Irgendwo in der Ferne war das Knacken eines Astes zu hören. Nichts Ungewöhnliches in einem Wald dieser Größe. Und der Sherwood Forest war ein großer Wald. Wahrscheinlich wurde nur irgendein Reh aufgeschreckt von den Geräuschen der großen schweren Kutsche, die sich durch den Wald bewegte. Dazu kamen noch die laut redenden Wachen, die den Wagen bewachen sollten.
Der Wagen, mit seiner wertvollen Fracht, stoppte abrupt. Ein Baum war umgefallen und versperrte nun die Straße durch den Wald. Doch irgendetwas stimmte nicht und das lag nicht nur an dem umgefallenen Baum, es war auch die Stille, die auf einmal einsetzte. Doch bevor die Wachen etwas unternehmen konnten, wurde die Stille durch das Zischen eines Pfeiles unterbrochen. Aus dem Unterholz neben dem Wagen erhoben sich die freien Männer angeführt von Robin Hood und begannen ihren Angriff auf den Wagen.
Gab es ihn oder gab es ihn nicht? Die Rede ist von Robin Hood, dem Helden in Strumpfhosen, der mit dem Bogen schießen konnte wie kein Zweiter im Sherwood Forest. Für KOSMOS gibt es auf diese Frage nur eine Antwort und die lautet schlicht und einfach: ja. Denn wir erleben im neuen Brettspiel von Michael Menzel Die Abenteuer des Robin Hood. Ob die Geschichte, historisch korrekt ist, sei mal dahin gestellt. Wir können euch nur sagen, ob uns die Brettspiel-Neuheit gefallen hat oder nicht.
Viel Spaß beim Lesen!
Mein Name ist Hood, Robin Hood
Wer kennt ihn nicht, den Vogelfreien aus dem Sherwood Forest, der von den Reichen nimmt und es den Armen gibt. Schaue ich zurück auf meine Vergangenheit, war er einer der Helden meiner Kindheit. Nicht nur die Filme habe ich gerne geschaut, natürlich war es für mich auch Pflicht, die damalige Serie im ZDF zu schauen. Und nicht nur das, ich kann mich auch daran erinnern, dass ich selbst Geschichten über Robin Hood schrieb. Und so habe ich mich schon gefreut, als KOSMOS uns eingeladen hat, um uns Die Abenteuer des Robin Hood beim Blogger-Bistro 2021 vorzustellen.
Allerdings hatte die ganze Sache erst einmal einen kleinen bitteren Beigeschmack, denn der Autor ist kein Unbekannter. Michael Menzel, seines Zeichens eigentlich Illustrator für Brettspiele, hatte auch Die Legenden von Andor entwickelt. Ein Brettspiel, was ein wenig die Brettspiel-Blase spaltet: Einige lieben das Spiel, andere – und da gehöre ich mit dazu – können mit dem Spiel einfach nichts anfangen und haben eher negative Erfahrungen. War Robin Hood also nur ein zweites Andor und war es deswegen bei uns schon vor der ersten Partie zum Scheitern verurteilt?
Um die Antwort vorwegzunehmen: Nein, es ist kein zweites Andor und das ist gut so! Es ist aus meiner Sicht ein wirklich gelungenes Familienspiel, bei dem ich gerne den Sherwood Forest besuchte und neben einer Geschichte mit bzw. über Robin Hood auch noch eine gute Zeit hatte.
Ich bin mal schnell Pfeile holen
Dabei sind die Parallelen zwischen Robin Hood und Andor schon erkennbar. Gerade das Losspielen, was mir bei Andor gefiel, ist hier auch wiederzufinden und das richtig gut. Denn das Regelheft verdonnert mich gleich dazu, dieses überhaupt nicht zu lesen. Ich soll einfach loslegen und das klappt auch. Das Spiel startet und wir sind sofort im Sherwood Forest unterwegs. Und während ich anfange Die Abenteuer des Robin Hood zu erleben, bekomme ich nebenbei die Regeln beigebracht. Langsam und Stück für Stück aber immer so, dass es auch Sinn ergibt. Wie ich schon sagte, etwas was mir bei Andor gefallen hat oder besser gesagt, jedes Spiel, wo ich einfach gleich losspielen kann und mich langsam in die Regeln einführt, punktet bei mir.
