Review: The King's Dilemma

The King’s Dilemma – Wie wir Ankist in Schutt und Asche legten

The King's Dilemma Cover - Nominiert zum Kennerspiel des Jahres 2020Irgendwie muss ich mich da jetzt rausreden. Normalerweise bin ich bei jeder Entscheidung des Hauses Dualak mit dabei. Diesmal jedoch passt mir sein Plan überhaupt nicht. Die Bauern jetzt für einen Krieg als Soldaten einzuziehen, der vielleicht nie kommen wird, würde für noch schlechtere Ernten sorgen. Das Volk von Ankist erinnert sich jetzt noch daran, dass mein Haus für die letzte große Hungersnot verantwortlich war. Das möchte ich auf keinen Fall so auf uns sitzen lassen. Aber vielleicht kann ich es so drehen, dass ich ihm zwar zustimme, aber er hier der Buhmann sein wird. Der Norden hält schließlich zusammen,… Jedenfalls so lange, wie es zu meinen Plänen passt. Dort unten im Süden passieren im Moment sowieso viel interessantere Dinge, die es hier im Rat zu besprechen gilt.

Verhandlungsspiele kommen bei uns selten bis gar nicht auf den Tisch. Als ich in der Vorschau für die SPIEL in Essen 2019 The King’s Dilemma von Lorenzo Silva, Hjalmar Hach und Carlo Burelli bei Horrible Guild entdeckte, war ich von der Idee trotzdem sofort begeistert. Leider war Jan nicht so schnell zu überzeugen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der simple Spielablauf über eine ganze Kampagne hinweg Spaß machen könnte. Mittlerweile ist die Kampagne mit der deutschen Ausgabe von Heidelbär Games beendet und das mit Glück noch bevor Corona alle unsere Spieleabende mit Mitspielern von außerhalb aus dem Terminkalender gestrichen hat. Wir hatten unheimlich viel Spaß mit diesem tollen Spiel und das liegt vor allem an der Geschichte, die es erzählt. Unser Anliegen ist es nun, euch zu erklären, warum uns The King’s Dilemma so gut gefallen hat, ohne euch diese Geschichte zu spoilern. Challenge accepted.

Ein Besuch im Königreich Ankist

Wer sich schon mal auf das Setting einstimmen möchte, bekommt hier die thematische Einbindung von The King’s Dilemma: Jeder Mitspieler am Tisch ist einer der Berater des Königs von Ankist und Repräsentant einer der mächtigen Familien des Reiches. Im Laufe des Spiels beraten wir viele Könige über Generationen hinweg und lenken mit unseren Entscheidungen die Geschicke des Reiches und verhelfen im Idealfall unserer Familie dabei zu mehr Einfluss. Wer schon zu Beginn ganz tief eintauchen möchte, der findet in der Anleitung auch noch Details zu den Nachbarreichen, ein wenig Geschichte und Infos zur Religion in Ankist.

Zu welchem Haus gehörst du?

Los geht es dann auch mit der Wahl eines eigenen Hauses für jeden Mitspieler. Das sollten laut Anleitung zwischen 3 und 5 sein, die Drei könnt ihr allerdings getrost streichen. Für ein tolles Erlebnis empfehlen wir euch hier gleich mal mindestens zu viert zu spielen, besser noch in voller Besetzung. Aber zurück zu euren Häusern: Jedes davon hat einen eigenen Sichtschirm, auf dessen Außenseite eine passende Illustration zu finden ist und genau nach dieser haben wir unsere Häuser gewählt.

