört eben auch zu einem Tiny Towns. Freude und Ärger liegen hier sehr dicht beieinander. Denn so sehr mich ein falsch platzierter Rohstoff auch ärgert, so freue ich mich auch wie ein kleines Kind, wenn die richtigen Karten gezogen werden und die geplante Platzierung aller Häuser funktioniert.
Kleine Regeln für ein großes Brettspiel
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal die Anleitung für das Spiel hervorheben. Diese ist wirklich gut gelungen und dank ihr kam ich auch schnell ins Spiel. Klar, für ein Spiel wie Tiny Towns, was jetzt kein spielmechanisches Ungetüm ist, braucht es natürlich auch nicht viel. Aber die Anleitung ist ein Spiegelbild des Spiels: kurz und knackig, so dass ich einfach schnell spielen kann.
Durch die verschiedenen Gebäude ist für mich auch der Wiederspielreiz durchaus hoch. Hier stelle ich natürlich fest, dass es einige Kombinationen gibt, die einfach besser mit meiner Stadtplanung harmonieren und andere, wo ich mich schon am Anfang auf eine Strategie festlegen muss, wenn ich punkten möchte. Und wenn mir das dann irgendwann auch nicht mehr reicht, bieten die Regeln auch noch weitere Variationen an. Einmal kommt eine neue Gebäudeart ins Spiel, die nur für mich zur Verfügung steht oder aber die Rohstoffkarten werden nicht mehr genutzt, weil die Spieler reihum bestimmen, welche Rohstoffe in einer Runde ausgeschüttet werden. Ich persönlich mag die Standardvariante, weil diese für mich mit ihren Zufalls- und Puzzle-Elementen genau passend ist und mir bis jetzt am meisten Spaß gemacht hat.
Dazu kommt, dass Tiny Towns immer passt, ob als Spiel am Anfang eines Spieleabends oder als Absacker oder eben, weil es sich schnell spielt, auch einmal zwischendurch zur Auflockerung.
Euer Rating zu Tiny Towns
Tiny Towns ist bei Pegasus erschienen.
Für die Review wurde uns ein Rezensionsexemplar von Pegasus Spiele zur Verfügung gestellt.