Denn im Großen und Ganzen dreht sich bei den Abenteuern des Robin Hood alles um das Hardcover-Buch, welches dem Brettspiel beiliegt. Hier finde ich nicht nur die Geschichten, sondern dieses Büchlein ist mein Reiseführer durch das Spiel. Hier werde ich ins Spiel eingeführt und hier wird mir auch die Geschichte erzählt. Und diese Geschichte kann durchaus bei jedem anders ablaufen. Denn schaffe ich mal ein Kapitel nicht, kommen nun andere Optionen ins Spiel. Während in der ersten Partie der Zimmermann vielleicht noch wusste, wo sich denn Maid Marian befand, weiß er dies im zweiten Anlauf nicht mehr. So ist auch das Scheitern einer Mission nicht unbedingt frustrierend, denn ich erlebe nun eine andere Geschichte. Ganz im Gegensatz zu Andor, wo ich beim Scheitern immer wieder vom Murmeltier begrüßt wurde und alles immer gleich war.
Und dies zieht sich durch das ganze Brettspiel. Alles bei Die Abenteuer des Robin Hood ist auf Entdecken und Erleben ausgerichtet. Es wird keine große Zeit für den Spielaufbau verschwendet oder um Regeln zu festigen, sondern es passiert alles im Vorbeigehen und fühlt sich auch absolut homogen an. Und das ist wiederum verpackt in eine überschaubare Zeit: Zwischen 60 – 90 Minuten dauerte meistens eine Partie bei uns. Hätten wir es drauf angelegt, hätten wir Robin Hood an einem Wochenende durchzocken können. Aber diesmal wollten wir uns Zeit lassen und eben nur ab und zu mal den Sherwood Forest besuchen.
Schritt für Schritt in den Wald
Eins vorweg: Wer Felder auf Spielplänen braucht, wird bei Robin Hood enttäuscht werden. Es gibt sie einfach nicht, sondern nur scheinbar wirr und lose verteilte Plättchen.
Der Kniff in der Bewegung mit unseren Figuren wird dabei über Bewegungsschablonen gelöst. Jede Figur hat drei davon mit dabei. Diese lege ich an meine Figur an und baue damit meinen Pfad durch die Gegend um Nottingham, dann stelle ich meine Figur einfach ans Ende der Schablonen und bin dort angekommen. So bin ich nicht an irgendwelche Felder gebunden und die Spieler können selbst entscheiden, wie sie sich bewegen. Dabei muss ich auch nicht immer alle Schablonen benutzen, manchmal geht man halt auch einen Tick langsamer durch die Gegend, um Energie zu sparen.
Das ist natürlich keine neue Erfindung. So etwas gibt es schon seit längerer Zeit im Tabletop-Bereich, wie zum Beispiel bei Star Wars Legion oder auch anderen Vertretern des Genres. Im Brettspiel-Bereich allerdings wirkt dieser Ansatz sehr frisch und unverbraucht.
Aber kommen wir zurück zur Energie, die ich ja vielleicht einspare. Diese Energie brauche ich, um die kleinen Aufgaben, die mich in Die Abenteuer des Robin Hood erwarten, zu meistern. Auch hier verfolgt das Spiel einen simplen und einfachen Mechanismus. Pro Probe darf ich bis zu dreimal in den Beutel greifen und kleine Erfolgswürfel herausziehen. Solange diese nicht weiß sind, habe ich das Nachsehen. Ziehe ich jedoch einen weißen heraus, habe ich die Probe bestanden und alle sind irgendwie glücklich, bis auf die Wache, die ich vielleicht ausgeknockt habe.