The King's Dilemma Haus-Sichtschirme

Eine Rose, ein Turm auf einer Schildkröte, ein lila Stachelschwein? Wir sind bei unserer Auswahl einfach unserem Gefühl gefolgt. Auf der Innenseite des Sichtschirms gibt es aber auch handfestere Informationen. Natürlich könnte man auch die bei der Wahl seines Hauses nutzen, aber das war uns zu langweilig. Ihr bekommt einen kleinen geschichtlichen Abriss, ihr erfahrt, welche Einstellung das Haus dem König des Reiches gegenüber hat und es gibt diverse Kästchen zum abkreuzen. Auf der rechten Seite findet ihr eure Haus-Erfolge, die euch beim Erreichen Boni bringen. Unten in der Mitte gibt es Kästchen, die euch Ansehen oder Ambition einbringen, wenn ihr eine passende Agenda-Karte wählt. Links sind ein ganzer Haufen Kästchen für besagtes Ansehen bzw. Ambition. Diese werden sich im Laufe des Spiels mehr und mehr füllen, je nachdem, wie ihr in den Partien abschneidet.

Aha! Da geht es also um Siegpunkte, wird nun der ein oder andere vermuten. Das ist nur zum Teil richtig, denn bis auf die Tatsache, dass ihr hier fleißig ankreuzt, wisst ihr eigentlich nichts über die Schlusswertung, auf die ihr am Ende einer Kampagne zusteuert. Das lässt manche Spieler etwas orientierungslos zurück, ich fand das ganz reizvoll, weil so auch niemand während der Kampagne das Gefühl hatte, weit abgeschlagen zu sein.

Wie bist du denn drauf?

Aber wir wollen nicht bereits vom Ende reden, wenn wir gerade noch am Anfang stehen. Jeder Spieler bekommt nun Geld und Einflussmarker, die er schön hinter seinem Sichtschirm bunkert. Soll ja keiner wissen, wie viel ihr davon habt. Dann bekommt jeder eine geheime Agenda-Karte. Der Spieler mit dem wenigsten Ansehen darf sich zuerst eine aussuchen, wer am meisten Ansehen genießt, hat eigentlich keine Wahl mehr. Das ist insbesondere dann ärgerlich, wenn die Karte weder zum Haus passt noch irgendwie einfach zu erfüllen wäre. Diese ominösen Agenda-Karten bringen Siegpunkte am Ende der Partie. Zum einen bekommt ihr Punkte dafür, welchen Rang ihr beim Geld belegt. Wie viele das sind und ob sich das lohnt, kommt auf die Agenda-Karte an. Wer Gierig spielt, bekommt mehr, als derjenige, der Rebellisch spielt. Der obere Teil jeder Agenda-Karte bezieht sich auf die Ressourcenleiste, auf der ihr während der Partie Marker für Einfluss, Vermögen, Moral, Wohlergehen und Wissen hin und her schiebt. Wer die Agenda-Karte Moderat spielt, der möchte, dass sich die Marker hier möglichst im mittleren Bereich bewegen.  Mit der Wohlhabend Karte, möchtet ihr die Marker in den oberen Bereich bringen, der anzeigt, das es dem Reich Ankist in allen Belangen gut geht.

The King's Dilemma Agendakarten

Eine Geschichte entsteht

Nachdem ihr den initialen Geschichtenstapel gemischt habt, kann es auch schon mit eurer ersten Partie losgehen. The King’s Dilemma hat keine komplexen Regeln. Eigentlich funktioniert das Spiel sogar sehr einfach: Eine Geschichten-Karte wird zufällig gezogen, vorgelesen und dann wird abgestimmt, ob wir dem Vorschlag nachkommen wollen oder ihn ablehnen. Die Markern auf der Ressourcenleiste werden angepasst und es passieren eventuell noch ein paar weitere Dinge. Danach geht es mit der nächsten Geschichten-Karte weiter, bis der Stabilitätsmarker an einer der beiden Seiten anschlägt oder der König stirbt. Das klingt nicht wirklich nach einem Spielablauf, der über mehr als zehn Partien hinweg Spaß machen kann. Aber das tut es trotzdem.