Apropos Beutel: Nach den Multi-Use-Cards, also Karten, die ich für mehrere Sachen in einem Spiel gleichzeitig nutzen kann, gibt es in Robin Hood nun den Multi-Use-Beutel. Alles, was irgendwie wichtig für das Spiel ist, wird über den Beutel gesteuert. Das fängt bei der Spieler-Reihenfolge an, gefolgt von der Bestimmung von Erfolgen, bis hin zu …
Mehr möchte ich hier nicht verraten, denn auch das Entdecken von neuen Regeln ist Teil des Spielerlebnisses. Und da bin ich wieder bei dem schon einmal beschriebenen Punkt: Das Entdecken passiert schnell und fluffig und das hat der Verlag sehr gut umgesetzt.
Die Abenteuer des Robin Hood: ein Spiel für Vielspieler?
Als Vielspieler erkenne ich sofort, dass das Spiel sich eher an Familienspieler und Gelegenheitsspieler richtet. Das behutsame Heranführen an die Regeln ist nur ein Faktor, der dafür spricht. Auch die Story ist okay, aber auch hier habe ich schon mehr in einem Brettspiel erlebt. Sei es, als mein Alter Ego Ben Harris Fälle in Detective gelöst hat oder wenn ich als Bilbo der dunklen Bedrohung in Mittelerde die Stirn geboten habe. Hier hätte es für meinen Geschmack, ein paar mehr Twists in der Story geben können. Aber was für mich schon Standard ist, ist eben im Familienbereich eher noch sehr mau angesiedelt und die Spiele mit Geschichten lassen sich an einer Hand abzählen und sehr viele haben mit einem Königreich namens Andor zu tun.
Auch der Glücksfaktor ist für meinen Geschmack zu hoch. Nur weil ich in der letzten Runde einer Partie die falsche Scheibe aus dem Beutel ziehe und deswegen die Spieler-Reihenfolge ungünstig ist, verliere ich. Das ist frustrierend und dämpft den Spielspaß für mich als Vielspieler. Der Familienspieler verkraftet das dann schon eher und er wird ja auch noch belohnt, denn die zweite Partie spielt sich dann doch ein wenig anders und Sachen die im ersten Durchgang noch an bestimmten Orten zu finden waren, sind nun vielleicht woanders. So eine Anpassung der Geschichte hätte ich auch gerne bei einem Pandemic Legacy gesehen, statt dem: „Nicht geschafft. Ach, einfach das Gleiche noch einmal machen“.
Auch sehr glücksabhängig ist die Position von Charakteren. Nur, weil Little John oder Robin Hood einfach richtig standen, ohne dass wir dies in irgendeiner Weise beeinflusst haben, haben wir das ein oder andere Kapitel gewonnen. Es freut mich natürlich, dass ich das dann geschafft habe. Allerdings führt das auch zur berühmten, „was wäre wenn“-Frage. Wäre es immer noch schaffbar gewesen, wenn einer der Charaktere woanders gestanden hätte?
Unseren Kindern war das allerdings recht schnuppe. Die hatten auch so ihren Spaß, egal wie der Glücksfaktor ist und was der Papa da rummeckert, wegen Glück und anderem Papperlapapp.
Der Spielplan des Robin Hood
Kommen wir nun allerdings zu einem etwas heikleren Thema und das ist der Spielplan. Die Kehrseite der Medaille für das Entdecken und freie Bewegen ist, dass der Spielplan eben seine Spuren mitbekommt. Nach einigen Partien glaubt man nicht mehr, dass es ein Spiel war, was nur ein paar Mal auf dem Tisch war. Viele Inhalte auf dem Spielplan sind durch Plättchen erst einmal verdeckt. Ihr müsst sie dann je nach Anweisung umdrehen, um so Dinge sichtbar zu machen oder auch wieder zu verstecken. So kommen und gehen die Wachen je nach Situation. Dadurch haben diese Plättchen Abnutzungsspuren. Manche sogar recht stark. Das ist natürlich schade und es ist auch verständlich. Das ist eben der Kompromiss eines bezahlbaren Spiels, das ich auch ohne Probleme transportieren kann.
Wer sich an Rise of Queensdale erinnert, der weiß auch noch, das Spiel konnte man nicht hochkant lagern. Einem Robin Hood ist das vollkommen egal, ob ihr Hochstapler oder Flachstapler seid.
Aber hier frage ich mich eben, musste dies wirklich so gelöst werden? Gerade in Hinblick darauf, dass mit der Zeit Fan-Abenteuer genauso für das System entstehen sollen, wie es jetzt auch schon das erste Bonusabenteuer für Die Abenteuer des Robin Hood gibt. Warum müssen die Wachen wirklich immer gedreht werden? Hätte man diese nicht nach dem ersten Mal drehen einfach offen liegen lassen können und je nach Situation mit nem Marker oder Token versehen können, der ihren Zustand definiert, ob sie nun aktiv sind oder nicht? Oder man hätte vielleicht noch ein kleines Hilfsmittel mit dazugepackt, womit man die Plättchen leichter hätte raushebeln können.
Auch zeigte der Spielplan nach einigen Partien schon leichte bis extreme Wölbungen, die sich mit der Zeit zwar wieder legten, aber niemals verschwanden. Das ist für den Brettspiel-Kenner natürlich logisch. So etwas kann passieren. Wir wissen ja, hier sind einfach zwei unterschiedliche Sachen miteinander verleimt und da wirken dann eben unterschiedlich starke Kräfte. Aber weiß das auch der Familienspieler und Wenig-Spieler?
Ein ganz heißer Kandidat
Natürlich sind das, bis auf die Abnutzung des Spielplanes, alles nur Punkte, die von nem alten Mecker-Typen kommen. Unterm Strich hat mir Die Abenteuer des Robin Hood sehr gut gefallen. Auch, wenn es für mich die beschriebenen Schwächen hat. Doch das ist auch Geschmackssache, nur weil für mich das Glück zu wankelmütig war, musst das ja für euch kein Ausschluss-Kriterium sein. Das Spiel macht vieles richtig und ich mag die Richtung, die es einschlägt, auch für zukünftige Spiele, die sich das als Beispiel nehmen.
Der kooperative Ansatz ist genau das, was zu dem Spiel passt. Anders hätten der Verlag und der Autor, das gar nicht machen dürfen. Da wird bei der Bewegung eben die Kurve ein klein wenig enger genommen, als beabsichtigt, weil man das ein oder andere Plättchen doch noch erreichen möchte. Oder es reicht auch das Plättchen mit nem µ (Mü) zu berühren. Wir sind ja unter uns und wir wollen Spaß haben beim Spielen. Wer auf strenge Mathematik und genau berechnete Sachen Wert legt, der ist vielleicht besser bei einem Andor aufgehoben.
Wie gesagt das Spiel macht vieles richtig und dazu gehört auch der Spielplan bzw. die Illustration des selbigen. Denn gerade am Anfang eines Abenteuers wissen wir meistens gar nicht, was uns erwartet und so müssen wir erst einmal suchen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss mir als Spieler den Spielplan genauer anschauen. Hinweise die gegeben wurden, finden sich teilweise bebildert auf dem Spielplan wieder und bringen uns dann weiter voran in der Geschichte.
Mir hat der Besuch im Sherwood Forest gefallen und ich hoffe verstärkt darauf, dass Robin Hood keine Eintagsfliege war und wir in Zukunft noch andere Brettspiele erleben dürfen, die im Familienspiel-Bereich mehr Geschichte liefern. Und ich finde auch, dies sollte vielleicht mit einer Nominierung zum Spiel des Jahres 2021 gewürdigt werden. Ach, warum nicht gleich nach den Sternen greifen, für mich steht fest Die Abenteuer des Robin Hood ist das Spiel des Jahres 2021.
Euer Rating zu Die Abenteuer des Robin Hood
Ihr wollt unser Rewind-Unboxing zum Brettspiel sehen: Rewind-Unboxing zu Die Abenteuer des Robin Hood auf YouTube
Die Abenteuer des Robin Hood ist auf Deutsch bei Kosmos erschienen.
Für die Review stand uns ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.