The King's Dilemma UmschlägeDie gezogene Geschichten-Karte beinhaltet immer nur ein Häppchen an Story. Im Verlauf der Kampagne werden immer wieder neue Karten aus den zahlreichen in der Spielbox enthaltenen Umschlägen hinzugefügt. So kommen neue Storylines ins Spiel, die sich dann jedes Mal ein wenig weiter entwickeln und etwas mehr enthüllen, wenn eine weitere Karte aus dieser speziellen Story aus dem Stapel der Geschichten-Karten gezogen wird. Man hat im Verlauf des Spiels so seine Lieblings-Geschichten, bei denen man gern erfahren möchte, wie es weiter geht. Wir hingen zum Beispiel sehr an den Geschichten, die die Landstriche betrafen, aus denen unsere Häuser stammten. Dabei entwickelte sich eine regelrechte Fehde des Nordens gegen die Häuser, die nicht aus dem Norden Ankists stammten. Für die bessere Orientierung ließen wir außerdem einen Mitspieler immer die Karte nutzen, um zu zeigen, wo ein bestimmtes Ereignis aus der gerade aufgedeckten Karte stattfand.

Wer die Wahl hat…

Bei der eigentlichen Abstimmung kann man entweder mit Ja oder Nein stimmen, oder passen. Wer passt, bekommt eine Münze aus dem Vorrat und entweder Macht aus vorherigen Abstimmungen am Ende der Runde oder kann sich den Moderatormarker nehmen. Zu Beginn der Partie hat diesen Marker, der Gleichstände entscheiden kann, derjenige Spieler mit dem wenigsten Ansehen. Wer sich für Passen entscheidet, kann nicht mehr in die Abstimmung eingreifen. Am Ende der Runde bekommt man aber Macht aus dem Waagenbereich des Spielfelds, wo die in der Abstimmung von der Gewinnerseite ausgegebene Macht hineingelegt wird. Hat man als einziger gepasst, bekommt man alles. Liegt viel Macht aus der vorherigen Runde dort, war zumindest bei uns die Wahrscheinlichkeit groß, dass mehrere Mitspieler passen. Dann wird die dort liegende Macht jedoch gleichmäßig aufgeteilt und es bleibt für den Einzelnen nicht mehr so viel übrig.

The King's Dilemma AbstimmungWer den Anführermarker besitzt, der muss sich als Erstes entscheiden, wie er abstimmt. Dieser wandert außerdem immer zu demjenigen Spieler, der gerade am meisten Macht für eine Seite geboten hat. Wer sich einmal entschieden hat, der darf sich auch nicht mehr anders entscheiden. Wenn ihr einmal dafür gestimmt habt, Sklaverei nicht zu verbieten, dann könnt ihr in dieser Abstimmung nicht mehr die Seite wechseln, so sehr eure Mitspieler auch gegen euch argumentieren. Dadurch, dass der Anführermarker wandert, kann man durchaus mehrere Abstimmungsrunden benötigen, in denen ihr eure gebotene Macht für das von euch favorisierte Ergebnis erhöhen könnt. Es wird immer so lange weiter geboten, bis die Abstimmung wieder beim Anführermarker angekommen ist. Es gewinnt die Seite, die am meisten Macht geboten hat, die Geschichten-Karte wird umgedreht und der entsprechende Abschnitt vorgelesen. Die Konsequenzen von Ja und Nein werden bereits auf der Vorderseite der Geschichten-Karte angedeutet, können dann aber deutlich darüber hinaus gehen. So werden Marker auf der Ressourcenleiste verschoben und es können Sticker in den Chronik-Bereich des Spielbretts geklebt werden.

Do it yourself Chronik zum Kleben

Diese Sticker können positive oder negative Ereignisse markieren, die ihr für das Königreich herbeigeführt habt. Eine Hungersnot etwa oder eben die Abschaffung der Sklaverei. Jeder Sticker wird von dem verantwortlichen Ratsmitglied mit seinem Hausnamen unterschrieben. So weiß man in der Chronik des Reiches immer, wer für die besonders erinnerungswürdigen Momente verantwortlich war. Jedenfalls in der Theorie. Denn verantwortlich ist immer derjenige, der den Anführermarker am Ende der Abstimmung in Besitz hatte. Das ist zwar derjenige, der am meisten Macht als Einzelperson geboten hat, es heißt aber nicht, dass er damit die Abstimmung auch für seine Seite entschieden hat. Wir haben recht schnell gelernt, dass man unliebsame Aufkleber nicht unbedingt mit seinem Hausnamen versehen möchte. Es ist schließlich immer besser, wenn ein anderer den Kopf für unpopuläre Entscheidungen hinhält, die einem selbst aber gut zupasskommen. In jeder weiteren Partie bekommen bereits vorhandene Chronik-Sticker ein Kreuzchen. Sind alle Felder für eine Ressource bereits beklebt, wird der jeweils älteste Sticker überklebt.

The King's Dilemma Chronik Sticker

Der moralische Zeigefinger?

Es liegt eine perfide Dynamik in diesen simplen Abstimmungen. Argumente für oder gegen eine bestimmte Entscheidung überzeugen selten jemanden, da man ja bereits weiß, welches Ergebnis dem eigenen Haus am meisten bringt. Will man, dass die Marker sich weit in den unteren Bereich begeben, so wird man eher nicht für etwas stimmen, was das Gegenteil zu bewirken scheint. Manche Abstimmungen sind einem dagegen sehr egal. Dann kann man sich schon bestechen lassen, denn auch das ist erlaubt. Vorausgesetzt natürlich, dass Geld einem irgendwas bedeutet. Moralische Maßstäbe kann man bei Abstimmungen jedenfalls nicht anlegen. Rechtschaffend gut wie im Rollenspiel der strahlende Ritter dargestellt wird, ist hier oft keine Option. Die Entscheidungen, die dem eigenen Haus am dienlichsten sind, sind oft nicht diejenigen, die moralisch richtig wären. Religion, Krieg, Sklaverei, Mord, Bestrafung für Gesetzesbrüche und andere fragwürdige Themen kommen alle im Gewand der Fantasy-Story auch euch zu. Habt ihr damit ein Problem damit, dass das in einem Spiel thematisiert wird, lasst lieber die Finger davon. Euch sollten die Themen und Beschlüsse nicht über das Spiel hinaus belasten. Zum Nachdenken anregen schon, aber eben nicht als Last auf eurer Seele liegen. Wir haben unser Königreich in Summe ganz schön runtergewirtschaftet. Ich persönlich hätte da nicht leben wollen, auch wenn man als Ratsmitglied bestimmt schon einige Privilegien genießt.

Tod, Elend oder ein blühendes Reich

Abgestimmt wird, wie bereits erwähnt, so lange, bis der Stabilitätsmarker, der immer parallel zu den eigentlichen Ressourcenmarkern mit bewegt wird, an einer der beiden Extrempositionen anschlägt. Dann steht es entweder zu schlimm um Ankist oder alles ist einfach eitel Sonnenschein und könnte nicht besser werden. Dass das ab und zu passiert und solche Partien dann auch schnell zu Ende sein können, liegt am Schwungmarker, den Ressourcenmarker bekommen, wenn sie sich bewegen. Ist ein Marker in positiver Richtung unterwegs, wird seine helle Seite nach oben gedreht. Bewegt er sich dann noch einmal nach oben, bekommt er außerdem Schwung und wird bei der nächsten Bewegung in die positive Richtung gleich ein paar Extrafelder weiter bewegt. Da der Stabilitätsmarker sich immer mit in die Richtung bewegt, können zu viele Entscheidungen mit positiven Auswirkungen auf die Ressourcenmarker ohne negativen Ausgleich eine Partie The King’s Dilemma genauso schnell beenden, wie eine Tendenz zu ganz furchtbaren Entscheidungen.

The King's Dilemma Ressourcen-Leiste

Häufiger hatten wir jedoch den Fall, dass eine Partie durch den Tod des Königs ausgelöst wurde. Das wird durch eine maximale Anzahl an Geschichten-Karten pro Partie festgelegt, nach der dann die erste Geschichten-Karte mit einem Totenkopfsymbol den Tod des Königs angibt. Wann eine Partie endet, ist also vor Beginn nicht ganz klar. So weiß man nicht, wie man mit seinen Machtmarkern haushalten muss. Wessen Seite eine Abstimmung gewinnt, der muss seine gebotene Macht abgeben. Wer zu den Verlierern gehört, bekommt sie zurück. Gerade in Hinblick auf die eigenen Hauserfolge möchte man bei wichtigen Abstimmungen nicht mit zu wenig Macht dastehen. Zum Glück lernt man während der Kampagne hoffentlich, wie die Mitspieler so ticken, wie man sie vielleicht auch mal so manipuliert, dass sie in die eigene Richtung stimmen oder man lernt, wann es keinen Sinn hat, etwas durchdrücken zu wollen.

Der König ist tot, es lebe der König

Der Gewinner wird nun darüber bestimmt, wie viele Punkte jeder über die Agenda-Karte, die übrig behalten Macht und das Geld erreicht hat. Bei späteren Partien bekommt man noch abhängig von den unterschriebenen Stickern sogenannte Agenda-Plättchen für die Ressourcen. Wenn man für die Hungersnot vor ein paar Partien verantwortlich war, sollte man tunlichst vermeiden, dass es in den folgenden Partien noch immer zu wenig Nahrung gibt. Ein dunkles Agendaplättchen für Wohlergehen gibt an, dass dieser Marker am Ende der Partie nicht an letzter oder vorletzter Stelle liegen sollte, denn sonst bekomme ich Minuspunkte. Habe ich ein helles Agenda-Plättchen, sonne ich mich in den Erfolgen meiner Vorgänger und bekomme Bonuspunkte, wenn die entsprechende Ressource auch in folgenden Partien an erster oder zweiter Stelle liegt.

Nun gibt es je nach Platzierung bei den Siegpunkten entweder Ansehen, Ambition oder auch beides, die ich auf meinem Sichtschirm abkreuzen kann. Das Haus des Siegers heiratet anschließend in die Königsfamilie ein und der Gewinner darf dem neuen König oder der neuen Königin einen Namen geben und ihn in einer schicken Tabelle am Ende des Regelhefts eintragen, wo alle Punktestände festgehalten werden.

The King's Dilemma Sichtschirm innen

Was von der Partie übrig blieb

Anschließend kann es mit der nächsten Partie weitergehen. Ab der zweiten Partie müsst ihr bereits mit euren Entscheidungen leben. Die Entscheidungen eurer Vorfahren wirken noch im Reich nach. Die Ereignisse auf den Chronik-Aufklebern haben Auswirkungen auf die Startposition der Ressourcenmarker, eure Familien werden durch die Agenda-Marker für die Taten eurer Vorgänger verantwortlich gemacht. Im Geschichtenstapel findet ihr die unmittelbaren und andauernden Konsequenzen eurer Entscheidungen in Form der daraus resultierenden Handlungsstränge, die ihr in Gang gebracht habt.

Am Ende oder bei wichtigen Zwischenschritten in einem Handlungsstrang werden nochmal besondere Karten ausgelegt, die einen länger anhaltenden Effekt über mehrere Partien haben. Sie lösen auch das Einkleben der Sticker im Regelheft aus. Wenn ihr davon sechs Stück eingeklebt habt, wird das Ende der Kampagne eingeleutet und das Finale steht an. Was das genau ist möchte ich hier natürlich nicht verraten. Bei uns war nach insgesamt 13 Partien Schluss, es können aber auch deutlich mehr von Nöten sein.

Wir schaffen uns unser eigenes The King’s Dilemma

Die Stimmung am Tisch war bei uns nach einem holprigen Start jedesmal besonders. Wir haben uns nicht nur auf einen Abend mit unseren normalerweise netten Mitspielern gefreut, sondern ganz besonders auf die Niedertracht und die Gerissenheit unserer Ratsmitglieder und die Geschichte unseres Königreichs Ankist, die sich vor uns entfaltet hat. Die erste Partie ist hiervon etwas ausgenommen, da man mit der schon recht umfangreichen Anleitung ein wenig braucht, bis man regelfest ist. Es war auch ungewohnt, nicht zu wissen, woraus man denn jetzt eigentlich spielt. Da lässt einen The King’s Dilemma doch sehr im Unklaren. Erst nach ein paar Partien bekommt man eine ungefähre Ahnung davon, gezielt auf etwas spielen kann man jedoch eigentlich nicht.

Meins, deins, unseres

The King's Dilemma Schachtel

Die Geschichten selbst sind teilweise generisch, konnten uns jedoch immer wieder mit Abweichungen von der Standardpartie überraschen, die wir bis dahin als gegeben hingenommen hatten. Sie wird uns in mundgerechten Stücken serviert und ergibt doch ein abgerundetes Gesamtbild. Wenn auch lange nicht alle Handlungsstränge nun am Ende der Kampagne abgeschlossen sind, so hatten wir doch eine tolle und stimmige Reise durch dieses verrückte Ankist und seine Nachbarreiche. Ein bisschen haben wir uns wie der kleine Rat aus Game of Thrones gefühlt und unsere Entscheidungen waren manchmal mindesten so unpopulär und moralisch fragwürdig wie die vom irren König oder Cersei Lannister. Schlussendlich ging es uns allen doch mehr um uns und unser Haus, als um das Wohl des Reiches.

Welche Handlungsstränge durch unsere Abstimmung ausgelöst werden, unterscheidet sich dabei ganz maßgeblich davon, was in anderen Kampagnen passiert. Es ist unsere Geschichte, das Königreich Ankist unseres, es ist das Ergebnis unserer Entscheidungen, ob gut oder schlecht. Das bekommt man in der Kampagne ganz stark zu spüren. Es hat Auswirkungen über Partien oder anders ausgedrückt Jahrzehnte und Generationen hinweg. In unserer Spielschachtel sind noch rund die Hälfte aller Umschläge umgeöffnet und eben nicht Teil unserer Chronik. Sie sind Zeuge der vielen Abzweigungen, die wir nicht genommen haben, verpasster Chancen oder umschiffter Katastrophen. Dieses Gefühl, etwas zu bewegen und etwas Eigenes zu schaffen und zu erleben, hat uns ungemein gut gefallen.

Und das macht für uns ein gutes Legacy-Spiel auch aus. Wir wollen nicht bloß ein Spiel, das mit jeder Partie komplexer wird und immer neue Regeln auftischt. Das Wichtige ist die Geschichte die wir erleben und die eben unsere ist und nicht wie die einer anderen Gruppe. Klar kann es Überschneidungen geben, aber allein schon die vielen ungeöffneten Umschläge zeigen, wie komplex der Entscheidungsbaum bei The King’s Dilemma ist.

Von der Ohnmacht der Abstimmung

The King's Dilemma LandkarteMan muss sich jedoch von dem Anspruch verabschieden, alles planen zu können. Das kann The King’s Dilemma auf keinen Fall leisten. Selbst die eigenen Haus-Erfolge sind teilweise nicht schaffbar, weil die entscheidende Abstimmung zu einem Zeitpunkt kommt, an dem man zu wenig Macht und Geld hat, um diese zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Das Ergebnis der ein oder anderen Abstimmung kann man sicherlich erzwingen, allerdings muss man dafür viel ausgeben, manchmal mehr, als einem gut tut. Man kann aber auch nicht immer passiv bleiben und auf den Moment warten, der einem wichtig ist. Die Marker bewegen sich schließlich in den wenigsten Fällen von alleine genau dahin, wo man sie haben möchte (obwohl auch das vorkommen kann). Auch wenn nicht bekannt ist, wie das Ende der Kampagne aussieht, so hat man doch eine Ahnung, dass es von Vorteil sein kann, ab und zu mal eine Partie zu gewinnen.

Wer sich hier häufiger auf unserem Blog tummelt, der weiß, dass wir immer alles für die richtige Stimmung am Tisch geben. Im Idealfall ist dabei auch ein wenig Rollenspiel. Wir lassen uns gerne auf das Spiel ein und leben unsere Rollen aus. Das war in The King’s Dilemma jedoch nicht ganz so leicht, wie in anderen Spielen. Die Identifikation mit dem eigenen Haus gelang uns nicht ganz so leicht und es braucht ein paar Partien, bis man wenigstens etwas einschätzen konnte, welche Spielweise und welche Taktik am besten zum eigenen Haus passte. Man lernte dann auch, die anderen Häuser einzuschätzen. Allerdings kam der größte Anreiz für ein wenig mehr thematische Stimmung am Tisch durch die geografische Abgrenzung zu anderen. Das mag ebenfalls ein wenig bei Game of Thrones abgeschaut gewesen sein, dem Spielerlebnis hat es aber nur gut getan.

Solltet ihr The King’s Dilemma spielen?

Die große Frage lautet nun: Können wir The King’s Dilemma empfehlen? Die Spiel des Jahres Jury hat das Spiel zumindest schonmal auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2020 gesetzt. Das ist bereits eine große Auszeichnung für ein so ausgefallenes und ungewöhnliches Brettspiel. Es ist von den Regeln her nicht sehr zugänglich, obwohl der eigentliche Ablauf sehr einfach und eingänglich ist. Genau wie Detective im Jahr 2019 krankt The King’s Dilemma jedoch an einem Problem: Man braucht die richtige Gruppe. Die richtige Gruppe ist bei Legacy- und Kampagnen-Spielen ein regelrechtes Allheilmittel. Jedoch müsst ihr nicht alle Partien direkt sehr zeitnah hintereinander weg spielen, wie das bei Detective der Fall war, um alles im Gedächtnis zu behalten. Ihr werdet es jedoch trotzdem wollen, denn das Brettspiel belohnt euch unserer Meinung nach mit einem Spielerlebnis, das es so bisher nicht gegeben hat. Das ist zwar keine Garantie dafür, dass das bei euch genauso sein wird, aber wir wünschen es euch. Wir sind froh, dass wir The King’s Dilemma gespielt haben und bis jetzt ist es für uns eines der besten Spiele aus dem Jahr 2020.

Falls ihr noch mehr zu unserem Spielerlebnis erfahren möchtet, hört doch mal in unseren Podcast zu The King’s Dilemma rein, den wir zusammen mit Kaddy von der Spielfritte aufgenommen haben. Wer noch neugieriger ist oder selbst bereits die Kampagne beendet hat, dem empfehlen wir auch unsere Spoilerfolge zu The King’s Dilemma.


Euer Rating zu The King’s Dilemma


The King's Dilemma (2019)
Spieler:
3 - 5
Dauer:
45 - 60 Min
Alter:
14+
BGG Rating:
7.82
Verlag:
HeidelBÄR Games
BGG:

Für die Review wurde uns ein vergünstigtes Rezensionsexemplar von Horrible Guild zur Verfügung gestellt.

 

5 Kommentare

  1. Kann man denn das Spiel danach och mal spielen, so dass mit der Zeit alle ungeöffneten Umschläge zum Einsatz kommen?

  2. Das ist schade, und in meinen Augen letztendlich ein Design-Fehler (der das Spiel für mich persönlich unmittelbar killt). Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Autoren von Legacy-Spielen, die es ja noch nicht so lange gibt, Ideen entwickeln, wie man aus der Einweg-Sackgasse heraus kommen kann. In Knizias „My City“ gibt es dafür ja immerhin schon einen Ansatz.

    1. Hi,
      es steht nicht explizit drauf, dass es sich um eine Abschlußkarte handelt. Allerdings lassen andere Dinge und auch die Formulierung der Geschichte keinen anderen Schluss zu. Mehr möchten wir hier nicht spoilern. 😉

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